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Serie »The Idol«: Begaff’ mich, Baby, one more time
Die Serie »The Idol« reproduziert völlig unkritisch die Ästhetik sexualisierter weiblicher Körper
Eigentlich sollte »The Idol« eine Serie sein, die in Anlehnung an die Geschichte des Superstars Britney Spears eine substanzielle Kritik am rücksichtslosen Musikgeschäft und an der sexualisierten Inwertsetzung weiblicher Körper in Szene setzt. Das mehr als 70 Millionen Dollar teure HBO-Prestigeprojekt, das auch bei den Filmfestspielen in Cannes zu sehen war, hatte aber schon vor dem Start Anfang Juli ein handfestes Glaubwürdigkeitsproblem.
Nachdem die ursprüngliche Regisseurin Amy Semitz das Projekt verließ und Produzent Sam Levinson (der Macher der Erfolgsserie »Euphoria«) die Regiearbeit übernahm, wurde die Serie fast komplett neu gedreht. Eine zu weibliche Perspektive habe das, was Amy Semitz da als Satire angelegt hatte, soll der männliche Hauptdarsteller, die Pop-Ikone Abel Tesfaye (Weeknd), gesagt haben.
Abel Tesfaye spielt in der Serie den Nachtclubbesitzer und Selbsthilfeguru Tedros, der mit der jungen Sängerin Jocelyn (Lily-Rose Depp) eine toxische Beziehung eingeht. Jocelyn wiederum steckt nach dem Tod ihrer Mutter in einer bereits einige Zeit anhaltenden Schaffenskrise und steht endlich kurz davor, einen neuen Hit zu lancieren.
Das Musikbusiness als knallhartes Geschäft, in dem Superstar Jocelyn, als sie eine eigene Idee umsetzen will, die nicht ins kommerzielle Schema passt, vom Management einfach autoritär niedergebrüllt wird, inszeniert die Serie durchaus verstörend und nachvollziehbar. Als bei einem Fototermin ein Mitarbeiter Nacktbilder verhindern will, sperrt ihn der Manager kurzerhand in einer Toilette ein und verspricht irgendeinem Mitarbeiter 5000 Dollar, wenn er drei Stunden lang die Tür zuhält.
Die auf Perfektionismus schon von der prügelnden Mutter getrimmte Jocelyn tanzt beim Videodreh bis ihr Knöchel und Zehen bluten und sie kurz vor einem Kollaps steht. Als wäre das nicht genug, lässt sie sich auf den manipulativen Nachtclubbesitzer Tedros ein, der schließlich mit einer ganzen Gruppe seiner Anhänger, die ihn wie einen Guru verehren, in Jocelyns Villa einzieht. Das alles inszeniert die Serie mit möglichst viel sexualisierten, mitunter gewalttätigen Bildern, um den toxischen Charakter der Beziehung zu illustrieren. Aber dabei reproduziert die Serie in einem fort unreflektiert, was sie angeblich kritisieren will.
Immer wieder drängt sich bei »The Idol« ein Vergleich mit dem unlängst für den Oscar nominierten Film »Blonde« auf, in dem Ana de Armas Marilyn Monroe spielt und die toxischen Machtverhältnisse in der Kulturindustrie thematisiert werden. Der Film zeigt differenziert die Widersprüchlichkeit und die biografischen Brüche der medial inszenierten und sexualisierten Ikone auf.
»The Idol« kommt bei aller gelungenen Kritik am Musikgeschäft über die Ästhetisierung des kommodifizierten sexualisierten Körpers seiner Hauptdarstellerin nicht hinaus. Kein Wunder, dass sich vor einiger Zeit auch eine ganze Reihe von Mitarbeitern des Filmsets anonymisiert beim Magazin »Rolling Stone« darüber ausließen, wie chaotisch es bei den Dreharbeiten zuging, wie unwohl sich viele Frauen dort fühlten und wie sehr sich die Serie von der ursprünglichen Idee Amy Semitz’ entfernt hatte.
Bei HBO versucht man währenddessen die Wogen zu glätten, schaltete aber entgegen der sonst üblichen Praxis für Kritiker vorab keine Screener zur Ansicht frei. Wahrscheinlich hatte man dort schlicht zu viel Angst vor negativer Kritik.
Bei dem sonst für anspruchsvolle Qualitätsserien stehenden Sender kann auch noch das Trauma der finalen »Game of Thrones«-Staffel eine Rolle spielen, die von einigen, allen voran vom linksradikalen Theorie-Star Slavoj Žižek, als antifeministische Volte interpretiert wurde.
Dabei ist das in »The Idol« verhandelte Thema im Zuge von Debatten um Machtmissbrauch im Musik- und Kulturbetrieb aktueller und brisanter denn je. Hier hätte »The Idol« als massenpublikumstaugliches Produkt, dessen erste Folge in den USA von fast einer Million Zuschauern gesehen wurde, einen maßgeblichen Beitrag leisten können. Diese Chance hat HBO vertan.
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