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Kifferfreude statt Risikoabwägung
Psychiater bemängeln ungenügende Prävention in Sachen Cannabis-Freigabe
Die von dieser Bundesregierung geplante Legalisierung von Cannabis für Erwachsene will nicht so recht vorankommen. Zwar existiert inzwischen ein Gesetzentwurf – dieser aber ist bislang nur dem Kabinett bekannt, und es heißt, dass das Landwirtschafts- und Verbraucherministerium die Vorlage erst einmal gestoppt habe.
Inzwischen wird in betroffenen Berufsgruppen und in der Politik unverdrossen das Für und Wider einer Freigabe der bislang illegalen Droge diskutiert. Mit einem Hauptstadtsymposium würdigten die Psychiater das Thema in dieser Woche. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) hatte dazu eingeladen.
Ein langjähriger Befürworter der Freigabe, der aktuelle Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert, hatte im Lauf der Veranstaltung noch einmal zusammengefasst, welche positiven Folgen der Schritt haben könnte: Austrocknung des Schwarzmarktes, Garantie von sauberem, nicht gefährlich mit anderen Substanzen gestrecktem Cannabis für Menschen, die es ohnehin konsumieren. »Unsere Suchtpolitik muss differenzierter werden: Klare Grenzen für Werbung, konsequenterer Jugendschutz bei Alkohol und Tabak, eine vernünftige Regulierung von Cannabis und mehr Hilfe für Betroffene und ihre Angehörigen«, so Blienert.
Die Legalisierung nach den bisher bekannten Eckpunkten des Gesundheitsministeriums erntete jedoch den Widerspruch der versammelten Mediziner und Therapeuten. Dieser resultierte einerseits aus internationalen Studien, andererseits aus der beruflichen Erfahrung mit Patienten, die offenbar die Folgen des Konsums nicht verkraften.
Nach Aussagen der Fachleute mehren sich seit einer Dekade die Befunde zu ungünstigen Einwirkungen auf die Hirnreifung bei jungen Menschen. Dieser Prozess ist frühestens mit Mitte 20 abgeschlossen. Beobachtet wurden bei Cannabiskonsumenten jüngeren Alters Einbußen bei Gedächtnis-, Lern- und Erinnerungsleistungen sowie Minderungen von Aufmerksamkeit und Intelligenz. Es gibt auch Hinweise darauf, dass diese Einbußen anhalten könnten.
Gefragt wurde auch, für wen die Freigabe überhaupt vorangetrieben wird. Laut Falk Kiefer von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung kiffen nur etwa zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung überhaupt regelmäßig oder über einen Pilotversuch hinaus. Von diesen wünschen sich vermutlich viele eine legale Beschaffung und ein sauberes Produkt. Gleichzeitig würde aber mit der Freigabe der Zugang für junge Erwachsene ab 18 Jahren legalisiert, wenn auch in geringfügig engerem Rahmen als für Menschen ab 21 Jahren.
Zudem, so insistierte unter anderem die CDU-Bundestagsabgeordnete Diana Stöcker, gewinnen auch Jüngere, die Gras durchaus schon probiert haben, aus der Debatte den Eindruck, dass diese Droge so gefährlich ja nicht sein kann.
Die Psychiater bemängeln, dass nicht der Zugang erleichtert werden kann, während Prävention unterbelichtet bleibt. Wichtiger noch: Strukturen, die hilfesuchende Konsumenten therapeutisch auffangen, existieren nur prekär. Etwa die Einrichtungen der Drogenberatung in Kommunen oder von freien Trägern. Nach den Eckpunkten zur Freigabe sollen Jugendliche unter 18, die beim Konsum »erwischt« wurden, zwingend einen Termin bei der Drogenberatung bekommen – angesichts deren reduzierter Möglichkeiten ein illusionäres Vorhaben. Auch der Sozial-Psychiatrische Krisendienst ist nicht rund um die Uhr und flächendeckend einsatzfähig. Die Dienste sollten niedrigschwellig ausgebaut und sicher finanziert werden, so eine weitere Forderung auf der Fachveranstaltung.
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