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Gemeineigentum: Nie wirklich weg
Gelebte Praxis, politische Utopie und Rechtsnorm: Gemeineigentum hat eine lange Geschichte bis in die gegenwärtigen Debatten um Vergesellschaftung
Es war ein politisches Erdbeben, als die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen im September 2021 im Rahmen eines Volksentscheids über eine Million Menschen davon überzeugte, die Berliner Bestände großer Immobilienkonzerne in Gemeineigentum zu überführen. Sozialisierung, Vergesellschaftung, Gemeineigentum – Begriffe aus dem Erbe der Arbeiterbewegung riefen ein trotziges »Ich bin wieder hier« in die Gegenwart. Doch eigentlich waren sie nie wirklich weg. Formen von Gemeineigentum sind älter als der Kapitalismus, wurden von ihm nie ganz verdrängt und haben in seinen periodischen Krisen stets neue Aufmerksamkeit erfahren.
Ende des Volkseigentums
und Traum vom »Commonismus«
Auch in Deutschland war die Abwesenheit des Gemeineigentums überschaubar: Vom Ende des »Volkseigentums« in der DDR bis hin zu neuen Debatten über Gemeingüter um die Jahrtausendwende verging kaum ein Jahrzehnt. »Gemeineigentum« und »Gemeinwirtschaft« sind jedoch keine ostdeutschen Begriffe. Sie wurden als Rechtsnormen von Deutsche Wohnen & Co enteignen aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik übernommen. Die Verrechtlichung der Begriffe bei der westdeutschen Staatsgründung 1949 war ein Zugeständnis an vergangene Kämpfe der Arbeiterbewegung. Gemeinwirtschaft war in der Bonner Republik selbstverständlicher Bezugspunkt für Gewerkschaften und Sozialdemokratie. Und als diese sich Anfang der 80er Jahre von ihrem Erbe verabschiedeten, dämmerte in den USA, dem Herzland des Kapitalismus, bereits eine Renaissance der Gemeingüter: 1983 startete Richard Stallmann mit dem Projekt »Gnu is not Unix« (GNU) die Bewegung für freie Software, die keinem Eigentumsrecht unterliegt.
Freie Software bildete eine Brücke, über die das Konzept der »Commons« ins neue Jahrtausend fand. Mit PC und Internet war die Idee geteilter Produktionsmittel plötzlich im Alltag lebendig und beflügelte die Vorstellungskraft. In Gedankenspielen von »Commonismus« und »Solidarischer Ökonomie« bemühte man sich, die Erfahrung gemeinsamen geistigen Eigentums in die Güterökonomie zurückzutragen.
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Das Nachdenken über ein anderes Wirtschaften war auch Ausdruck eines »Unbehagens in der Globalisierung«, wie es der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz 2002 formulierte. Die Verbetriebswirtschaftlichung aller Lebensbereiche im seit dem Fall des Staatssozialismus globalen Kapitalismus beförderte unter dem Stichwort »Globalisierungskritik« politische und intellektuelle Suchbewegungen. Mit der Finanzkrise erreichte das neue Nachdenken über Gemeingüter im Jahr 2009 einen Höhepunkt, als die Ökonomin Elinor Ostrom für ihre Arbeit zum Thema mit dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Doch einen ökonomischen Paradigmenwechsel haben seitdem weder soziale Bewegungen noch akademische Diskurse herbeiführen können. Die Globalisierung wird stattdessen heute vom Kapital selbst beendet und in eine Konkurrenz ökonomischer Blöcke überführt. In der Wirtschaftswissenschaft dominiert trotz aller neuen Ideen die alte Neoklassik mit Thesen, über die sich bereits Marx und Engels ärgerten. Bis heute gibt es in Deutschland keinen einzigen Lehrstuhl für Gemeinwirtschaft. Auch die neue Vergesellschaftungsbewegung im Bereich des Wohnens und ihre Ableger in den Bereichen Gesundheit und Energie haben die Institutionen noch nicht durchdrungen. Sie konnten allenfalls Rekommunalisierungen erreichen, also Rückzugsgefechte gewinnen. Doch ein Stadtwerk macht noch keinen Commonismus: Heute gibt es in Deutschland weniger öffentliches Eigentum als noch zur Kanzlerschaft Helmut Kohls.
