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Film »Alma und Oskar«: Der schöne Schein, der lügt
Der Film »Alma und Oskar« seziert den chaotischen Charakter Alma Mahlers am Beispiel ihrer Affäre mit Oskar Kokoschka
Der Titel »Alma und Oskar« klingt nach »Romeo und Julia«, da waren Nachnamen auch überflüssig. Ein Liebespaar, bis in den Tod hinein? Aber das Verhältnis von Alma Mahler zu Oskar Kokoschka scheint komplizierter, erklärungsbedürftiger auch.
Warum also gerade diese Konstellation und nicht Alma Mahler und Walter Gropius (den sie nach Gustav Mahlers Tod heiratete) oder Alma Mahler-Gropius und Franz Werfel, mit dem sie in dritter Ehe verheiratet war? Alma Mahler-Gropius-Werfel eignet sich kaum als Sinnbild der großen romantischen Liebe. Aber wofür dann? Eine klassische Femme fatale scheint sie auch nicht, dafür ist sie nicht unvernünftig genug. Berühmte Namen, höchste Kreise, viel Geld, das war ihr jederzeit wichtig.
Ihr Credo durchzieht auch diesen durchaus gediegen daherkommenden Film von Dieter Berner, der bereits 2016 mit »Egon Schiele – Tod und Mädchen« für Furore sorgte. Er stellt Alma Mahler ins Zentrum des Geschehens und lässt die Männer, einer berühmter als der andere, um sie kreisen. Ist sie ihnen hilfreich, wirkt sie zerstörerisch? Benutzt sie andere zu ihrer Selbstverwirklichung? Darauf erwartet man sich Antworten von diesem Film, ein Psychogramm zumindest, das über die Wiener Nachrede von der »lustigen Witwe« hinausgeht. Oliver Hilmes hatte vor einigen Jahren in seiner Biografie »Witwe im Wahn« das Porträt einer rücksichtslosen Egomanin gezeichnet. Gibt es da etwas zu korrigieren?
Der Film hebt mit Gustav Mahlers Tod 1911 an. Der junge wilde Maler und Autor des skandalösen Theaterstücks »Mörder, Hoffnung der Frauen«, Oskar Kokoschka, nimmt die Totenmaske von Gustav Mahler ab. Eine bizarre nächtliche Szenerie. Der Leichnam wird zu diesem Zweck in einen Stuhl gesetzt und festgeschnallt. Als sich Kokoschka dabei verletzt und ihm Blut über die Hand rinnt, springt Alma herbei und leckt es ihm ab. Ein Fingerzeig auf das Animalische der sich sofort anbahnenden Beziehung, die eruptiv bleibt. Aber Alma ist keine Muse, das käme ihr nicht in den Sinn, sie kämpft den Kampf der Geschlechter – und obsiegt. Hierbei scheut Regisseur Berner allerdings nicht vor plakativen, geradezu klischeeartigen Szenen zurück.
Wer war Alma Mahler? Eine, die Befriedigung darin fand, Genies nicht nur um sich herum zu versammeln, sondern sie von sich sexuell abhängig zu machen. Sehr viel später, als ihre Tochter Manon, Liebling der Wiener Gesellschaft, 1935 an Kinderlähmung starb, waren deren letzte Worte: »Mami, du kommst darüber hinweg, wie du über alles hinwegkommst ...« Dann verbesserte sie sich schnell, wohl ahnend, dass sie da etwas Unerhörtes zu ihrer Mutter gesagt hatte: »Wie jeder über alles hinwegkommt.« Jeder nicht, aber Alma tatsächlich. Zu ihrer Größe gehört, dass sie Schicksalsschläge wegzustecken vermag, ohne sich allzu lange damit aufzuhalten.
Ist sie oberflächlich? Gewiss, aber das gehört in der Wiener Gesellschaft, in die sie hineingeboren war, zum guten Ton. Zu ihrer Größe jedoch gehört auch, dass sie jederzeit mit offenem Visier um ihren Platz in der Gesellschaft kämpft. Ob Kaiserhaus oder Präsident der Republik – ihr stehen alle Türen offen. Auf ihre lässig-selbstbewusste Art geht sie hindurch. Auch die Sterbeszene Manons schildert sie in ihrer Autobiografie »Mein Leben« ganz selbstverständlich ungeschönt.
