Einsamkeitsbeauftragte Reinickendorf: Ein Herz für die Einsamen

Annabell Paris soll Angebote von Initiativen stärken und die Bedürfnisse einsamer Menschen ermitteln

»Es fehlt eine Einsamkeitspolitik im Land. Wir wollen dazu Konzepte entwickeln«, sagt Reinickendorfs Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU). Ihr Bezirk hat seit Beginn des Monats eine eigene Einsamkeitsbeauftragte und nimmt damit eine Vorreiterrolle ein. Am vergangenen Freitag stellte sich die neue Amtsinhaberin Annabell Paris auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor. »Ich denke, dass ich über ein hohes Maß an Empathie verfüge«, sagt sie. »Die einsamen Menschen, die liegen mir wirklich sehr am Herzen.«

Paris steht noch ganz am Anfang ihrer Arbeit im Bezirk, der sich laut Bezirksbürgermeisterin Demirbüken-Wegner auch durch seine Altersstruktur auszeichnet. »Jeder Vierte ist im Rentenalter. Was nicht heißt, dass jeder Rentner einsam ist«, sagt sie. Hochaltrige Menschen stellten aber eine Risikogruppe für Einsamkeit dar. Deshalb stünden sie zunächst im Fokus der Arbeit der Einsamkeitsbeauftragten.

»Wir wollen die Lebensumstände der Über-85-Jährigen in Reinickendorf eruieren. Dazu wird zunächst eine Karte erstellt«, so Paris. Sie möchte ermitteln, welche Angebote es für die Zielgruppe schon gebe und ob diese den Bedürfnissen entsprächen – »um zu schauen, wo ich tätig werden kann«.

Es handle sich bei dem neuen Posten nicht um eine Beratungsstelle, sagt Bezirksbürgermeisteirn Demirbüken-Wegner. Zwar soll Paris ansprechbar sein für einsame Menschen, doch gehe es dem Bezirk vor allem darum, die strukturellen Bedingungen zu verbessern. So sollen zum Beispiel einsame Menschen besser in bestehende Angebote von Vereinen und Initiativen vermittelt werden und entsprechende Aktuer*innen besser vernetzt werden, sagt Demirbüken-Wegner.

»Wir planen einen Runden Tisch, zum Ideenaustausch und zum Kennenlernen«, sagt Einsamkeitsbeauftragte Paris. Sie möchte dann eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aufbauen mit »Expert*innen aus Sozialarbeit, Gesundheitswesens, Psychologie, Bildung, Stadtplanung und Presse«. Die Öffentlichkeitsarbeit spiele eine zentrale Rolle für ihre Arbeit. Denn einerseits müsse gesellschaftlich eine Sensibilisierung stattfinden, andererseits müssten einsame Menschen auch mit den Angeboten erreicht werden. »Wir werden wahrscheinlich eine Kampagne schalten müssen.«

Die Bezirkschefin denkt bei der Einsamkeitsarbeit über ihren eigenen Machtbereich hinaus. Nicht nur wünscht sie sich eine Übernahme des Konzepts einer Einsamkeitsbeauftragten auch in anderen Bezirken, sondern auch auf Landes- und Bundesebene müssten entsprechende Strukturen geschaffen und Veränderungen erwirkt werden. Es sei beispielsweise ein nicht bezirklich zu lösendes Problem, dass Ärzt*innen keine passenden Handlungsmöglichkeiten zur Behandlung von Einsamkeit hätten. »Wir brauchen eine Diagnose Einsamkeit, damit soziale Teilhabe verschrieben werden kann«, sagt sie.

Außerdem bräuchte es mehr Fördergelder für Projekte, Vereine und Initiativen, die diese soziale Teilhabe ermöglichten. »Das passiert aktuell zum größten Teil ehrenamtlich.« Immerhin hätten bislang schon zwei Bezirke das Aufgabenprofil der Reinickendorfer Einsamkeitsbeauftragten angefragt, um den Posten auch im eigenen Bezirk einzurichten, so Demirbüken-Wegner.

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