Von der Praxis zur
Rechtsnorm – und zurück
Die Renaissance des Gemeineigentums verbleibt überwiegend auf der Diskursebene, und selbst hier ist sie weder verankert noch kohärent. Es gibt ein brüchiges Nebeneinander: Bodenpolitik und Mietenbewegung, neue Gemeinnützigkeit, Solidarische Ökonomie und Commons verbindet eine Kritik des Privateigentums. Jedoch fehlt sowohl der gemeinsame politische Nenner als auch die historische Verortung. Bisher war dies kaum nötig – das pragmatische Verhältnis zur Geschichte war für die deutsche Vergesellschaftungsbewegung der letzten fünf Jahre eher befreiend. Anders als Anarchismus oder Marxismus bezieht sie sich nicht auf historische »Klassiker« des 19. Jahrhunderts, deren Gültigkeit für die Gegenwart bewiesen werden muss. Und anders als Trotzkismus oder Syndikalismus folgt sie nicht historischen Konzepten sozialer Organisation, die nahtlos auf die Gegenwart übertragen werden.
Die aktuelle Vergesellschaftungsbewegung in Deutschland bezieht sich stattdessen auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Überführung in Gemeineigentum »zum Zwecke der Vergesellschaftung« erlaubt. Das Recht hat den Vorteil, dass sich daraus Ansprüche ableiten lassen. Es gibt nicht nur ein politisches Ziel vor wie die Utopie, sondern auch einen Weg: die Reform. Mit einer Kombination von Artikel 15 und dem Volksentscheid als Mittel der direkten Demokratie erreichte Deutsche Wohnen & Co enteignen eine Hebelwirkung, die den Einfluss früherer Bezüge auf Commons und Gemeineigentum in den Schatten stellte. Jedoch griff die Bewegung mit Artikel 15 nur einen Ausschnitt aus der langen Geschichte des Gemeineigentums auf.
Diese Geschichte hat mindestens fünf Erscheinungsformen hervorgebracht: Am Anfang, gewissermaßen vor dem Kapitalismus, steht Gemeineigentum als soziale Praxis kommunaler Landnutzung. Mit der Zerstörung des ursprünglichen Gemeineigentums entstehen daraus sowohl ein politisches Programm als auch eine soziale Utopie. Bereits vor 500 Jahren forderten die Aufständischen des deutschen Bauernkrieges von 1524 die Wiederherstellung agrarischer Gemeingüter – erst mit ihrer Niederlage wurde das Programm zur Utopie.
Im Laufe der Industrialisierung wurde die Utopie beiseitegeschoben, der Marxismus leitete aus der überlieferten Praxis eine historische Kritik des Kapitalismus ab. Wenn der Kapitalismus ein »Davor« hatte, dann würde es auch ein »Danach« geben. Von der sozialistischen Arbeiterbewegung wurde Gemeineigentum schließlich in den Rang einer Rechtsnorm erhoben, die 1919 in der Weimarer Verfassung und 1949 im Grundgesetz festgeschrieben wurde.
Der Preis der Verrechtlichung war jedoch, dass das Recht nie verwirklicht wurde. Das Anliegen der aktuellen Vergesellschaftungsbewegung ist es, von der Rechtsnorm zur Praxis zu gelangen. Gemeineigentum als Utopie spielt dabei keine Rolle, wohl aber die Details der 1919 und 1949 verankerten Rechtsbegriffe. Die zu ihrer Umsetzung nötigen Zwischenschritte wären Umverteilung von Eigentum auf dem Wege der Reform und die Institutionalisierung der neuen Bewirtschaftungsweise. Sie durchzusetzen braucht angesichts der Widerstände von Verwaltung, Unternehmen und ihren Verbänden langen Atem, wie das mittlerweile fünfjährige Berliner Ringen um Vergesellschaftung zeigt.
