Bloß nicht über Frieden reden

Die immer aggressivere Debatte über den Ukraine-Krieg geht bis zum politischen Rufmord

Eine verächtliche Figur – so nennt ein Herausgeber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« den SPD-Politiker Rolf Mützenich, weil der sich für ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs einsetzt. Von Feigheit ist in dem Kommentar die Rede, von der Weigerung, Opfer zu bringen. Dieser Kommentar steht symptomatisch für die immer hysterischer und aggressivere werdende Stimmungslage in der Auseinandersetzung über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und über westliche Waffenlieferungen an Kiew. Wenn die »FAZ« den SPD-Fraktionschef sogar als »Chamberlain unserer Tage« bezeichnet, ist das nichts anderes als Rufmord und überschreitet die Grenze des politischen Anstands – Neville Chamberlain war jener britische Premierminister, der seinerzeit zunächst nachsichtig gegenüber Hitler war und diesem im Zusammenhang mit dem Münchner Abkommen 1938 die Annexion des Sudetenlands ermöglichte.

Wir sollen lernen: Putin gleich Hitler, Putin-Versteher gleich Hitler-Versteher. Eine einzige Infamie. Die völlig ausblendet, dass Putins Aggression in der Ukraine nicht im luftleeren Raum entstand, sondern dass der Westen eine Mitverantwortung für die jahrelange Zuspitzung des Konflikts hat. Warnrufe nach dem Motto »Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!« – nur diesmal von rechts – fallen bei einem Teil der SPD auf fruchtbaren Boden, wie die eilfertige Reaktion von Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigt. Dem Rechtfertigungsdruck will sich auch der Bundeskanzler nicht entziehen, wenn er vor allem darauf hinweist, dass Deutschland zur Spitzengruppe der Waffenlieferanten gehört. Attacken wie die auf Rolf Mützenich sollen verhindern, dass nicht nur über Krieg und Sieg geredet, sondern auch über schwierige Wege zum Frieden anstelle von Durchhalteparolen nachgedacht wird. Solche Gedankenfreiheit ist offenbar unerwünscht. Und das ist wirklich verachtenswert.

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