Fridays for Future in Berlin: Absage an schwarz-rote Klimapolitik

Die Klimaaktivist*innen und weitere Initiativen wie Deutsche Wohnen und Co enteignen fordern eine Taskforce für das Klimasondervermögen

»Alle Fortschritte konnten wir nicht wegen, sondern trotz dieser Regierung erreichen«, sagt Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future. Im Hintergrund steht das Rote Rathaus, von wo aus der Berliner Senat regiert, den sie kritisiert. Neben ihr sitzen weitere Sprecher*innen von klima- und stadtpolitischen Initiativen, die ebenfalls mit CDU und SPD abrechnen. Deshalb haben sie am Donnerstag eine Pressekonferenz zur Halbjahresbilanz des schwarz-roten Senats veranstaltet.

Eine Hauptforderung der Aktivist*innen ist, dass das vom Senat beschlossene Klimasondervermögen in Höhe von fünf Milliarden Euro nun auch sinnvoll eingesetzt wird. »Es ist die Rede davon, marode Polizeiwachen mit dem Klimasondervermögen zu sanieren«, sagt Neubauer und hält das für nicht zweckmäßig. Stattdessen brauche es eine Taskforce aus Expert*innen – »Wissenschaftler*innen, die genau beziffern können, wo Emissionen entstehen« und in welche Maßnahmen investiert werden sollte.

Außerdem sollte laut Neubauer auch die Stadtgesellschaft in die Entscheidungen zur Verwendung des Sondervermögens einbezogen werden. »Die Menschen, die am Ende von den Maßnahmen betroffen sind, sollen, von Expert*innen beraten, selbst entscheiden dürfen«, sagt die Klima-Aktivistin. »Wir werden Berlin nicht aufgeben. Wir werden diese Stadt nicht den Großinvestoren zum Fraß vorwerfen, und auch nicht der Klimakrise.«

Die Überarbeitung des Mobilitätsgesetzes durch die Senatsverkehrsverwaltung Manja Schreiners (CDU) ist den Initiativen ebenfalls ein Dorn im Auge. Im aktuellen Senatsentwurf seien zum Beispiel der Erhalt von Auto-Parkplätzen und schmalere Radwege vorgesehen. Kiezblocks wiederum, also Wohngebiete ohne Kfz-Durchgangsverkehr, sowie der Vorrang von Fuß- und Radverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln vor dem Auto-Verkehr stünden vor der Streichung aus dem Gesetz. »Die Berliner Verkehrswende wird geschreinert«, sagt Florian Keiper vom Verein Changing Cities, der an der Einführung des Mobilitätsgesetzes von 2018, damals noch als Initiative Volksentscheid Fahrrad, maßgeblich mitgewirkt hatte.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Auch Benni Wasmer von der Initiative Berlin autofrei, die einen Volksentscheid für eine drastische Reduzierung des Autoverkehrs innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings erreichen will, prangert die Verkehrspolitik der CDU an. »Die Rückschrittskoalition hat eine große Lüge erfunden, um ihre Auto-Ideologie durchzusetzen: die Lüge, dass wir alles irgendwie gleichzeitig haben können.« Das funktioniere in einer vollen Stadt wie Berlin aber nicht. Der begrenzt zur Verfügung stehende Platz müsse gerecht verteilt werden.

Die SPD als Koalitionspartner übernehme den »autozentrierten« Kurs der CDU. »Man würde erwarten, dass sie die Umsetzung ihres eigenen Mobilitätsgesetzes vehement verteidigt«, sagt Wasmer. Doch das passiere kaum. Das Ziel der Initiative, deutlich weniger Autos in der Innenstadt zu haben, nutze nicht nur den Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und Busfahrer*innen, sondern erleichtere auch das Leben derer, die aufs Auto angewiesen sind, etwa Berufsfahrer*innen in der häuslichen Pflege oder im Handwerk. Diese stünden dann seltener im Stau und fänden schneller einen Parkplatz.

Ein weiterer Kritikpunkt an der aktuellen Berliner Regierungskoalition ist der Umgang mit dem vom vorherigen Senat eingesetzten Klimarat. Dort haben im vergangenen Jahr 100 Bürger*innen fast 50 Maßnahmen erarbeitet und der Landespolitik zur Umsetzung empfohlen.

»Die Stimmen aus dem Klima-Bürger*innenrat werden bisher von der GroKo weitgehend ignoriert«, sagt Stefan Zimmer von der Initiative Klimaneustart Berlin. Diese hatte nicht nur in einem Bündnis den am Quorum gescheiterten Klima-Volksentscheid organisiert, der Berlin bis 2030 klimaneutral machen wollte. Mit einer Volksinitiative hatte sie zudem ebenjenen Bürger*innenrat durchgesetzt. »Im Verkehrsbereich setzt sich Frau Schreiner darüber hinweg, aber auch im Bereich Wärme und Gebäude sehen wir keine Umsetzung«, so Zimmer. In der vergangenen Woche habe die Umweltverwaltung auf den Klimarat zugehen wollen, das sei aber nicht passiert.

Die Initiative blickt ebenso skeptisch wie Fridays for Future auf die Verwendung des Sondervermögens: »Die Mittelvergabe und auch die Auswahl der Maßnahmen scheint intransparent«, sagt Zimmer. Auch er fordert die Beteiligung von »Wissenschaft und Zivilgesellschaft«. »Wir werden deshalb mit unserem Bündnis und mit Fridays for Future am 7. November einen offenen Brief an den Senat übergeben.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.