Gemeineigentum und Gemeinwirtschaft in der Bundesrepublik
Die wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes wurde durch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts in der Frühzeit der Bundesrepublik bestätigt. Für eine Vergesellschaftung fehlten jedoch die parlamentarischen Mehrheiten. Allerdings war in der Bundesrepublik bis 1990 ein gemeinwirtschaftlicher Wohnungssektor durch Regelungen zur Wohnungsgemeinnützigkeit abgesichert; es gab im Umfeld der Gewerkschaften gemeinwirtschaftliche Betriebe von der Konsumgenossenschaft bis hin zum Versicherungsanbieter.
Und auch Artikel 15 war nie vergessen. Bis heute strebt die IG Metall in ihrer Satzung die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum an. Einen letzten Anlauf dazu gab es in der Stahlkrise der 80er Jahre, als die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze durch eine Vergesellschaftung der westdeutschen Stahlbranche retten wollten.
Zeitgleich griff die westdeutsche Umweltbewegung Artikel 15 auf: 1986 formierte sich in Nordrhein-Westfalen eine »Aktion Volksbegehren NRW gegen Atomanlagen«. Die von den Grünen unterstützte Bürgerinitiative wollte Artikel 15 durch einen Volksentscheid aktivieren, um die Atomanlagen des Landes zu sozialisieren und dann stillzulegen. Der von den Berliner Rechtsanwälten Otto Schily und Rainer Geulen erdachte Ansatz kombinierte erstmals Volksentscheid und Vergesellschaftung. Jedoch kam es nie zur Abstimmung. Die Landesregierung hielt das Begehren für unzulässig, da das Atomrecht Bundesrecht sei. Das Verfassungsgericht des Landes NRW bestätigte diese Auffassung 1987.
Die 80er Jahre sahen jedoch nicht nur Aufbrüche, sondern letztlich die finale Krise der bundesrepublikanischen Gemeinwirtschaft. Nach einem Korruptionsskandal im gewerkschaftseigenen Wohnungskonzern Neue Heimat im Jahr 1982 privatisierte der DGB seine Eigenbetriebe. Dies erleichterte CDU und FDP die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit mit Wirkung zum 31. Dezember 1989. Ein Jahr darauf folgte die Abwicklung des DDR-Volkseigentums – Privatisierung statt Vergesellschaftung prägte die Berliner Republik.
Im vereinten Deutschland gab es Gemeinwirtschaft weiterhin als Rechtsnorm, aber kaum noch als Praxis und gar nicht mehr als politisches Programm. Die christsoziale Tradition der Gemeinwirtschaft war bereits in den 50er Jahren verblasst, Gewerkschaften, Sozialdemokratie und die großen Genossenschaften hatten sich Ende der 80er Jahren von ihr verabschiedet. Aus der in dieser Zeit neu gegründeten Alternativbewegung überlebten manche Kollektive und Projekte, jedoch eher als Nische denn als Bewegung.
Die Versuche der Wiederbelebung eines Demokratischen Sozialismus in PDS und später Linkspartei trauten sich nicht an Vergesellschaftung heran. In der Praxis befürwortete die PDS der 2000er Jahre Privatisierungen, so etwa beim Verkauf der kommunalen Dresdener Wohnungsgesellschaft Woba im Jahr 2005 oder beim massenhaften Abverkauf von Wohnungen, Gewerbeflächen und Grundstücken während der Amtszeit des rot-roten Senats in Berlin von 2002 bis 2011. Weder die Genossenschaften noch die einstigen Arbeiterparteien PDS und SPD und auch nicht die Gewerkschaften interessierten sich um die Jahrtausendwende für Gemeineigentum und Gemeinwirtschaft. Eine Tradition lag brach.
Was macht Vergesellschaftung
als Rechtsnorm aus?
