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Lieferdienst Wolt: Versteckspiel auf Kosten der Beschäftigten
Weil er sie um ihren Lohn betrogen haben soll, ziehen Kuriere in Berlin gegen den finnischen Großkonzern vor Gericht
»Ich bin sehr zufrieden«, sagt Martin Bechert zu »nd«, als er sich am Donnerstag vor den Toren des Berliner Arbeitsgerichts der Presse stellt. Wolt, stellt der Anwalt der klagenden Kuriere fest, habe sich bei der heutigen Güteverhandlung bereits verraten: »Es ist rausgekommen, dass das knapp an der Lüge vorbei ist, was Wolt da gesagt hat.«
Im Rechtsstreit wird ausgetragen, wogegen migrantische Kurier*innen im April vor der Wolt-Zentrale an der Stralauer Allee in Friedrichshain protestierten. Mehr als 120 Beschäftigte des Konzerns sollen ihnen zufolge um den Lohn mehrerer Monate gebracht worden sein. Sie alle hätten Wolt-Aufträge für ein Subunternehmen ausgeführt. Mit dem aber will der Großkonzern nichts zu tun haben, streitet jegliche Kooperation ab.
Bechert will das nicht gelten lassen: »Zuerst schafft man ein kriminogenes Umfeld, in dem Lohnraub möglich wird, und drückt sich dann um die Verantwortung.« Wolt, so seine Argumentation, verfüge als appbasiertes Unternehmen über sämtliche Daten aller Beschäftigten. Jetzt habe das Unternehmen sogar eingeräumt, einen der Kläger in ihrem System gefunden zu haben. »Ich gehe davon aus, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und auch nach wie vor besteht«, sagt Bechert. »Es gibt keinen Vertrag, aber es gibt eine Arbeitsleistung.« Er wisse überhaupt nicht, wen er ansonsten in Anspruch nehmen solle, wenn nicht Wolt selbst.
Um über 100 000 Euro sollen die Kurier*innen laut eigenen Angaben gebracht worden sein. Vor Gericht selbst geht es um deutlich weniger: »Wir sprechen hier von einer Summe, die sich unterhalb von 10 000 Euro bewegt«, hält Bechert fest. »Für einen Weltkonzern wie Wolt ist das eigentlich nichts.« Von 120 potenziell Geschädigten sind gerade einmal drei übrig geblieben, die den Schritt vor das Arbeitsgericht wagten. Zu groß war laut Bechert die Angst, das Land wieder verlassen zu müssen, zu hoch die Kosten und bürokratischen Hürden für Nichtmuttersprachler*innen, einen Prozess anzustreben.
»Wolt ist skrupellos in der Prozessführung«, bewertet Bechert das Vorgehen des Konzerns. Statt mitzuhelfen, tue das Unternehmen alles dafür, Gerichtstermine herauszuzögern – Zeit, die die Klagenden eigentlich nicht haben. Weil kein Kündigungsvertrag vorliegt, betrachten sie sich nach wie vor als Beschäftigte des Unternehmens. Bis der Prozess entschieden ist, leben sie von ihrem Ersparten.
Gegenüber »nd« spricht einer der Kläger von einem »Versteckspiel«, das der Konzern betreibe. »Die meisten wissen überhaupt nicht, dass sie in Wirklichkeit gar nicht für Wolt arbeiten«, sagt der Kurier. Er sei von Wolt selbst an das Subunternehmen verwiesen worden, nachdem er sich bei dem Lieferdienst nach Arbeitsmöglichkeiten erkundigt hatte. Bei dem Versuch, nun das Subunternehmen mit den Vorwürfen zu konfrontieren, habe man ihm dort mit der Polizei gedroht. Wiederum direkten Kontakt zu Wolt herzustellen erwies sich für die Kurier*innen bei den Protesten an der Firmenzentrale als kompliziert: Das Unternehmen hatte die Eingänge zum Gebäude verriegelt, unter anderem mithilfe eines Fahrradschlosses.
Auf Anfrage erklärt Wolt, zeitweise mit Flotten von Subunternehmen zusammengearbeitet zu haben, nicht aber mit der infrage stehenden Firma. »Wir haben seit einiger Zeit keine neuen Personaldienstleister mehr an Bord«, teilt das Unternehmen mit. Die Zahl von 120 Beschäftigten will Wolt ebenfalls nicht bestätigen: »Das wissen wir auch deshalb so genau, weil jede*r Mitarbeiter*in ein eigenes Profil zugewiesen bekam.« Allerdings bezieht sich der Konzern hierbei auf ein Subunternehmen, von dem bei den Kurier*innen keine Rede ist.
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