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Venezuela: Aus für die linke Parteienopposition im Land
Die Eingriffe der venezolanischen Regierung bedeuten das Ende für die linke Parteienopposition im Land
Nach der Verkündung reagierte die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) entsetzt: Das Urteil sei »illegal und fehlerhaft«, erklärte Generalsekretär Óscar Figuera, der gleichzeitig der einzige PCV-Abgeordnete im venezolanischen Parlament ist. Vergangene Woche hatte das regierungstreue Oberste Gericht (TSJ) in die internen Belange der Partei eingegriffen, die Wahl der amtierenden Parteiführung für ungültig erklärt und eine siebenköpfige Ad hoc-Parteiführung ernannt. Dieser allerdings gehören gar keine aktuellen PCV-Mitglieder an. Einige wurden in der Vergangenheit von der Partei ausgeschlossen, andere sind Mitglieder der regierenden »Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas« (PSUV) – und alle gelten als ausgesprochen regierungsnah.
Die PCV hingegen brach bereits 2020 mit der Regierung von Nicolás Maduro, der sie eine autoritäre, neoliberale und gegen die Interessen der Arbeiter*innen gerichtete Politik vorwirft. Auch wenn der Regierungsdiskurs bis heute sozialistische Versatzstücke aufweist, zielt die Politik unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise und der US-Sanktionen längst auf einen weitgehend unregulierten Kapitalismus aus intransparenten Privatisierungen, Investitionsanreizen für Privatunternehmen und der Schaffung von Sonderwirtschaftszonen. Bereits bei den Parlamentswahlen 2020 und den Regionalwahlen 2021 traten die Kommunist*innen gemeinsam mit anderen linken Kleinparteien als neues Linksbündnis »Revolutionär-Populare Alternative« (APR) gegen die Regierung an, erzielten aber enttäuschende Ergebnisse von um die drei Prozent.
Einzelne chavistische Basisbewegungen wie SurGentes sowie zahlreiche Kommunistische Parteien weltweit kritisierten das Vorgehen gegen die PCV. In den vergangenen Monaten war bereits der Boden für diese Entscheidung bereitet worden, indem eine Gruppe vermeintlicher Parteimitglieder unter dem Namen »Patriotische PCV« einen angeblichen Machtkampf innerhalb der Partei konstruierte. Die Regierung warf der Kommunistischen Partei, die in den staatlichen Medien ignoriert wird, öffentlich vor, oppositionellen Medien Interviews zu geben. Zuletzt wurde die PCV angefeindet, weil sie das administrativ verhängte Antrittsverbot gegen die ultrarechte Oppositionspolitikerin María Corina Machado kritisiert hatte. Diese strebt eine Präsidentschaftskandidatur an und gilt laut Umfragen als die derzeit aussichtsreichste Kandidatin. Derartige Antrittsverbote sind umstritten, da sie der Oberste Rechnungsprüfer aufgrund von Korruptions- oder Veruntreuungsvorwürfen erlassen kann, ohne dass ein Gerichtsbeschluss vorliegt. Der regierende Chavismus hat über dieses Instrument in den vergangenen Jahren mehrere Oppositionspolitiker*innen aus dem Rennen genommen. Bei den letzten Regionalwahlen war es aber ausgerechnet die PCV selbst, die mit 15 Fällen etwa von der Hälfte aller verhängten Antrittsverbote betroffen war.
Auch wenn die kleineren linken Parteien zahlenmäßig nur eine marginale Bedeutung haben, will die Regierung ein Zersplittern der chavistischen Kräfte unbedingt vermeiden. Für das jetzige Vorgehen gegen die PCV gibt es dabei mehrere Präzedenzfälle. Im Vorfeld der Parlamentswahl 2020 intervenierte das Oberste Gericht in ganz ähnlicher Manier in mehrere kleine Linke wie auch rechte Parteien, deren Namen und Symbole jeweils einer regierungsnahen Ad hoc-Parteiführung überschrieben wurden. Im Gegensatz zum jetzigen Vorgehen gegen die PCV gingen diese Entscheidungen zumindest bei den weiteren linken Parteien allerdings tatsächlich auf interne Parteistreitigkeiten zurück. Die PCV versammelte anschließend sowohl bei den Parlaments- wie bei den Regionalwahlen sämtliche Kandidat*innen des Linksbündnisses APR auf ihrem Wahlticket. Wenn die durch den Gerichtsbeschluss gekaperte Kommunistische Partei Venezuelas bei der für das kommende Jahr anvisierten Präsidentschaftswahl nun also wieder im Bündnis mit der Regierung antritt, besteht im Parteienspektrum praktisch keine linke Opposition mehr.
Die PCV ist die älteste Partei des Landes
Als älteste Partei des Landes und aufgrund ihrer bedeutenden Rolle in der Geschichte der venezolanischen Linken besitzt die PCV eine große Symbolkraft. 1958 hatte die Partei einen gehörigen Anteil am Sturz der Militärdiktatur von Marcos Pérez Jímenz. Das neue, demokratische Venezuela schloss die PCV dann mitten im Kalten Krieg aus dem zuvor bestehenden Bündnis aus. Anfang der 1960er Jahre ging die komplette Partei in den Untergrund und führte gemeinsam mit anderen Gruppierungen einen weitgehend erfolglosen Guerillakampf. Mitte der 1960er hing die Partei dann mehrheitlich die Waffen an den Nagel und kehrte in die Legalität zurück. Durch Abspaltungen und die Herausbildung neuer linker Gruppen verlor sie in den folgenden Jahren politisch an Bedeutung. In den 1990er Jahren unterstützte sie wie andere linke Kleinparteien zunächst die Mitte-Links-Regierung von Rafael Caldera, bis diese sich 1996 komplett dem Neoliberalismus verschrieb. Seit 1998 unterstützten die Kommunist*innen das politische Projekt von Hugo Chávez.
Konfliktfrei lief dies nicht ab. Als sich die PCV als eine von wenigen linken Parteien 2007 etwa weigerte, in der neu gegründeten Regierungspartei PSUV aufzugehen, kritisierte Chávez dies zunächst harsch. Die bei der PCV verbleibenden Parteimitglieder würden »in einen Volkswagen passen«, polemisierte der damalige Präsident, nur um »den Scherz« vor den kommenden Wahlen öffentlich zurückzunehmen und erneut mit der PCV im Bündnis anzutreten. Schon damals waren es häufig die Kommunist*innen, die innerhalb des linken Parteienspektrums auf Probleme hinwiesen. Stellte es bereits unter Chávez zuweilen einen schwierigen Spagat dar, Kritik öffentlich zu äußern, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, den politischen Gegnern in die Hände zu spielen, ist dies heute kaum mehr möglich. In den vergangenen Jahren war es vor allem die PCV, die vor Ort demonstrierte, wenn die Rechte von Arbeiter*innen verletzt wurden oder der Staat Repression ausübte. Große Massen konnte die Partei dabei nie mobilisieren, symbolisch wichtig waren ihre Aktionen dennoch. Nun zahlt die Partei die Rechnung dafür.
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