Von allen historischen Formen des Gemeineigentums war es die Rechtsnorm, die Deutsche Wohnen & Co enteignen im Jahr 2018 aufgriff. Die Initiative nutzte Gemeingut nicht als Utopie, nicht als religiöse Idee und zunächst auch nicht als politisches Programm. Ihr Interesse galt dem Rechtsanspruch, mit dem sich eine aus dem Alltag entwickelte Forderung durchsetzen ließ. Dasselbe gilt für andere Kampagnen der jüngeren Vergesellschaftungsbewegung – von der Initiative Hamburg enteignet, die einen ähnlichen Volksentscheid für die Hansestadt anstrebt, über RWE enteignen, die Vergesellschaftung auf den Energiebereich ausdehnen will, bis hin zu Forderungen nach Vergesellschaftung von Kliniken und Gesundheitseinrichtungen. Mit dem Bezug auf das Recht sind diese Bewegungen in ihrer Neuerfindung des Gemeineigentums nicht ganz frei. Sie interpretieren Begriffe, die in den Jahren 1919 und 1949 als Gesellschaftsvertrag festgeschrieben wurden. Ein halbes Jahrtausend sozialer Kämpfe hatte hier seine spezifische Form gewonnen.
Was macht Vergesellschaftung als Rechtsnorm aus? Fünf Merkmale sind zu nennen.
Zum Ersten die Form des Rechts selbst: Vergesellschaftung ist durch ein Gesetz auszugestalten. Dies verweist auf ihren Reformismus als zweites Charakteristikum. Vergesellschaftung nach Artikel 15 ist kein revolutionärer Prozess. Man könnte gar das Gegenteil behaupten: Die Verfassungsgebung beendete 1919 eine Revolution, indem Sozialisierung aus dem rechtsfreien Raum nach dem Sturz des Kaisers in geordnete und bisher folgenlose Verfassungsartikel überführt wurde. Durch ihren Reformismus war Vergesellschaftung, drittens, auch politisch markiert, und zwar als sozialdemokratischer und nicht kommunistischer Weg.
Diesem Weg schlossen sich bei der Aktualisierung des Verfassungskompromisses 1948 bis 1949 Teile der Christdemokratie an. Die KPD war ebenfalls mit zwei Delegierten im Parlamentarischen Rat der Westzonen vertreten; beide lehnten in der Schlussabstimmung das Grundgesetz jedoch ab, weil es die staatliche Teilung Deutschlands vorantreibe. Die grundgesetzliche Vergesellschaftung war damit, viertens, eine westdeutsche Tradition. Ein gesamtdeutscher Verfassungsentwurf des »runden Tisches«, der ebenfalls Vergesellschaftung enthielt, wurde im Zuge der deutschen Einheit nicht realisiert.
Trotz historischer Wurzeln in Weimar erreichte Artikel 15 Berlin und Ostdeutschland erst am 3. Oktober 1990, dem ersten Geltungstag des Grundgesetzes in der nun einstigen DDR. Den großen Zuspruch in West- und Ostberlin erreichte Deutsche Wohnen & Co enteignen mit einem Begriff von Gemeineigentum, der sich von der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR abhebt. Denn demokratische Verwaltung unterscheidet, als fünftes Merkmal, die Vergesellschaftung von einer Verstaatlichung.
Die Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen bezog sich auf die Geschichte der Rechtsnorm, um ihr Potenzial für die Gegenwart zu nutzen. Nicht zufällig verwies ihr Gründungsbeschluss auf die »Entstehungsgeschichte« des Artikels 15. Der historische Verweis hob auf den Umverteilungscharakter von Vergesellschaftung ab und erteilte der Forderung der Wohnungswirtschaft nach Entschädigung entsprechend des Marktwerts eine Absage.
