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Berliner Anwalt: Neues Denkmal für Hans Litten
Für die Rote Hilfe verteidigte er Menschen gegen die Nationalsozialisten – nun wird Hans Littens Grab in Pankow verschönert
»Wir müssen uns verbieten, in Verzweiflung abzurutschen, auch wenn es im Moment sehr nah dran ist«, sagt Patricia Litten, während sie am Mittwochmorgen auf dem Pankower Friedhof steht. Das Grab ihres Onkels, der als »Anwalt des Proletariats« in die Geschichte eingegangen ist, liegt hinter der 69-jährigen Schauspielerin.
Die Erinnerung an Hans Litten und seinen Kampf gegen das NS-Regime will seine Nichte »ins Heute tragen«, in eine Gegenwart, in der die Rechtstaatlichkeit vielerorts drohe, in sich zusammenzubrechen. »Der Blick zurück ermöglicht, die Schanierstellen zu sehen, an denen man hätte andere Abzweigungen nehmen können«, sagt Litten. An einem dieser Punkte scheine die Welt mittlerweile wieder angelangt zu sein.
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Ihre Rede hält Patricia Litten spontan. Sie lächelt und ist augenscheinlich gerührt von der Initiative des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Auf eigene Kosten hat der Berufsverband deutscher Rechtsanwält*innen eine neue Stele an der Ruhestätte errichten und das Grab gärtnerisch umgestalten lassen.
Für Hans Litten finden sich in Berlin schon mehrere Erinnerungstafeln, auch in der Fernsehserie »Babylon Berlin« tritt der linke Anwalt auf. Sogar der DAV selbst sitzt in der Littenstraße. Vergleichsweise unscheinbar kam bisher jedoch die Ruhestätte des Widerstandskämpfers in Pankow daher. Um die Pflege des des nun verschönerten Gedenkortes will sich der DAV künftig selbst kümmern, genauso wie um einen Antrag auf Anerkennung der Ruhestätte als Ehrengrab. Man hoffe auf die Anerkennung durch die Senatsverwaltung, heißt es in einer Erklärung des Vereins. Über 800 Ehrengräber gibt es bereits in Berlin. Keines davon ist dem antifaschistischem Anwalt gewidmet.
Als Anwalt der Roten Hilfe legt sich Hans Litten in der Weimarer Republik immer wieder mit den Nationalsozialisten an. Der Anwalt mit den kreisrunden Brillengläsern verteidigt Kommunist*innen, Arbeiter*innen und Opfern ultranationalistischer Gewalt. Im Edenpalast-Prozess im Mai 1931 holt Litten sogar Adolf Hitler persönlich in den Zeugenstand, stellt ihn und die Methoden der Nationalsozialist*innen vor Gericht bloß. Zwei Jahre später wird er mit anderen Oppositionellen in angebliche Schutzhaft genommen. Die sich anschließende Tour durch NS-Gefängnisse und Konzentrationslager endet am 5. Februar 1938 im KZ Dachau. Litten wird dort erhängt vorgefunden – entweder ermordet oder vor weiterer Folter in den Tod geflüchtet.
»Ich glaube, wir haben alle eine Vorstellung, was passiert sein muss«, sagt Edith Kindermann, Präsidentin des DAV. Mit der Art seiner Verteidigung, nicht laut, sondern nachhaltig, habe Litten ein Beispiel gesetzt. »Er ist verhaftet worden, weil er eine Tätigkeit ausgeübt hat, die im wahrsten Sinne des Wortes eine anwaltliche Tätigkeit war: Im Eintreten für diejenigen, die seiner Hilfe bedurften.« Das Geldverdienen habe bei Littens Arbeit eine untergeordnete Rolle gespielt. Auch hier sieht Kindermann den Widerstandskämpfer als Vorbild. Natürlich müssten Anwälte überleben, doch Hans Litten habe seine Aufträge eben nicht nach Wirtschaftlichkeit ausgewählt.
Das Wirken Littens habe mit seinem Tod keinesfalls geendet, führt Kindermann aus. Ganz im Gegenteil seien die Lehren des Anwalts präsenter denn je. »In den vergangenen Jahren habe ich vermehrt Zeichen gespürt, die es umso wichtiger machen, diese Gedenkstätte wirklich auch als sichtbare Gedenkstätte zu eröffnen«, sagt die DAV-Vorsitzende. Nicht nur Anwält*innen, sondern die Gesellschaft insgesamt stehe in der Pflicht, Ausgrenzung entgegenzutreten und all jenen zur Seite zu stehen, die verfolgt werden.
»Ich will mich bedanken beim Anwaltverein«, sagt Patricia Litten. Für die Einweihung der schlicht gehaltenen, aber nicht zu übersehenden Stele ist sie extra aus ihrem Wohnort Nürnberg angereist. Eigentlich, erzählt die Schauspielerin, habe sie nie in die Stadt der Reichsparteitage und der Rassengesetze ziehen wollen. Doch in Nürnberg wie auch anderswo gebe es viele gute Anwält*innen, die ihre wichtige Arbeit gewissenhaft erledigten. Heute wie damals handele es sich um einen Berufsstand, der ständig bedroht werde.
Litten erwähnt die Anwälte des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, die in Russland festgenommen wurden, und die Juristin Seda Basay-Yildiz, die sich nach ihrer Arbeit im NSU-Prozess rechtsextremen Morddrohungen gegenübersieht. »Wie Hans hat sie nichts anderes getan, als ihren Beruf ausgeübt«, führt sie aus. »Alle Vergleiche sind immer so ein bisschen schief«, schließt Litten. »Aber in Vergleich setzen sollte man schon.«
Sowohl Edith Kindermann als auch Patricia Litten hoffen auf die Jugend. Auch einige Schüler*innen der Charlottenburger Hans-Litten-Schule sind am Mittwoch nach Pankow gekommen, um der Einweihung beizuwohnen. Daniel Barnes ist einer von ihnen. Wie er »nd« erzählt, besucht er das Oberstufenzentrum für Recht und Wirtschaft seit bald drei Jahren. »Was ich an der Schule ziemlich gut finde, ist, dass es einen Antirassismus-Kurs gibt«, sagt der Schüler. An den meisten Schulen in Berlin stehe das Motto »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«. Die Hans-Litten-Schule aber setze es wirklich um: »Wir haben hier Workshops, die wir machen und die aufklären.«
Es ist das erste Mal, dass Barnes das Grab des Namensgebers seiner Schule besucht. Patricia Littens Rede hat Eindruck bei ihm hinterlassen. »Ich fand die Worte sehr schön«, sagt Barnes. »Man sollte wirklich nicht nur nach hinten schauen, sondern die Dinge in die Gegenwart mitnehmen, damit sie sich nicht wiederholen.«
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