Pirata Wars Potsdam: Anarchistisches Ahoi

Mit selbst gebauten Flößen treten Teams auf der Havel gegeneinander an

Mit großer antifaschistischer Fahne ausgestattet gleitet die »Dilemma« in Richtung der Zuschauer*innen unter der Humboldtbrücke.
Mit großer antifaschistischer Fahne ausgestattet gleitet die »Dilemma« in Richtung der Zuschauer*innen unter der Humboldtbrücke.

Als am Samstagnachmittag der alte Landtag in Potsdam in Flammen stand, ergab sich besonders von der Havel aus ein dramatischer Anblick. Passant*innen, die an diesem Tag etwa über die Humboldtbrücke nahe dem Park Babelsberg liefen, konnten nicht nur die Rauchsäule, sondern auch ein ganz und gar anderes Spektakel auf der Havel betrachten: Fünf Teams auf selbst gebauten Flößen, zum Beispiel aus alten Paletten, leeren Tonnen und Plastikkanistern, lieferten sich bei den ersten »Pirata Wars Potsdam« einen heißen Wettkampf im Wasser.

»Ihr müsst einmal um die Boje herumfahren bis zur Planke da vorne. Das Team, das als Erstes da ist, muss dann versuchen, das nächste Team von seinem Floß zu stoßen«, ruft Pirat Paul durch ein Megafon vom Ufer aus zu den Wasserfahrzeugen. Los geht das Gepaddele: Die verschiedenen Flöße mit jeweils zwei- bis dreiköpfiger Besatzung an Bord versuchen, so schnell wie möglich vom Fleck zu gelangen. Das gelingt teilweise erstaunlich gut, teilweise aber auch nicht so.

Für die Sicherheit der Floßfahrer*innen sorgt auch das Ruderboot der Wettkampfleitung, die mit einem Rettungsring ausgestattet die Strecke von jeweils über 500 Metern Hin- und Rückweg abfährt und schaut, dass es allen gut geht. Dazu gehört auch, denjenigen ein wenig unter die Paddel zu greifen, die etwas mehr mit Floß und Havel zu kämpfen haben, und Bier zur Stärkung an die Seefahrer*innen zu verteilen.

»Wenigstens ham wa Glück mit dem Wetter«, so der Kommentar vom Ruderboot aus zu »nd«. Warm genug, um getrost in die Havel fallen zu können, kühl genug, um den Hitzschlag zu vermeiden, kein Regen – die Teams können sich tatsächlich glücklich schätzen. Währenddessen müssen sie noch ein paar Aufgaben erledigen, zum Beispiel Säcke unter der Humboldtbrücke losbinden und Holzkreuze mit Fotos von Günther Jauch und Elon Musk abwerfen. Dabei werden die Teams laut von den Zuschauer*innen des Wasserspektakels am Ufer und auf der Brücke angefeuert.

»Es ist Sommer und wir wollten etwas Witziges und Kreatives machen. Ein bisschen Spaß in die Polit-Blase bringen, wo sonst oft nur entweder über Politik und Utopien diskutiert wird oder es um Party geht«, sagt Paula vom Organisationsteam der »Pirata Wars« zu »nd«. Dieses setzt sich aus Menschen zusammen, die zum Teil auch die »Anarchistischen Tage« in Potsdam organisieren.

Beim Floßwettkampf werden Getränke und Essen gegen Spende angeboten, mit den Einnahmen wollen die Organisator*innen die anarchistische Gruppe ABC Belarus unterstützen. »Wir finden es wichtig, die Solidarität zwischen west- und osteuropäischen Anarchist*innen zu stärken. Und ABC Belarus braucht dringend Kohle«, sagt Paula. Ihr ist es wichtig zu zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, spaßige Veranstaltungen zu solidarischen Zwecken zu organisieren, nicht nur die sonst oft üblichen »Soli-Partys«, bei denen sich die Einnahmen und der Spaß zu einem Großteil aus dem gemeinsamen Alkoholkonsum ergeben. Gleichwohl findet im Anschluss an die »Pirata Wars« noch eine kleine Party mit Konzert im Hausprojekt »La Datscha« statt.

Anarchist Black Cross (ABC) Belarus

ABC Belarus unterstützt Anarchist*innen und antiautoritäre Aktivist*innen, die von der belarusischen Diktatur unterdrückt werden. ABC sammelt Geld, um Anwält*innen zu bezahlen, die Familien von Gefangenen zu unterstützen und vieles mehr. Mehr Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten unter: abc-belarus.org

Die Organisator*innen sind froh, dass der Tag so gut läuft, obwohl sie mit der Planung und Umsetzung der Veranstaltung erst drei Wochen zuvor angefangen haben. »Es ist gar nicht so schwierig, so etwas auf die Beine zu stellen.« Das Material für die Flöße zum Beispiel hätten sie im Müll gefunden oder von Institutionen bekommen, die es sonst weggeworfen hätten.

»Es ist auch stadtpolitisch gesehen wichtig, sich den öffentlichen Raum zu nehmen für solche Aktionen«, sagt Paula. Viele Tourist*innen und Passant*innen hätten interessiert zugeschaut beim Wettkampf. »Da haben wir ein bisschen das Stadtbild geprägt mit den selbst gebauten Flößen und der großen Antifa-Fahne.« Besonders glücklich macht das »Pirata Wars«-Team, dass auch Familien und Kinder zugeschaut und mitgemacht haben.

Gewonnen hat den Wettkampf das Team »Sphinx« mit Tobi, Mut und Milan. Milan ist acht Jahre alt und freut sich darüber, dass die Gruppe mit dem Floß aus zwei großen leeren Blechtonnen und Holz so erfolgreich war. »Damit habe ich gar nicht gerechnet«, sagt Milan nach der Sieger*innenehrung zu »nd«. Nun muss das Team den Wanderpokal, den es erhalten hat, im nächsten Jahr verteidigen und freut sich schon darauf.

Auch Team »Dilemma« will wieder dabei sein und vor allem dafür Sorge tragen, dass die »Pirata Wars« auch im nächsten Sommer stattfinden. »Wir wollen nicht nur Nutznießer*innen sein, sondern auch selbst organisieren«, sagt Schramme zu »nd«. Der Wettkampf habe großen Spaß gemacht und es sei wichtig, Aktionen zu organisieren, die nicht nur Feten sind. »Es wäre eine schöne Tradition, wenn das einmal im Jahr stattfinden würde«, sagt Schramme.

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