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Eminem vs. Taylor Swift: Fans der Stars streiten sich in der NFL

Das Footballteam der Lions soll den Wiederaufstieg Detroits symbolisieren und den NFL-Titel holen. Das sorgt für einen Streit unter Musikfans

Detroits deutsch-amerikanischer Wide Receiver Amon-Ra St. Brown (r.) muss sich am Sonntag der Defensive der Tampa Bay Buccaneers erwehren.
Detroits deutsch-amerikanischer Wide Receiver Amon-Ra St. Brown (r.) muss sich am Sonntag der Defensive der Tampa Bay Buccaneers erwehren.

Diesen Moment, den lässt du besser nicht vergehen. Du bekommst nur einen Versuch, verpass nicht deine Chance zum Durchbruch. Denn diese Möglichkeit kommt nur einmal im Leben.» Diese Zeilen schrieb Marshall Mathers, besser bekannt als Star-Rapper Eminem, vor mittlerweile 22 Jahren. Der Song «Lose Yourself» ist noch heute sein meistverkaufter Hit aus einer ganzen Reihe von Raps, die ihm den Weg aus der Armut in der einstigen Millionenstadt Detroit ebneten. Verlassen hat er die Stadt aber nie. Das rechnen ihm viele hoch an, denn wer es sich irgendwie leisten konnte in den vergangenen 50 Jahren, der verließ die einstige Metropole ebenso wie die großen Autofirmen, die einst die Motor-City aufblühen ließen. Von einst zwei Millionen Einwohnern sind nicht einmal mehr 700 000 übrig.

Auch sportlich läuft Detroit seinen einst großen Jahren hinterher. Seit mehr als 15 Jahren gab es keinen Titel der einst so erfolgreichen Red Wings (Eishockey), Pistons (Basketball) oder Tigers (Baseball). Und speziell das Footballteam der Lions, die in den 30er und 50er Jahren insgesamt viermal die Meisterschaft in der National Football League (NFL) gewinnen konnten, macht seit langem nur noch mit Negativrekorden Schlagzeilen. 2008 wurde Detroit das erste Team, das all seine damals 16 Saisonspiele verlor. Auch mit neun Playoff-Niederlagen in Serie verteilt über 32 Jahre war der Verein bis zuletzt einsame Spitze. «Aber dieses Jahr fühlt es sich anders an», sagte Eminem vor dem Playoff-Duell gegen die Los Angeles Rams am vergangenen Sonntag. «Dieses Mal haben wir eine Chance. Nun, den Rest kennt ihr ja.»

Die Lions gewannen tatsächlich in der ersten Playoff-Runde: 24:23. Amon-Ra St. Brown, ein 24-jähriger Wide Receiver mit deutscher Mutter, fing den entscheidenden Pass, um die hauchdünne Führung über die Zeit zu bringen und das voll besetzte Ford Field in eine Mischung aus Ekstase und Erleichterung zu versetzen. Eine Woche später, an diesem Sonntag, steht das Viertelfinale gegen die Tampa Bay Buccaneers an, und die Lions werden zum Symbol für den Wiederaufstieg einer ganzen Stadt.

Schließlich rappelt sich Detroit seit gut zehn Jahren langsam wieder auf. In den Dekaden davor waren Tausende Häuser verlassen worden und verfallen, bis sie von Drogendealern und Banden übernommen wurden. Wer noch Arbeit hatte, zog in die Vororte, um vor der ausufernden Gewalt zu fliehen. Mittlerweile wurden viele alte Ruinen abgerissen, zumindest in der Innenstadt eröffnen Hotels und Theater wieder. Große Firmen investieren wieder in Detroit. Restaurants, Museen, Boutiquen siedeln sich neu an. Junge Menschen wollen wieder im Zentrum leben und aus der Motor City nun Green City machen.

