Abstrakte Bekenntnisse zur Pressefreiheit reichen nicht

Angriffe auf Journalisten müssen verurteilt werden, meint David Rojas Kienzle

»Nach jetzigem Stand soll es zu einem Angriff auf Polizeikräfte mit einer Teleskopstange gekommen sein«, sagt Polizeivizepräsident Marco Langner in der Sitzung des Innenausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses. Am Donnerstag, dem 23. Mai, hatten propalästinensische Demonstrant*innen einen Teil der Humboldt-Universität besetzt. Im Zuge der Räumung wurde auch der Videojournalist Ignacio Rosaslanda, der für die »Berliner Zeitung« vor Ort war, festgenommen. Gegen ihn werde jetzt wegen »schweren Hausfriedensbruchs« und Körperverletzung ermittelt, teilte Langner weiter mit.

Von dem fraglichen Vorgang gibt es ein Video. Der Journalist der »Berliner Zeitung« filmt aus dem besetzten Gebäude, wie die Polizei eine verbarrikadierte Tür überwindet. Die ersten Beamten, die den Raum betreten, lassen ihn gewähren und gehen an ihm vorbei. Laut einem Bericht der »Berliner Zeitung« hatte er seinen Presseausweis sichtbar um den Hals hängen. Kurz darauf wird er von hinten umgerissen. Dreimal ruft er »Ich bin Presse!« Dann sind Schläge zu hören.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Dass Polizeivizepräsident Langner trotzdem an der Version festhält, Rosaslanda habe Polizeibeamte angegriffen, ist ein Skandal. Und dass er sagt, man stehe uneingeschränkt für Meinungs- und Pressefreiheit, reicht bei Weitem nicht aus, wenn dem keine Taten folgen. Für den Schutz der Pressefreiheit ist es unbedingt notwendig, dass die offensichtliche Einschränkung der Arbeit von Kolleg*innen durch die Polizei klar als solche benannt und verurteilt wird. Sonst entsteht der Eindruck, dass weniger die Pressefreiheit verteidigt wird, als die Polizeibeamten, die sie behindern.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.