Simbabwe: Die Regierungspartei bestimmt die Spielregeln

Die Bürgerrechtlerin Namatai Kwekweza über die Wahlen in Simbabwe

Elf Kandidat*innen treten bei den Präsidentschaftswahlen in Simbawe am 23. August an. Für mich sieht es aus der Ferne nach dem gleichen Zwei-Personen-Rennen wie 2018 aus, mit dem amtierenden Präsidenten Emmerson Mnangagwa von der seit der Unabhängigkeit 1980 regierenden Partei Zanu-PF gegen Nelson Chamisa von der 2022 gegründeten Bürgerkoalition für Wandel (CCC), früher Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC). Ist das richtig?

Es ist in der Tat so: Mnangagwa und Chamisa sind die Hauptkandidaten. Das liegt auch daran, dass sie mit der Zanu-PF und der CCC die einzigen Parteien hinter sich haben, die in der Lage waren, im Falle der Zanu-PF in allen Wahlkreisen Kandidaten für das Parlament und die Regionalräte aufzustellen und im Falle der CCC in allen fürs Parlament und fast allen für die Regionalräte. Die anderen Parteien waren dazu nicht in der Lage. Das gilt auch für Kundgebungen in großer Anzahl. Die CCC organisierte 26, die Zanu-PF über 20, während die anderen unter ferner liefen. Insofern läuft es auf einen Zweikampf der beiden mit Abstand bekanntesten Kandidaten hinaus.

Es gibt eine weibliche Präsidentschaftskandidatin, Elisabeth Valerio. 2018 waren es noch vier Kandidatinnen. Worauf beruht der Rückgang?

Interview

Namatai Kwekweza ist Gründerin und Direktorin von WELEAD Trust, einer Nichtregierungsorganisation, die in Simbabwe junge Menschen für den Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mobilisiert. Die 25-Jährige, die selbst bereits zwei Mal verhaftet wurde, ist Gewinnerin des Kofi-Annan-Demokratiepreises der Nächsten Generation 2023.

Es ist in der Tat ein Grund zum Nachdenken. 2018 gab es vier weibliche Kandidatinnen und 18 männliche, dieses Mal eine unter elf Kandidat*innen. 2018 traten bekannte Kandidatinnen an wie die ehemalige Vizepräsidentin Joice Mujuru für die Regenbogen-Koalition und die ehemalige Vizepremierministerin Thokozani Khupe für die MDC, inzwischen CCC. Dass es dieses Mal mit Valerio nur noch eine einzige Kandidatin ist, hat etwas damit zu tun, dass es für Frauen in diesem System noch schwieriger geworden ist, für öffentliche Ämter zu kandidieren als ohnehin. Linda Masarira konnte beispielsweise nicht antreten, weil sie die von 1000 US-Dollar 2018 auf 20 000 US-Dollar angehobene Gebühr nicht aufbringen konnte. Auch Valerio wurde aufgrund von Problemen mit dem Bankensystem zuerst abgelehnt. Sie legte beim Obersten Gerichtshof Berufung ein, der ihr Recht gab und der Wahlkommission ZEC beschied, dass sie die Kandidatur annehmen müssen. Weniger Zugang zu Finanzmitteln ist ein Hindernis für Frauen zu kandidieren, dazu kommt die gesellschaftliche Wahrnehmung von Frauen mit weniger Befähigung zur Führung, die verbreitete Diskriminierung und auch die Gewalt und Hassreden, denen Frauen in den sozialen Medien ausgesetzt sind, die die politische Beteiligung erschweren.

Etwa eine Woche vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Simbabwe wurden 40 Mitglieder der führenden Oppositionspartei CCC verhaftet. Mehr vom Üblichen?

Generell werden diese Wahlen aus Sicht vieler Beobachter als friedlicher eingeschätzt als viele der vergangenen Jahre. Aber es gibt Gewalt bis hin zum Mord. So wurde Moreblessing Ali, eine Aktivistin der CCC, im Mai 2022 ermordet. Und als der CCC-Abgeordnete Job Sikhala diesen Mord anprangerte, wurde er verhaftet und sitzt seitdem seit über einem Jahr in Haft. Wir wissen auch von mindestens einem anderen Mordfall. Dass Leute verschleppt und dann zusammengeschlagen werden, ist zudem keine Seltenheit. Die Verhaftung der 40 CCC-Mitglieder passt in dieses Bild. Die Wahlatmosphäre fühlt sich sicher nicht für alle Teilnehmer gleich an. Die Regierungspartei Zanu-PF ist klar bevorzugt. Das fängt beim Zugang zu den Medien an, in den Mainstream-Medien ist Zanu-PF überrepräsentiert, es gibt keinen fairen Wahlkampf. Auch was Verhaftungen angeht, ist die Opposition weit stärker betroffen. Es gibt auch 2023 ein Klima der Gewalt rund um die Wahlen, auch wenn es bisher weniger Gewaltexzesse gab als früher. Aber es gibt Gewalt, und das muss klar gesagt werden.

Der Senat hat Anfang Juni rechtzeitig vor den Wahlen ein »Patriotengesetz« verabschiedet. Wer »mutwillig die Souveränität und das nationale Interesse Simbabwes schädigt«, macht sich demnach strafbar. Die Meinungsfreiheit wird damit noch weiter eingeschränkt, oder?

