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»Ich hoffe, dass sich Die Linke in der Opposition erneuern kann«
Die Thüringer Linke-Politikerin Ina Leukefeld hat ihr letztes Mandat abgelegt. Sie will aber mithelfen, die Krise ihrer Partei zu überwinden
Frau Leukefeld, Sie sind jetzt nach 30 Jahren als Stadträtin aus dem Stadtrat von Suhl ausgeschieden. Damit haben Sie Ihr letztes politisches Mandat niedergelegt. Hätten Sie sich nach all ihren Jahren in der aktiven Politik auch dann komplett zurückgezogen, wenn es um Die Linke in Deutschland und Thüringen besser bestellt wäre, als das momentan der Fall ist?
Eindeutig, ja. Ich hatte einen konkreten Plan, nach dem ich mich aus der Politik zurückziehen wollte – und den habe ich umgesetzt. Nach drei Legislaturperioden im Thüringer Landtag habe ich mich nicht wieder um ein Mandat dort beworben. Ich bin für die Begrenzung von Mandatszeiten, und dann mache ich da bei mir auch keine Ausnahme. Als Nächstes wollte ich meine Parteiämter niederlegen, weshalb ich inzwischen nicht mehr Stadtvorsitzende der Linken in Suhl bin. Der letzte Schritt dieses Planes war, mein Stadtratsmandat abzugeben. Das habe ich nun getan. Man muss auch loslassen können. Man muss auch Platz machen können für die Jüngeren.
Anders als andere Kommunalpolitiker haben Sie nie einen Hehl daraus gemacht, welches Parteibuch Sie im Schrank haben. Wenn Ihnen in den vergangenen Monaten Menschen in der Stadt begegnet sind: Als was haben diese Menschen Sie wahrgenommen – als Ina Leukefeld oder als Linke?
Als beides, würde ich sagen. Natürlich sprechen mich auch Leute an, von denen ich weiß, dass sie meine linken Positionen nicht teilen, oder für die ich wegen meiner Biografie umstritten bin. Für die bin ich Ina Leukefeld. Aber andere Menschen rufen mich zum Beispiel auch zu Hause an, weil sie bei den Linken niemanden erreichen, sich aber von dort Hilfe versprechen. Da geht es dann nicht um Frau Leukefeld, sondern um die Linke-Politikerin. In beiden Fällen aber, würde ich sagen, werde ich dafür geachtet, dass ich mich schon so lange einsetze für Menschen.
Die Südthüringer Linke Ina Leukefeld gehört zu den Urgesteinen ihrer Partei in Ostdeutschland. Nun hat die 69-Jährige ihr letztes politisches Mandat abgegeben. Im Interview spricht sie über den aktuellen Zustand ihrer Partei, ihr Verhältnis zu führenden Politikern des BSW – und darüber, wie es für Die Linke nach der Landtagswahl in Thüringen am 1. September aus ihrer Sicht weitergehen sollte.
Ist das etwas, womit Sie die aktuelle Krise der Linken erklären würden: Dass zu viele Linke angeblich vergessen haben, dass sie sich vor allem für Menschen einsetzen sollten?
Ja, das denke ich schon. Und dieses Kümmern um Menschen ist eben mit viel Fleißarbeit verbunden. Es reicht nicht, die Türen aufzumachen und zu denken, die Menschen würden schon kommen, wenn sie Probleme hätten. Man muss zu den Menschen hingehen, sich darum bemühen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Nun gibt es ja aber nicht »die Menschen«. Deshalb ist die entscheidende Frage, um welche Menschen sich die Linken in Deutschland und Thüringen aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren zu wenig gekümmert haben.
