- Berlin
- Wohnungskonzerne
9000 Euro Heizkosten: »Salamitaktik« der Vonovia
Mietenbewegung ringt Wohnungskonzern Teilerfolg im Streit um Heizkosten ab
»Ich dachte, ich sehe nicht richtig«, sagt Vincent Adler mit Blick auf die Heizkostennachforderung seines Vermieters. »6600 Euro und mit der neuen Miete soll ich dann 8200 Euro einmalig zahlen, und dann 1488 statt 833.« Und Kerstin Jahn sagt: »Ich habe im letzten Jahr 24 Einheiten gespart und habe eine Preissteigerung von knapp 750 Prozent bekommen.« Die beiden Mieter*innen des Wohnungskonzerns Vonovia sprechen im Rahmen einer Kundgebung am Samstag im Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit der RBB-Abendschau.
Etwa 130 Menschen sind am S-Bahnhof Tempelhof zusammengekommen, um gegen »existenzbedrohende Neben- und Heizkostenabrechnungen durch Wohnungskonzerne wie Deutsche Wohnen oder Vonovia« zu demonstrieren.
Nach der Veröffentlichung eines gemeinsamen offenen Briefs des bundesweiten Mieter*innenbündnisses VONO!via & Co mit zahlreichen Zusammenschlüssen von lokalen mutmaßlich betroffenen Mieter*innen erklärte Deutsche Wohnen am Freitag, dass die Heizkostenabrechnungen vieler Mieter*innen im Gebiet der Britzer Straße in Mariendorf »für das Jahr 2022 falsch« und »deutlich zu hoch« seien. Den Fehler sieht das Unternehmen, das 2021 von Vonovia, Deutschlands größtem Wohnungseigentümer, gekauft wurde, beim Energielieferanten Getec. Dagegen heißt es in dem offenen Brief, der Versorger in Mariendorf sei die G+D Gesellschaft für Energiemanagement mbH, einem Unternehmenszusammenschluss aus Getec und Deutsche Wohnen, an dem Vonovia 49 Prozent der Anteile halte.
In dem offenen Brief wird die Praxis der Heiz- und Nebenkostenabrechnung von Vonovia für weitere Standorte im Bundesgebiet und mit anderen Lieferanten kritisiert. Neben Mariendorf mit 1500 Wohnungen seien auch Wohngebiete in Tempelhof (620 Mietparteien), Schöneberg (65 Wohnungen) und Wedding (31 Wohnungen) betroffen. Gegenüber der RBB-Abendschau bestreitet Vonovia die über Mariendorf hinausgehenden Vorwürfe. Die im offenen Brief »genannten Themen und Fälle sind bekannt, die Vorwürfe allesamt mit Fakten zu widerlegen«.
Von einem Stapel aufgetürmter Coca-Cola-Kisten sprechen am Samstag auch die aus dem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg gewählten Bundestagsabgeordneten Kevin Kühnert (SPD) und Jan-Marco Luczak (CDU) zu der Versammlung. »Im Moment entsteht hier der Eindruck, dass nach dem Prinzip Salamitaktik gehandelt wird«, kommentierte Kühnert das Gebaren der Vonovia ebenfalls in der RBB-Abendschau. »Immer das, was man nicht mehr abstreiten kann, das wird zugestanden.«
Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen wertet das Zugeständnis als Teilerfolg der Mietenbewegung: »Nur weil die Mieter*innen sich untereinander vernetzt und gemeinsam Widerspruch gegen die Nachzahlung eingelegt haben, ist der Konzern eingeknickt.« Knut Unger von VONO!via & Co ist der Meinung, dass es Vonovia nicht möglich sei, die Abrechnung für die Mieter*innen transparent und verständlich bereitzustellen. Daraus ergebe sich die Möglichkeit »dauerhaft den Nachforderungen der Vonovia« zu widersprechen, sagt er »nd«.
Mit Nachzahlungen bis zu 7000 Euro sehen sich auch Mieter*innen der landeseigenen Gewobag in Tegel konfrontiert.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.