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Lindners Herz für Investoren
Der Finanzminister will den Staatshaushalt verstärkt in den Dienst an der Kapitalrendite stellen. Das Soziale soll »unter Kontrolle gebracht« werden
Die Ampelkoalition streitet über Kindergrundsicherung und Wachstumschancengesetz – und wird sich bald einigen. Sichtbar an dem Streit wird aber etwas Grundsätzliches: Regierung wie auch konservative Opposition machen zunehmend einen Gegensatz aus zwischen den Ausgabeposten »Soziales« und »Investitionen«. Dieser Gegensatz bestimmt auch die mittelfristigen Planungen des Bundesfinanzministeriums. Sein Chef Christian Lindner (FDP) hat eine »finanzpolitische Zeitenwende« ausgerufen und lässt keinen Zweifel daran, wem sie zugutekommen wird: den privaten Investitionen, also der Kapitalrendite.
In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift »Wirtschaftsdienst« erklärt der Finanzminister, wie sich die geplanten finanzpolitischen Maßnahmen zu einem »Gesamtbild« ordnen. Ausgangspunkt ist eine schleichende Krise: Deutschland leide unter Wachstumsschwäche und der Standort unter Fachkräftemangel, hohen Energiepreisen, »Bürokratismus«, Alterung und »geoökonomischen Verschiebungen«. Dazu addieren sich die Kosten für den Umbau der deutschen Wirtschaft zur Klimaneutralität.
Das Geld wird knapp gemacht
Auf Deutschland kommen also vermehrte Ausgaben zu. Gleichzeitig ist laut Bundesfinanzminister »die Zeit vorbei, in der sich jedes Problem und jede unterschiedliche politische Vorstellung zugleich und mit immer mehr Geld lösen ließ«. Im Vergleich mit den Vorjahren müsse nun gespart und die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Deutlich höhere Staatsausgaben würden laut Finanzministerium ohnehin nur »tendenziell inflationstreibend« wirken. Höhere Steuern wiederum schadeten dem Standort und »schwächen Aktivitätsanreize«.
So gestellt, kennt die Aufgabe nur eine Lösung: mehr Wirtschaftswachstum. Tatsächlich ist die diagnostizierte »Wachstumsschwäche« für Lindner nicht ein Problem unter anderen, sie ist das zentrale Problem – unabhängig davon, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur knapp unter seinem Rekordhoch liegt.
Mit der »finanzpolitischen Zeitenwende« will Lindner daher »das Fundament für Wachstum schaffen«. Steigen soll insbesondere die Produktivität und das heißt: In Deutschland soll nicht nur mehr gearbeitet werden, es soll auch jeder und jede pro Stunde mehr BIP erwirtschaften. Um das zu erreichen, setzt das Finanzministerium auf »Angebotspolitik« und sagt klar, wem hier etwas angeboten wird: Für private Investoren soll Deutschland attraktiver werden und das bedeutet, es soll den Investor*innen eine höhere Kapitalrendite einspielen – denn von dieser Rendite hängen Investitionsentscheidungen ab. An diese Abhängigkeit erinnert Lindner regelmäßig, wenn er darauf pocht, dass »nur verteilt werden kann, was vorher erwirtschaftet worden ist«.
Wie soll der Standort attraktiver werden? Erstens durch staatliche Sparsamkeit. Denn »jede Arbeitsstunde, jede Kapazität, die der Staat durch zusätzliche Ausgaben bindet, verdrängt in der Tendenz privatwirtschaftliche Aktivitäten wie private Investitionen«. Zweitens sollen die Steuern sinken, da »die steuerlichen Rahmenbedingungen über ihren Einfluss auf Gewinnerwartungen die Entscheidungen der Unternehmen für Investitionen beeinflussen«. Sparsamkeit heute soll die »fiskalischen Spielräume« eröffnen, um unter anderem den »Körperschaftsteuersatz auf ein international attraktives und damit wettbewerbsfähiges Niveau zu senken«. Staatliche Investitionen dürfen und sollen laut Lindner sein, denn damit »verbessert der Bund maßgeblich das Umfeld für private Investitionen«, womit er gleichzeitig klarstellt, welchem Zweck diese Staatsausgaben zu dienen haben.
Was Lindner an der Schuldenbremse gefällt
Gemäß diesen Vorgaben fordert Lindner eine »Priorisierung zugunsten der Zukunftsausgaben« im Haushalt. Unter »Zukunftsausgaben« versteht er allerdings nicht die Abteilung, bei der in Zukunft höhere Ausgaben anstehen: Gesetzliche Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung. Bundeszuschüsse »in Bereichen mit besonders starkem Ausgabenwachstum« sollen daher nicht länger steigen, sondern gekürzt oder gestrichen werden. Langfristig könne dies laut Lindner aber »nur ein erster Schritt zu einer strukturelleren Lösung sein«, um »die Steigerung der Sozialausgaben unter Kontrolle zu bringen«. In diesem Zusammenhang lobt Lindner auch die Schuldenbremse. Sie schütze Deutschland nicht nur vor »Finanzmarktturbulenzen« und dem Zinsrisiko. Gleichzeitig würden durch die Schuldenbremse »Aushandlungsprozesse« in der Haushaltsplanung »erzwungen«, und dies wirke einer »zunehmenden Versteinerung‘ des Bundeshaushalts entgegen«.
Sprich: Weil in Zukunft der Bedarf an Sozialleistungen wachsen wird, muss der Haushalt davor geschützt werden. Als Lösungen präsentiert Lindner Leistungskürzungen (»Treffsicherheit von Sozialleistungen erhöhen«, »längere Lebensarbeitszeit«), mehr »Anreize zur Arbeitsaufnahme«, Altersvorsorge über den Kapitalmarkt und die Bekämpfung »irregulärer Migration«. Wenn das nicht reiche, blieben nur Beitragserhöhungen. Die absehbaren Lücken in den Sozialkassen sollen also im Streit um Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen bewältigt werden – wobei absehbar ist, dass die Unternehmen dabei verschont bleiben. Laut CDU und FDP brauchen sie eine »Belastungsbremse«.
So sieht der Haushaltsplan also aus: Er soll das Wachstum stärken, dafür werden private Investitionen gefördert, indem Investor*innen eine höhere Rendite in Aussicht gestellt wird. Diese Rendite muss »wettbewerbsfähig« sein, also sich an den Renditen anderer Standorte messen, mit denen man in Konkurrenz steht – Standortpolitik ist eine Kampfansage. Das Soziale muss dabei zurückstehen, das Geld wird an anderer Stelle gebraucht, unter anderem für Rüstungsausgaben, beziehungsweise »verstärkte Investitionen in Freiheit und Frieden«, so Lindner.
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