Eindeutig. Es ist ein absurdes Gesetz, mit dem die Vereinigungsfreiheit, die friedliche Versammlung und die freie Meinungsäußerung noch stärker bedroht werden. Damit werden alle Treffen von kritischen Bürgern unter Generalverdacht gestellt und können kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt werden. In einem Land, in dem das nationale Interesse quasi als Synonym für das Interesse der regierenden Zanu-PF gilt, kann dieses Gesetz sehr einfach gegen Regierungskritiker zur Anwendung gebracht werden. Es geht mit diesem Gesetz eindeutig darum, Regierungskritiker einzuschüchtern. Das Strafmaß reicht von Verhaftung bis zur Todesstrafe beim Vorwurf des Landesverrats, der Organisierung einer bewaffneten Invasion oder der Erleichterung von Sanktionen. Damit soll die Meinungs- und Versammlungsfreiheit erstickt werden, die laut Artikel 61 und 62 der simbabwischen Verfassung eigentlich garantiert sind. Es stellt sich die Frage, was Patriotismus im Kontext von Simbabwe ist: die Einschränkung von Bürgerrechten.

Ende Mai ließ Simbabwe mehr als 4200 Gefangene frei. Ein Teil derjenigen, die von der Amnestie des Präsidenten profitierten, sind Personen, die wegen Gewaltdelikten verurteilt wurden, und es besteht die Befürchtung, dass die Zanu-PF sie für politische Gewalt einsetzen wird. Ist die Angst berechtigt?

Solche Amnestien gibt es regelmäßig vor Wahlen. Der Präsident will damit der Öffentlichkeit demonstrieren, dass er ein großzügiger und gnädiger Mensch ist. Das ist Teil der Wahlkampfstrategie. Es geht in der Tat in der Öffentlichkeit die Angst um, dass ein paar der Freigelassenen instrumentalisiert werden könnten, um für die Regierungspartei Gewalt auszuüben. Es wurden ein paar Gefangene freigelassen, die nachweislich für grausame Morde und Vergewaltigungen einsaßen und das teils noch nicht lange und trotzdem amnestiert wurden. Ein paar der Amnestierten sind bereits rückfällig geworden und sitzen wieder ein. Wir sollten das Thema zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, warum die Kriminalität in Simbabwe angestiegen ist. Die meiste Kriminalität ist Folge von sozialer Verelendung. Die meisten Fälle sind Raub aufgrund von Bedürftigkeit. Wenn solche Straftäter freigelassen werden, ist das Risiko groß, dass sie rückfällig werden, solange sich die soziale und wirtschaftliche Lage nicht bessert. Und wir sollten über die inhumanen Bedingungen in den Gefängnissen nachdenken, die auch den Oppositionspolitiker Job Sikhale treffen. Er ist wie alle anderen Regierungskritiker von der Amnestie ausgespart geblieben.

»Organisierte Gewalt und Folter haben seit der Verabschiedung einer neuen Verfassung im Jahr 2013 nicht abgenommen, sie sind seit der Gründung der Zweiten Republik im Jahr 2017 durch einen Militärputsch nicht zurückgegangen.« Das sagt Dzikamai Bere, ein bekannter Menschenrechtsaktivist. Stimmen Sie zu, dass die Gewalt nach dem Sturz von Langzeitherrscher Robert Mugabe 2017 nahtlos weiterging?

Dem stimme ich definitiv zu. Allerdings hat die neue Verfassung für juristischen Fortschritt gesorgt. Früher war es möglich, über Monate ohne Verfahren eingesperrt zu werden. Jetzt wird in 48 Stunden entschieden, ob ein Verfahren eingeleitet wird oder nicht. Die Fälle der politischen Gewalt sind mehr oder weniger konstant. Zum Beispiele wurden die MDC-Frauen Joana Mamombe, Cecilia Chimbiri und Netsai Marova 2020 verschleppt und sexuell missbraucht, weil sie zivilen Protest gegen die Regierung organisiert hatten. Wir könnten über Mitglieder der Lehrerorganisation ARTUZ reden, die inhaftiert wurden, weil sie sich für ein besseres Bildungswesen einsetzten oder über Studenten, die verhaftet wurden, weil sie gegen die Haft von Job Sekhala demonstrierten. Folter und Gewalt werden eingesetzt, um Aktivismus zu bremsen, um kritische Individuen zu bremsen. Die politische Gewalt hat sich auch unter der neuen Verfassung fortgesetzt. Und wir werden uns weiter gegen Folter und politische Gewalt einsetzen müssen.

Perspektiven für den Wandel zum Besseren zeichnen sich durch die Wahlen am 23. August nicht direkt ab. Worin besteht die Vision für ein besseres Simbabwe?

Die Vision besteht für die meisten Simbabwer in der Umsetzung der Versprechen, die in der Verfassung von 2013 festgeschrieben wurden. Im Kapitel vier werden ausdrücklich die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte aller Bürger festgeschrieben. Daran wollen wir festhalten und für ihre Umsetzung kämpfen. Es geht um solche Dinge wie Qualität in der Bildung, Wasserversorgung, Zugang zu sanitären Anlagen, Gesundheitsversorgung für alle und selbstverständlich auch Meinungs- und Versammlungsfreiheit, uns politisch zu beteiligen. Und die Freiheit zu wählen, was wir wollen.

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