Während Alma Mahler energisch nach ihrem Platz in der Gesellschaft greift, streitet Kokoschka mit seinem Werk. Etwas anderes zählt für ihn nicht – die Wiener Gesellschaft ist ihm bestenfalls egal, schlimmstenfalls ein Gräuel. Mit Alma, von der er besessen ist, verbindet ihn eine unlebbare Hassliebe. Er malt sie als »berechnendes Raubtier«. Sind da zwei, die sich in der Unbedingtheit ihrer Vision einer neuen antibürgerlichen Kunst vereint wissen? Nein, Alma, die zehn Jahre an der Seite Gustav Mahlers gelebt hatte, komponiert zwar ebenfalls, aber ohne große Energie. Kokoschka zeichnet ihr das Titelblatt zu den Noten mit der Handvoll Lieder, die sie veröffentlichte – keine bahnbrechenden.
Anders Kokoschkas explosive Kunst, die heute immer noch fortwirkt. Und doch stellt der Film Alma Mahler allein ins Zentrum, macht Kokoschka zur Nebenfigur. Ein Tribut an den Zeitgeist? Später, in der amerikanischen Emigration, wird sich Alma eng an Thomas Mann anschließen, der gerade den »Doktor Faustus« schreibt. Er ist von der Erscheinung Almas jedes Mal auf Neue beunruhigt – als ob von ihr eine Gefahr ausginge. Irgendetwas erinnert ihn da an seine Schwägerin Nelly, Heinrich Manns Frau, die eine schrille Rotlichtpflanze war.
Alma kann ebenso charmant wie grob sein, ist eine Trinkerin, ganz und gar unberechenbar. Auf Höhenflüge folgen jähe Abstürze. Ihre Biografin Françoise Giroud schreibt in »Alma Mahler oder die Kunst, geliebt zu werden« über die heftigen sexuellen Konvulsionen zwischen Alma und Oskar unmittelbar nach Gustav Mahlers Tod: »Ihre Ambitionen gab sie vorläufig auf; ihr Narzissmus fand eine Ersatzbefriedigung in der Arbeit Kokoschkas, der sie unablässig malte; und die Wollust machte sie träge.« Kokoschka malt sie als berühmt gewordene »Windsbraut«, aber kommerziellen Erfolg hat er mit seinen aggressiv-expressiven Bildern ebenso wenig wie mit seinen Theaterstücken.
Doch das ist eine Bedingung Almas: Ohne kommerziellen Erfolg keine Ehe! Schließlich heiratet Alma erst den Architekten Walter Gropius und dann den Schriftsteller Franz Werfel. Und Kokoschka lässt sich eine lebensgroße Puppe anfertigen, die wie Alma aussieht und ihm als Fetisch dient, mit dem er die reale Alma von sich fernhält.
Doch der Blick in den Abgrund, der sich gleich unter der Oberfläche der eleganten Wiener Gesellschaft öffnet, bleibt in »Alma und Oskar« aus. Emily Cox ist Alma Mahler, »eine der meistgebuchten Schauspielerinnen in Deutschland und Österreich«, so wirbt der Filmverleih. Mit ihr, die vor allem mit Netflix-Serien bekannt wurde, in der Hauptrolle habe das Projekt schnell alle Finanzierungshürden genommen. So sieht das Ergebnis auch aus: handwerklich solide, aber ohne tiefergehende Irritation angesichts des chaotischen Charakters Alma Mahlers.
Hier wird eher stereotyp das Klischee der »starken Frau« bedient, die, weil sie an der Seite Gustav Mahlers lebte, ihr eigenes Kompositionswerk vernachlässigen musste. Die in Wien aufgewachsene Britin Emily Cox absolviert ihr Spiel eher routiniert und auf kühle Weise rational, was einerseits passabel scheint, andererseits frei von Überraschungen ist.
Eine Entdeckung dagegen ist Valentin Postlmayr, ein junger Wiener Theaterschauspieler, der sehr gut den explosiven Charakter Kokoschkas trifft. Was für ein unbedingter Ausdruckswille, welch Zerstörungsenergie des schönen Scheins, der lügt – in der Gesellschaft ebenso wie in der Kunst. Schade, dass er hier als Genie, das Kokoschka zweifellos war, nicht auf Augenhöhe mit Alma Mahler agieren darf. Schade auch um den Film, der, obwohl teils eindrucksvolle Bilder produzierend, am Ende doch ein recht glattes Zeitgeistprodukt bleibt.
»Alma & Oskar«, Österreich, Schweiz, Deutschland 2023. Regie: Dieter Berner. Mit: Emily Cox, Valentin Postlmayr, Táňa Pauhofová, Anton von Lucke. 88 Min. Start: 7.7.
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