- Berlin
- Extreme Rechte
Rassistische Vorfälle in Erkner: Bürgermeister distanziert sich
Staatsschutz ermittelt nach mutmaßlicher Volksverhetzung im brandenburgischen Erkner
Erneut posieren junge Erwachsene zur bekannten Melodie des italienischen Elektropopkünstlers Gigi D’Agostino. In einem großen weißen Zelt und auf Bierbänken stehend, zeigen sie den Hitlergruß, skandieren im Takt: »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
Die Vorfälle sollen sich bereits am 25. Mai im ostbrandenburgischen Erkner bei Berlin auf einer öffentlichen Veranstaltung ereignet haben. Mehrere Videos und Fotos, die dies belegen sollen, wurden »nd« zugespielt. Auch der Linke-Politiker im Berliner Abgeordnetenhaus Ferat Koçak teilte am 5. Juni auf X (ehemals Twitter) einen Videozusammenschnitt der Szenerie. Das Material zeigt eine Handvoll dunkel gekleideter muskulöser Männer, mit kurzen Haaren, inmitten einer Partygemeinschaft. Einige der Beteiligten heben den rechten Arm zum Hitlergruß oder zeigen drei Finger – den Kühnengruß. Einer der Besucher trägt ein T-Shirt der in der Neonaziszene beliebten Rechtsrockband Landser. Die Vorfälle ereignen sich offenbar im Beisein etlicher anderer gut gelaunter Besucher*innen, die zum Teil im Takt mitklatschen.
Das Video sei der Polizei bekannt, erklärte ein Sprecher der Brandenburger Polizeidirektion Ost zu »nd«. Es sei Gegenstand der Ermittlungen, die der Staatsschutz im Rahmen von Vorkommnissen auf dem Stadtfest Erkner führe. Der Sprecher verwies auf eine entsprechende Mitteilung vom 27. Mai. Demnach »sollen drei Tatverdächtige volksverhetzende Äußerungen von sich gegeben haben und zwei von ihnen zudem den Hitlergruß gezeigt haben«. Die Polizei habe bereits die Namen der Personen ermitteln können, heißt es in der Mitteilung weiter. Gegen sie würde der Staatsschutz »wegen Volksverhetzung und der
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen« ermitteln.
Als Quelle für den Videozusammenschnitt gab der Linke-Politiker Koçak »Schaut nicht weg«, ein antifaschistisches Netzwerk an, dass zuletzt im September 2023 in Berlin Prenzlauer Berg zu einer Demonstration gegen rechte Gewalt aufrief. Der von Koçak veröffentlichten Kurzmitteilung zufolge sei das Video auf dem Heimatfest der Stadt Erkner aufgenommen worden. »Wir fordern von der Stadt Erkner eine Stellungnahme« und: »Lasst uns gemeinsam gegen Hass und rassistische Hetze aktiv werden und die Politik bekämpfen, die so etwas möglich macht«, hieß es in der Mitteilung weiter.
»Die Stadt verurteilt den Vorfall«, sagt Erkners Bürgermeister Henryk Pilz (CDU) zu »nd«. Er habe sich zwar am Heimatfestwochenende in Erkner, nicht jedoch auf dem Festgelände der Stadt zugetragen. Pilz distanziere sich klar und deutlich davon. Dem polizeilichen Ermittlungsstand nach seien die Personen wohl nicht aus Erkner. »Es gibt auch keine Neonazi-Szene in Erkner«, betont der Bürgermeister.
Zeitgleich zum Heimatfest veranstaltete an besagtem Wochenende der »Neuseeland-Erkner e.V.« einen Tag der offenen Tür. Dieser wurde auch auf dem Flyer des 30. Heimatfestes beworben, fand jedoch nicht auf dem Stadtgelände statt, wie Bürgermeister Pilz gegenüber »nd« betonte. Die Stadt gehe nun mit Vereinen und Organisationen ins Gespräch, insbesondere in Hinblick auf das Verantwortungsbewusstsein für Vereinsfeste. Selbst wenn sich die Ereignisse nicht auf dem Festgelände der Stadt abgespielt haben, zeigt das Video, sofern es tatsächlich in Erkner aufgenommen wurde, dass Rechtsextreme öffentlich agieren können.
Die Stadtverordneten Silke und Michael Voges (beide Linke) bestätigen »nd«, dass an dem besagtem Maiwochenende eine Veranstaltung des Anglervereins mit Musik stattfand. »Wie kann es sein, dass ein DJ dieses Lied spielt – zu dieser Zeit?«, fragt Silke Voges. Michael Voges sagt, er könne sich kaum vorstellen, dass beim Anglerverein derart bekannte Musik gespielt werde und dass der Vorsitzende Wolfgang Trogisch (SPD) Rechtsextreme zu einer Vereinsveranstaltung zulasse. Eine Presseanfrage von »nd« ließ der Anglerverein bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Seit dem 26. Mai hat sich ein Video von der Nordseeinsel Sylt verbreitet, in dem ebenfalls junge Erwachsene zu dem gleichen Lied und in ausgelassener Atmosphäre die gleichen rassistischen Slogans skandieren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.