»Schwarze Schafe« am Wohnungsmarkt

Einer Gesetzesverschärfung zu Mietwucher steht der politische Wille im Weg, nicht die Verfassung

Ein Mietprotest in Frankfurt am Main. Die Stadt gehört zu den teuersten Städten Deutschlands. Zugleich gilt sie als Vorreiter im Kampf gegen Mietwucher.
Ein Mietprotest in Frankfurt am Main. Die Stadt gehört zu den teuersten Städten Deutschlands. Zugleich gilt sie als Vorreiter im Kampf gegen Mietwucher.

Frankfurt am Main, drei Zimmer, 80 Quadratmeter, klassische Ausstattung – vermietet für 1700 Euro kalt. Die hessische Bankenmetropole gehört zu den teuersten Städten Deutschlands. Angemessen ist dieser Preis aber auch hier nicht: 900 Euro sollte die Wohnung normalerweise kosten, sagt Katharina Wagner, Leiterin des Frankfurter Amts für Wohnungswesen. Das nachzuweisen, sei aufgrund des verwässerten Mietwuchergesetzes derzeit schwierig. Seit mehrere Entscheide des Bundesgerichtshofs in den 2000er Jahren die Voraussetzungen für die Mietenden und die Behörden erschwerten, gibt es kaum mehr Verfahren zur Mietpreiserhöhung. Einer Verschärfung des Gesetzes stehe, zumindest aus verfassungsrechtlicher Sicht, nichts im Weg, urteilte der Jurist Kilian Wegner am Dienstag. Der Mieterbund hatte ihn mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, um wieder Schwung in die eingeschlafene Debatte um den Wucherparagrafen zu bringen.

Mietwucher liegt laut Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes vor, wenn die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist der übliche Mietpreis einer Gemeinde in den vergangenen sechs Jahren. Um Mietwucher vor Gericht nachzuweisen, müssen Mietende die Wohnung außerdem aus beruflichen oder persönlichen Gründen dringend brauchen, die hohe Zahlung akzeptieren, weil sie keine billigere vergleichbare Wohnung gefunden haben und Vermietende die Situation bewusst ausnutzen.

So einen Fall erfolgreich vor Gericht zu vertreten, sei für ihre Behörde schwierig, so Wagner. Mietende würden gefragt, wie viele Wohnungen sie sich angesehen hätten oder warum sie gerade in Frankfurt nach einer Wohnung suchten. Menschen mit geringen Deutschkenntnissen sollten Auskunft darüber geben, ob sie auf den richtigen Wohnportalen gesucht hätten. Die falsche Antwort sorge dafür, dass sie den Prozess verlören. »Gerichte urteilen regelmäßig, dass Mieten 80 Prozent über der Vergleichsmiete zulässig sind. Wer soll das noch einklagen?«, fragt Wagner. Frankfurt am Main ist dafür bekannt, dem verwässerten Paragrafen besonders hartnäckig nachzugehen.

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Im Februar befasste sich der Rechtsausschuss des Bundestags mit der Änderung des Gesetzes. Er debattierte, aus dem Gesetz zu streichen, dass die individuelle Situation der Mietenden bewusst ausgenutzt worden sein muss, um Mietwucher nachzuweisen. Die Anregung aus dem Bundesrat kam von der bayrischen CSU, die Anhörung fand auf Antrag von Die Linke statt. Damals gab es verfassungsrechtliche Bedenken aus dem FDP-geführten Justizministerium, das für Mietrecht zuständig ist.

Dem widersprach Jurist Wegner am Dienstag. Die Unterschiede zum geltenden Recht wären minimal, eine Änderung würde vor allem die Umsetzung für die Kommunen erleichtern, urteilt er: »Hier werden unter fadenscheinigen juristischen Argumenten wichtige politische Debatten umgangen.« Auch seien keine negativen Auswirkungen auf den Neubaumarkt zu befürchten. Dieses Argument hatten Vertreter der Immobilienwirtschaft vorgebracht. Mietpreise bis zu 150 Prozent der Vergleichsmiete seien trotz einer etwaigen Gesetzesänderung weiterhin möglich, wenn Kosten dies erforderten.

Mit Auflösung der Fraktion Die Linke waren alle auf deren Initiative laufenden parlamentarischen Verfahren eingestellt worden, somit auch der Prozess zum Mietwucher im Rechtsausschuss. »Es steht den neu gebildeten Gruppen frei, die Aufsetzung des Gesetzentwurfs erneut zu beantragen«, heißt es auf nd-Anfrage nach dem Stand der Debatte aus dem Büro der Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Die Linke werde das Thema »im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten« aufgreifen, wenn die Mietrechtsnovelle anstehe, heißt es dazu aus dem Büro von Caren Lay, Mietensprecherin der Gruppe Die Linke.

Wagner und Wegner waren bereits bei der Anhörung im Februar als Expert*innen der SPD geladen. Diese zeigt sich gegenüber »nd« erfreut über die Initiative des Mieterbunds. »Wenn einzelne schwarze Schafe unter den Vermieterinnen und Vermietern Wuchermieten verlangen, dann müssen sie derzeit im schlimmsten Fall nur den überhöhten Teil der Miete zurückzahlen. Wer Wuchermieten verlangt, sollte künftig mit einem saftigen Ordnungsgeld rechnen müssen«, so Zanda Martens, mietenpolitische Expertin der SPD. Ihre Allegorie der »schwarzen Schafe« ist eine wiederkehrende Formulierung in der Debatte. Selbst der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmer sprach in der Anhörung im Februar davon. Gibt es also doch einen Minimalkonsens?

»Insgesamt gesehen haben wir hier keine parteipolitische Couleur-Frage«, sagt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. Er hofft deswegen weiterhin auf eine Verschärfung des Wucherparagrafen. Der Mieterbund habe kein Interesse daran, möglichst viele Bußgelder zu vergeben, beteuert er. »Wir wollen, dass sich Vermieter an Gesetze halten.« In Regierungskreisen geht man zurzeit dennoch nicht davon aus, dass eine Verschärfung mit der FDP zu machen ist. Auch das Justizministerium sagte »nd«, keine Änderung von Paragraf 5 zu planen.

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