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Armut und Leerstand sind in den Außenbezirken noch längst nicht überwunden, aber es geht langsam aufwärts. Und die Lions sollen das spiegeln. Football passt ja auch gut zu einem Industriestandort. Die Symbolik von harter Arbeit, Schweiß, Männlichkeit und Kampf gegen Widrigkeiten wird hier gern ins eigene Leben übersetzt. Da kommen Fans schon mal mit dem Fabrikhelm auf dem Kopf ins Stadion. «Das ist die Geschichte darüber, wie viel ein Footballteam einer Stadt bedeuten kann», sagte auch Eminem in seinem Clip für den nationalen TV-Sender NBC direkt vor dem Wildcard-Spiel gegen die Rams. «Viel zu lange haben sich alle über Detroit lustig gemacht. Das versucht man zu ignorieren, aber irgendwann setzt sich das Verlierer-Image auch in deinem Kopf fest.» Jetzt solle das enden.

Als die Lions im ersten Viertel die Führung übernahmen, blendete die Stadionregie Eminem auf seinem Sitz in der Arena ein. Der Musikstar animierte die restlichen Fans gestenreich zu noch mehr Jubel, doch die 65 000 hatten eine noch bessere Idee. Sie fingen an zu rappen: «Lose yourself». Na klar! Der Song über diese eine Chance im Leben, die es zu ergreifen gilt. Das bewegte nicht nur Footballfans in Michigan. Die Lions entwickeln sich so langsam zum heimlichen Liebling all jener, deren eigene Teams längst ausgeschieden sind.

Nun ja, vielleicht nicht von allen. Denn da gibt es noch die Anhänger eines zurzeit wohl noch größeren Musikstars: Taylor Swift. Auch die Popsängerin, die schon mehr als 300 Millionen Tonträger verkauft haben soll, war in dieser Saison häufiger in NFL-Stadien zu sehen, seitdem sie mit Travis Kelce liiert ist, einem der besten Spieler von Titelverteidiger Kansas City. Der Hype um das neue Traumpaar des US-Showbusiness war immens und für die NFL ein Glücksfall, zog sie doch plötzlich eine neue Zielgruppe an, die der Liga vorher kaum Beachtung geschenkt hatte: jung und weiblich.

Die Alteingesessenen brauchten das nicht und machten ihrem Unmut über die mediale Ablenkung von ihrem Lieblingssport vor allem in sozialen Medien Luft. Speziell bei Auswärtsspielen wurde die Sängerin mit Pfiffen empfangen. Weil die TV-Übertragungen lieber Swift anstatt die Spieler beim Jubel einblendeten, fragten auch reguläre Medien rhetorisch: «Ruiniert Taylor Swift Football?»

Ihre Fans monieren Doppelmoral, weil Eminem überall gefeiert wird. Mehr als 100 000 Twitter-User gaben einem Beitrag ein Like, der – nur eventuell sarkastisch – behauptete, Eminem zerstöre den Football. Die Antworten gingen ebenfalls viral. «Der Unterschied ist, dass Eminem ein Langzeitfan der Lions ist und nicht nur auftaucht, weil er zufällig gerade mit einem Spieler schläft», ist nur ein Beispiel für die Auseinandersetzung im Netz. Das mag zwar stimmen, doch in der Verteidigung des Rappers schingt auch eine Prise Frauenfeindlichkeit mit, denn es ist nicht das erste Mal, dass weibliche Stars in Stadien ausgepfiffen werden, während männliche Kollegen Jubel genießen. Ein echter Fan zu sein, wird Frauen in den USA immer noch häufig abgesprochen.

Zum direkten Duell zwischen Detroit und Kansas City kann es übrigens erst am 11. Februar beim Super Bowl kommen, dem 1967 eingeführten jährlichen Finalspiel der NFL. Das haben die Lions noch nie erricht. Dieses Jahr hoffen nicht nur viele Menschen aus Detroit darauf, dass es endlich gelingt. Entweder weil sie den ewigen Verlierer endlich mal ganz oben sehen wollen. Oder weil es mit Eminem und Swift wohl kaum größere Edelfans in einem Stadion geben dürfte.

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