Dauerbrenner Berufsverbot

Uni versus Gesellschaftskritik

Eingang zum Hauptgebäude der Technische Universität Muenchen
Eingang zum Hauptgebäude der Technische Universität Muenchen

Während in einigen Bundesländern Nazis bald die stärkste Kraft im Parlament stellen könnten, besinnt man sich an bayerischen Universitäten auf eine andere althergebrachte deutsche Tradition: das Berufsverbot. Worum es genau geht, darüber informiert die Verdi-Betriebsgruppe der Technischen Universität München: »Eine Professorin der TU München wollte einen Geowissenschaftler als wissenschaftlichen Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl anstellen. Die Personalabteilung der TUM verbot ihm jedoch, die Stelle anzutreten. Sie argumentierte, dass seine Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und die Verwendung klassischer Begriffe wie Faschismus, Rassismus und Kapitalismus auf seine verfassungsfeindliche Einstellung hindeute.« Das wäre so vor einigen Jahren möglicherweise noch nicht denkbar gewesen. Ganz folgerichtig im Bayern des laufenden Rechtsrucks übernimmt die Münchner Universität hier, so Verdi, »die Argumentation des bayrischen Verfassungsschutzes: ›Wer die gesellschaftlichen Zustände kritisiert, darf an der TUM weder arbeiten noch forschen oder lehren.‹«

Der historische Radikalenerlass, auch Extremistenbeschluss genannt, hatte sich just im vergangenen Jahr zum 50. Mal gejährt. 1972 hatten sich die Regierungen des Bundes und der Länder darauf geeinigt, Bewerber*innen für den Öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Regierungspartei war damals die SPD gewesen, was Fragen bezüglich folgender Entscheidung der heutigen TU-Gewerkschafter*innen aufwerfen könnte: »Die Hauptreferentin und Expertin des Abends ist Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizministerin a. D. Der Verdi-Rechtschutz unterstützt eine Klage gegen den Freistaat Bayern vor dem Arbeitsgericht München. Der Kläger wird von Prof. Dr. Däubler-Gmelin vertreten.« Däubler-Gmelin hatte 1972 bereits für die SPD im Bundestag gesessen. Sie war offenbar schon damals gegen den Beschluss gewesen, aber die 3,5 Millionen Betroffenen brachten sie – ebensowenig wie irgendeine andere sozialdemokratische Untat – trotzdem nicht dazu, diese fürchterliche Partei zu verlassen. (Ob ein schlechtes Gewissen die Bundesjustizministerin a. D. zur Vertretung vermeintlicher Verfassungsfeinde treibt?)

Wie dem auch sei! Der Staat muss jedenfalls nicht immer zu derart autoritären Mitteln greifen, in bestimmten historischen Momenten hatten kritische Lehrende schonmal mehr Raum zum Atmen. Trotzdem stimmt ein allgemeiner Grundsatz: Die Ausgangsbasis für jede Verfolgung kritischen, das heißt parteilichen Denkens, ist die Objektivitätsideologie der bürgerlichen Wissenschaft an sich. Sie behauptet, »wertfrei« zu forschen sei nicht nur möglich, sondern erstrebenswert – beides Lügen, by the way. Während es also darum gehen muss, repressionsbedrohte Lehrende nach allen Kräften zu unterstützen, ist der Kampf für eine Wissenschaft, die diesen Namen verdient, nur dann kein Kampf gegen Windmühlen, wenn mit ihm auch die bürgerliche Gesellschaft überwunden wird. 

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