Ambulante Versorgung: Fragwürdige Innovationen

Zentren, Regionen, Kioske: Kommunen sollen in der ambulanten Versorgung aktiver werden

Die Krankenhausreform mit verschiedenen Gesetzentwürfen und den Debatten darüber hat in der Gesundheitspolitik in den letzten Monaten bis Jahren großen Raum eingenommen. Obwohl die Auswirkungen der Reform, wie jetzt absehbar, auch die ambulante Versorgung betreffen, waren für diesen Bereich konkrete gesetzliche Reformen nicht erkennbar. Mit einer dritten Version des Referentenentwurfs des GVSG ändert sich das. Hinter der Abkürzung verbirgt sich, wenig aussagekräftig, das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz.

Der Gesetzentwurf bringt jetzt einen Blumenstrauß von kleinteiligen Maßnahmen, die teils lange gefordert, teils heftig verdammt wurden. Eine neue Konstruktion stellen die geplanten Primärversorgungszentren dar, in denen Hausärzte mit nichtärztlichen Fachkräften zusammenarbeiten, darunter auch Pflegefachkräfte. Kooperieren sollen die Zentren mit Fachärzten, aber auch mit Physiotherapeuten, Hebammen – bis hin zu Terminservicestellen. Eine der Anforderungen an ein solches Zentrum ist, dass es einen Kooperationsvertrag mit einem Gesundheitskiosk geben muss – daraus folgt, dass die eierlegende Wollmilchsau doch nicht in großem Rahmen Konkurrenz für Arztpraxen machen wird.

Denn die Gesundheitskioske, von denen Minister Karl Lauterbach (SPD) immer wieder mindestens 1000 angekündigt hatte, werden zumindest quantitativ stark heruntergeregelt: 2025 soll es erst 30 geben, bis 2028 dann etwa 220. Die Kioske wurden zudem vor allem von den niedergelassenen Ärzten schon lange heftig kritisiert: Sie bräuchten eben auch Fachpersonal, zum Beispiel medizinische Fachangestellte, die dann in den Arztpraxen fehlen würden. Der Gesetzentwurf suggeriert jetzt mit dem möglichen Einsatz von Bussen zur mobilen Beratung in benachteiligten Kiezen und Regionen Innovationskraft. Pro Kiosk werden Kosten zwischen 400 000 und 660 000 Euro im Jahr geschätzt. Diese sollen zu 74,5 Prozent von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) getragen werden, zu 5,5 von privaten Versicherern und zu 20 Prozent von den Kommunen. Letztere hätten auch das »Initiativrecht«.

Eine weitere Innovation wären Gesundheitsregionen, die allerdings seit Jahren einige Vorläufer bundesweit haben. Dazu schließen Kommunen mit Krankenkassen Verträge, die Kosten sollen auch hälftig geteilt werden. Eine solche Region bietet etwa neue Möglichkeiten für die Kommunen, selbst Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen. Im Grunde sollen aber hier die gewachsenen Strukturen nicht nur berücksichtigt, sondern auch einbezogen werden, zugleich Versorgungsdefizite ausgeglichen werden.

Neben solchen neuen Strukturen mit schwer absehbarem Nutzen bringt der Gesetzentwurf einiges für die Hausärzte. Sie können in Zukunft ohne Budgetgrenze tätig werden. Zudem winkt eine Pauschale für chronisch Kranke, die ständig Arzneimittel verschrieben bekommen. Bislang gibt es eine solche Pauschale einmal im Quartal – die neue Pauschale soll höher sein und nur einmal jährlich abgerechnet werden. Pflegeheim- und Hausbesuche sollen extra vergütet werden. Außerdem ist noch eine extra Vorhaltepauschale vorgesehen, dafür müssen aber zum Beispiel regelmäßig Abend- und Samstagssprechstunden angeboten werden.

Zudem werden die Regressregeln für die Praxen gelockert: Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden erst ab 300 Euro fällig. Damit würde ein großer Teil der bisherigen Einzelprüfungen durch Krankenkassen wegfallen, was die GKV jährlich drei Millionen Euro mehr kosten könnte. Hiermit ist der heikelste Punkt in Zusammenhang mit diesem Gesetz erreicht: Die hohen Kosten, die insgesamt für die gesetzlichen Kassen anfallen. Diverse Verbände haben das schon unisono beklagt, auch, weil es noch zusätzlich einen neuen Fördertopf für mehr Medizinstudienplätze geben soll, der aus der zu zwei Dritteln aus der verbliebenen GKV-Liquiditätsreserve gefüllt werden soll.

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