Auch bei der Formulierung der Schwelle von 3000 Wohnungen, ab der Vergesellschaftung greifen soll, standen neben Überlegungen zur Machbarkeit auch historische, in juristischen Kommentaren geronnene Konzepte von »Sozialisierungsreife« im Hintergrund. Bei Ansprachen an die Sozialdemokratie und in Seitenhieben auf die CDU bemühte die Initiative das Eintreten beider Parteien für Gemeinwirtschaft in der Entstehungsphase des Grundgesetzes. Auch wenn eine Renaissance der Gemeinwirtschaft in der Sozialdemokratie nicht absehbar ist, war diese Rahmung erfolgreich: Vergesellschaftung konnte nicht als »extremistisch« aus dem politischen Diskurs verbannt werden. Stattdessen erlaubte es der Bezug auf Gemeineigentum als Rechtsnorm, das Grundgesetz als unvollendeten Gesellschaftsvertrag neu zu lesen. Als sich 2019 in ersten Debatten zum Volksentscheid die Erkenntnis durchsetzte, dass soziale Marktwirtschaft keinen Verfassungsrang genießt, Vergesellschaftung aber sehr wohl, hatte die Initiative ihren ersten Erfolg errungen.
Eine echte Renaissance
der Gemeinwirtschaft?
Der Erfolg ist jedoch bisher nur diskursiv. Er öffnete das Denken, sozialisierte aber keinen Wohnraum. Dazu bräuchte es gesellschaftlichen Druck, der die bisherige Mobilisierungskraft der Bewegung noch übersteigt. Das Problem ist nicht die öffentliche Meinung, die die Initiative 2021 mit einem grandiosen Abstimmungserfolg für sich gewann. Ihre Schwäche ist die Schere zwischen Abstimmungs- und Wahlergebnis: Es gab bei der Berliner Landtagswahl 2021 und der Wiederholungswahl 2023 eine Mehrheit für Vergesellschaftung in der Bevölkerung, aber nicht im Parlament.
Die Kluft zwischen direkter und repräsentativer Demokratie hat ihre Ursachen auch darin, dass es jenseits der Initiative selbst kaum institutionelle Akteure gibt, die Druck für Vergesellschaftung machen. Alle Wirtschaftsverbände lehnen Vergesellschaftung ab, selbst viele Wohnungsgenossenschaften haben sie in der Vergangenheit bekämpft. Diese Ablehnung verweist auf den Klassencharakter des Vorhabens: Vergesellschaftung beschneidet das Verwertungsinteresse des Kapitals.
Aus ordnungspolitischen Erwägungen wird Vergesellschaftung daher auch von Unternehmen und Verbänden bekämpft, die vom Volksentscheid gar nicht betroffen wären. Der Volksentscheid hat zwar eine starke öffentliche Polarisierung gegen die Wirtschaftsverbände erreicht, die deren Zugriff auf den Staatsapparat deutlich eingeschränkt hat. Um das Ruder des Staatsschiffes herumzureißen, hat die Initiative als institutionelle Partner jedoch bisher nur eine krisengeschüttelte Linkspartei, den Berliner Mieterverein und Teile der Gewerkschaften hinter sich.
Diskussionen mit Umwelt- und Sozialverbänden verliefen positiv, doch Vergesellschaftung spielt für deren Tagespolitik bisher eine untergeordnete Rolle. Hinter dem Volksentscheid standen vor allem Organisationen, die Interessen der abhängig Beschäftigten vertreten. Die Gewerkschaft Verdi war und ist eine besonders enge Bündnispartnerin; auch die GEW und die Berliner IG Metall haben zur Unterschrift aufgerufen – doch blieb es bei einem Aufruf, der Berliner DGB äußerte sich bisher nicht.
Von einer echten Renaissance der Gemeinwirtschaft in den Gewerkschaften kann daher noch keine Rede sein, in ihren Tageskämpfen spielt das Konzept keine Rolle. So fehlt dem Gemeineigentum heute (noch) jene klassenmäßige Verankerung, die es in den Bauernprotesten der frühen Neuzeit wie auch in der klassischen Arbeiterbewegung hatte. Genau diese wäre jedoch nötig, um aus Rechtsnormen Realitäten werden zu lassen.
Ralf Hoffrogge ist Historiker mit den Schwerpunkten Wirtschaftsdemokratie und Geschichte der Arbeiterbewegung.
Der Text ist die gekürzte Fassung eines Aufsatzes aus dem aktuellen Schwerpunktheft »Mehr Staat, weniger Markt« von »Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für Historische Studien«, Heft I/2024, erschienen im Metropol-Verlag.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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