Die freieste Musik

Ezra Collective ist die erste Jazzband, die den britischen Mercury-Preis gewinnt

Jazz, Techno, Metal – das sind die Schreckensmusiken der Ignoranten. »Mach das bitte aus, das macht mich aggressiv!«, hört man dann, wenn man’s mal gerade angemacht hat. Besonders der Jazz wird gefürchtet, weil er »so schräg«, »so blöd« oder »so penetrant« sei – eigentlich die reine Fortschreibung des urgroßväterlichen Vorurteilsfaschismus. Richtig daran ist die Tendenz der Popmusikfeindschaft, denn aus dem Jazz kommt fast alles, was später wichtig wurde: Rhythm & Blues, Rock ’n’ Roll, Soul, HipHop. Jazz ist die freieste Musik. Der Saxophonist Lester Young hat gesagt, dass »ein Solo eine kleine Geschichte erzählen sollte«.

Und hier ist die neueste aus der Musikindustrie: Erstmals hat eine Jazzband den »Mercury«-Preis gewonnen. Ezra Collective aus London bekamen ihn am Donnerstagabend für ihr Album »Where I’m Meant To Be«. Okay, das ist jetzt nicht der Brit Award, die britische Version des Grammy, aber trotzdem recht renommiert. Er ist mehr so was für die Indie-Szene, Pulp, Primal Scream, Portishead, Franz Ferdinand oder PJ Harvey haben ihn seit 1992 auch schon bekommen. Benannt ist er nach der US-amerikanischen Plattenfirma Mercury, die nicht mehr existiert. Und 25 000 Pfund (rund 29 000 Euro) gibt es auch dafür. »Wenn dich der Gewinn des Mercury-Preises durch eine Jazz-Band nicht an Gott glauben lässt, dann weiß ich auch nicht«, sagte Drummer Femi Koleoso in seiner Dankesrede.

Femi Koleoso hat mit seinem Bruder, dem Bassisten TJ, die Band in den Zehnerjahren gegründet. Ursprünglich waren sie eine Jugendgruppe, die dann anfing, Musik zu machen: Jazz und nicht HipHop, ist heute auch cooler. »Where I’m Meant To Be« ist ihr zweites Album, in Großbritannien erreichte es Platz 24 der Albumcharts. Sie spielten auf den großen Jazzfestivals, 2018 wurden sie schon als »Best UK Jazz Act« ausgezeichnet. Ihre Musik ist viel weniger gefällig, als man bei diesen Erfolgen annehmen würde. Fusionjazz, eigenwillig und originell. Im Prinzip folgen Ezra Collective der alten Parole »Jazz is the teacher, funk is the preacher«. Nehmt das, ihr Rockisten, Schlagerverehrer und Musikleisedreher. Ihr könnt uns mal von hinten sehen – tanzend.

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