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Kein Tex-Mex in Mexiko
Wie machen US-Amerikaner in Mexiko Urlaub?
Howdy aus Texas, liebe Leser*innen,
zu unseren Nachbarländern haben wir Deutschen ein gespaltenes Verhältnis: entweder wir bewundern sie, oder sie werden zum Gegenstand unserer Witze – ich will ja keine Namen nennen (Frankreich und Polen). Die US-Amerikaner, selbstsicher und -verliebt wie eh und je, bewundern ihre Nachbarn nicht und witzeln kaum über sie. Auch wenn sie sich vielleicht heimlich Kanadas Gesundheitssystem herbeiwünschen, so will doch keiner in die kanadische Kälte ziehen. Man beschränkt sich darauf, die extreme Höflichkeit der Kanadier ab und an zu veräppeln, als wäre sie ein Vergehen. Und das, obschon die US-Amerikaner, besonders die Südstaatler, selbst übertrieben rücksichtsvoll sind mit ihrem ständigen »Sorry« und »Pardon me«. Jedes Mal, wenn ich wieder in Deutschland bin, muss ich mich daran erinnern, mich bei niemandem zu entschuldigen, der im Supermarktgang einen Meter von mir entfernt steht.
Mexiko dagegen wird als der böse Cousin der USA behandelt, neben dem keiner auf der Familienfeier sitzen will. Aus Mexiko kämen Migranten, die den US-Amerikanern die Jobs wegnähmen, heißt es. Trump wollte dieses Problem mit der Errichtung seiner Mauer beheben, hieß es auch. Behoben wurde bisher nur der politische Sachverstand. Die mexikanische Kultur ist all den Mauerbaubemühungen zum Trotz längst Teil der US-amerikanischen geworden: 37,3 Millionen Menschen in den USA haben mexikanische Wurzeln, das sind elf Prozent der Gesamtpopulation. Mexiko ist zudem ein beliebtes Strandurlaubsziel der US-Amerikaner – nicht nur weil es relativ günstig und schön ist, sondern auch, weil die Amis sich, wie die meisten Menschen im Westen, gern in Erinnerung rufen, wie gut es ihnen zu Hause geht.
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
Vor 200 Jahren war das Kräfteverhältnis etwas anders: Texas gehörte einmal zum Vizekönigreich Neuspanien und danach 15 Jahre lang zum unabhängigen Mexiko, ein paar andere US-Bundesstaaten etwas länger. Wie anders wäre unser Leben, wenn wir noch ein Teil Mexikos wären, dachte ich einmal. Seit meiner Mexikoreise vergangene Woche glaube ich das nicht mehr. Denn die beiden Länder haben viel mehr gemein, als ihnen lieb ist: Die Partylaune (ich war eben auf einer Valentinstagsparty für meine Fünfjährige – und auf der mexikanischen Hochzeit, zu der wir gerade geladen waren, erlebte ich mit, wie Kleinkinder bis vier Uhr morgens auf Stühlen schliefen, während die Eltern tanzten); fragwürdige Gerichte (die Amis schütten Dosensuppe in Aufläufe, die Mexikaner trinken eiskalten Rotwein), wirre Präsidenten (Biden verwechselte Angela Merkel mit Helmut Kohl, Peña Nieto bezeichnete Hillary Clinton als Señora Trump) und sogar die Fettleibigkeit.
Vergangenes Jahr war ich noch mit amerikanischen Bekannten in Tulum. Aber wir hätten genauso gut in Tulsa oder Tampa sein können: Wir haben nichts von dem Land erlebt, außer das Glamour-Resort zu Gringo-Preisen. Dieses Mal sollte alles anders werden, mein Mann und ich flogen nach Mexiko-Stadt. Mexikanische Freunde machten uns unnötig Angst vor der Reise; vielleicht dachten sie, wir seien wie die Amis, die sich Flip-Flops tragend von jedem halbgaren Betrüger ausnehmen lassen und kein deutsch-russisches Paar, das übervorsichtig und in Birkenstocks davon ausgeht, dass alle Menschen es verarschen wollen. Wir fanden eine chaotische, verrückte und sehr schöne Metropole vor, die New York in nichts nachsteht, aber doch wesentlich sauberer als der Big Apple ist. Und es stellte sich heraus, dass das amerikanisch-mexikanische Essen, in Texas »Tex-Mex« genannt, mit echtem Mexikanisch so wenig zu tun hat wie die Ananas-Pizza mit Italien.
Natürlich haben mich die Poster mit all den Verschwundenen der Stadt – an die 100 000 Menschen, meist durch Entführungen und Kartellkriminalität – traurig gestimmt. Doch die Lebensfreude der Mexikaner und ihr kulturelles Erbe mit seinen prähispanischen Elementen, spanischem Spätbarock, französischem Art déco gepaart mit mexikanischen Fresken empfand ich als sehr beeindruckend. Ganze 700 000 US-Amerikaner leben deshalb auch in Mexiko-Stadt und nehmen den Mexikanern den Wohnraum weg. Vielen Amerikanern geht es zu Hause eben doch nicht so gut. Schön, dass der böse Cousin sie aufnimmt.
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