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Eigenbedarf: Wieder geht ein Zuhause verloren
Vor dem Amtsgericht geht ein Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung vor
Seit Jahren in einer Wohnung zu Hause – und dann trifft ein Brief ein, mit dem der Vermieter ankündigt, den Mieter wegen Eigenbedarf kündigen zu wollen. Für einen Mieter aus Kreuzberg wurde dieser Albtraum Realität. Seine Vermieterin hatte ihm nach 38 Jahren in seiner Wohnung gekündigt – weil sie selbst einziehen will, wie sie angibt. Ihr gehören drei Wohnungen in dem Haus im Wrangelkiez.
Gegen die Kündigung klagte der Mieter – und so fanden sich am Mittwoch die Beteiligten vor Gericht wieder. Das Interesse an dem Verfahren war dabei so groß, dass es erst mit einer Dreiviertelstunde Verspätung beginnen konnte, weil immer wieder Menschen in den Saal im Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg drangen. »Ich habe persönliche und krankheitsbedingte Gründe für meine Entscheidung«, gab die Vermieterin vor der Richterin an. Aus beruflichen Gründen habe sie schon länger nach Berlin ziehen wollen, zudem wolle sie näher an ihrer Tochter sein, »der es gesundheitlich nicht ganz gut geht«. »Wenn ich meine Tochter besuche, dann wird es mit ihrem Freund und meinen drei Hunden schnell eng in ihrer Wohnung«, sagte die Vermieterin, die aktuell noch in Nordrhein-Westfalen wohnt.
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Sie sei sich bewusst, dass es schwer sei, eine neue Wohnung in Berlin zu finden, aber eine andere Lösung sehe sie nicht, so die Vermieterin. Für den Mieter ist das ein schwacher Trost. Der Versuch, eine für beide Seiten gütige Einigung zu finden, scheiterte zunächst. Damit muss nun die Richterin darüber entscheiden, ob der Eigenbedarf der Vermieterin die Interessen des Mieters aussticht. Ihre Entscheidung will sie bei einem weiteren Termin verkünden.
Solche Verhandlungen häufen sich in Berliner Amtsgerichten. Klagen gegen Eigenbedarfskündigungen und Klagen zur Durchsetzung solcher Bescheide sind die häufigste Form von mietrechtlichen Auseinandersetzungen vor Berliner Gerichten. 80 000 Kündigungen wegen Eigenbedarfs gehen bundesweit jährlich ein, schätzt der Deutsche Mieterbund. Dabei sieht das Gesetz eigentlich einen weitreichenden Schutz von Mietern vor: So können neu gekaufte Wohnungen etwa zehn Jahre lang nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Kündigt der Vermieter dem Mieter wegen Eigenbedarfs und nutzt die Wohnung anschließend nicht oder nur kurz, kann eine Strafe fällig werden. Für die Mieter gibt es zudem eine Reihe von Härtefällen, die vor Gericht geprüft werden. Auf der anderen Seite kann ein Vermieter aber auch Eigenbedarf für Verwandte oder Angehörige anmelden.
Wie viele Menschen von Eigenbedarfskündigungen betroffen sind, wurde auch vor dem Gericht deutlich. Etwa 30 Menschen hatten sich hier versammelt, um gegen Verdrängung zu protestieren. »Prekäre Wohnverhältnisse machen krank«, ruft ein Redner ins Mikro. Würde eine Wohnung verkauft, gebe es häufig Besichtigungen für potenzielle Käufer. »Wir erleben dann die Empathielosigkeit der Kaufinteressenten«, so der Redner. Viele gäben zwar an, nur am Kauf interessiert zu sein, aber häufig sei es offensichtlich, dass die Käufer selbst in der Wohnung wohnen oder sie teurer neuvermieten wollen.
Dass sich Eigenbedarfskündigungen derart häufen, kommt nicht von ungefähr: In den vergangenen Jahren wurden in der Hauptstadt massiv Wohnungen von Miet- zu Eigentumswohnungen umgewandelt. Das bedeutet, dass Wohnungen etwa aus der Hand großer Wohnungsgesellschaften in die Hände privater Eigentümer rutschen. Etwa 125 000 Wohnungen wurden nach Senatsangaben allein zwischen 2011 und 2020 umgewandelt. Zuletzt zog das kriselnde Wohnungsunternehmen Heimstaden mit größeren Wohnungsverkäufen die Aufmerksamkeit auf sich.
Häufig seien sich die Mieter über den Verkauf gar nicht bewusst, sagt eine Vertreterin der Initiative 200 Häuser, in der sich Mieter in umgewandelten Wohnungen organisieren, bei der Kundgebung. Manche Milieuschutzgebiete, in denen Umwandlung verboten ist, seien zuletzt ausgelaufen. »Die Leute haben Angst«, sagt sie. Dabei nutzten die neuen Eigentümer häufig Wissenslücken bei den Mietern. So würden gesetzliche Regelungen übergangen. Üblich sei etwa, dass die Mieter nach dem Eigentümerwechsel einen neuen, teureren Mietvertrag vorgelegt bekommen. Dabei gilt der alte Mietervertrag auch nach dem Neukauf. »Kauf bricht Miete nicht« ist der Grundsatz, der häufig missachtet wird.
Für die Mieter geht es bei Eigenbedarfskündigungen nicht nur darum, dass sie sich auf dem überhitzten Wohnungsmarkt eine neue Bleibe suchen müssen. Für viele bedeute es den Verlust einer »geduldig aufgebauten Sicherheit«, sagt Ali von der Initiative Right to the City (Recht auf Stadt) bei der Kundgebung. »Eigenbedarf ist das Recht des Vermieters, den Mieter wegzuwerfen wie ein altes Gerät«, sagt er. Dabei ginge es um Orte, die teilweise über Jahrzehnte bewohnt wurden. »Unsere Wohnungen sind nicht nur Behausungen, sondern ein Zuhause«, sagt Ali.
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