Ich würde eher danach fragen, um welche Art von Problemen sich Linke kümmern sollten. Antwort: Um die Alltagsprobleme; und zwar von ganz verschiedenen Personengruppen. Ich habe mich in den vergangenen Jahrzehnten um die Alltagsprobleme von abhängig Beschäftigten ebenso gekümmert wie um die Alltagsprobleme von Selbstständigen oder von behinderten Menschen, von Geflüchteten, von Kranken. Und um das gleich ganz deutlich zu sagen: Wir als Linke haben uns in den vergangenen Jahren viel zu sehr um Probleme gekümmert, die im Alltag ganz vieler Menschen keine Rolle spielen.
Aber diese Erklärung für den Zustand der Linken insbesondere in Thüringen ist doch ein bisschen zu einfach, oder? Sehen Sie noch weitere Gründe dafür, dass die Linken sich bundesweit seit inzwischen fast 15 Jahren in einer Dauerkrise befinden und am Rande des Absturzes in die politische Bedeutungslosigkeit stehen?
Das ist noch nicht raus. Ich würde aber noch auf drei Punkte hinweisen wollen. Erstens: Die Linke hat viele klassische linke Themen in den vergangenen Jahren nicht mehr wirklich besetzt. Für mich besonders bezeichnend ist der Umgang meiner Partei mit dem Thema Frieden. Die Linke war immer die Friedenspartei schlechthin. Aber als Sahra Wagenknecht im März 2023 zu ihrer großen Friedensdemonstration nach Berlin aufgerufen hatte, hatte sich die Linke dazu entschieden, diesem Aufruf nicht beizutreten, bloß weil er von ihr kam. Wie tief die Spaltung der Partei da schon war, ist deutlich zutage getreten. Diese Spaltung zu diesem Zeitpunkt kam – zweitens – natürlich daher, dass es viele Strömungen in der Partei gibt, die oft gegeneinander gearbeitet haben, dass jeder es immer besser wusste als der andere. Und den dritten Punkt kann man sehr gut in Thüringen beobachten.
Nämlich?
Die Linke ist insbesondere in Thüringen inzwischen zu einer etablierten Partei geworden. Seit 2014 führt sie hier die Regierung an und stellt mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten. Auch in anderen ostdeutschen Bundesländern ist Die Linke inzwischen zu einer festen Größe im politischen System avanciert. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen das Regieren. Aber wenn man regiert, noch dazu in einer Koalition und dann später auch noch in einer Minderheitsregierung, dann ist es eben oft nicht mehr möglich, ur-linke Themen aufzugreifen. Das ist kein Vorwurf, aber eine Begründung dafür, dass die Linke heute da steht, wo sie steht. Wir waren als etablierte Partei seit Jahren nicht mehr der Stachel für Gerechtigkeit im Fleisch dieser kapitalistischen Gesellschaft.
Wenn ich Sie so reden höre, habe ich den Eindruck aus Ihrer Sicht sei BSW heute das, was Die Linke vor 20 oder 25 Jahren mal war: eine Partei, die Frieden um jeden Preis will, und von einer gesellschaftlichen Proteststimmung lebt. Ist das so? Ist BSW die Linke von vor 20 oder 25 Jahren?
Nein, das glaube ich nicht. BSW ist schon abgerückt von einigen klassisch-linken Ansätzen.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel von einem unabdingbar-humanen Umgang mit Geflüchteten. Und außerdem bin ich schon dafür – und war ich immer –, dass man nicht nur kritisiert, sondern auch konkrete Lösungen für Probleme anbietet. Bei BSW erschöpft man sich dagegen oft im Populismus.
Und trotzdem zeigen die Meinungsforscher eindeutig, dass BSW viel stärker als von allen anderen Parteien vor allem von Linke und SPD Wählerstimmen abzieht, dagegen kaum bei der AfD, was in der Vergangenheit noch erwartet worden war.
Mich überrascht das auch; und gleichzeitig auch nicht. Heute kann ich das ja sagen: Ich habe Sahra Wagenknecht im Frühjahr 2023 geschrieben und ihr damals gesagt, dass ich große Sorge davor habe, dass sie die Linke spalten wird. Als Antwort kam die Bemerkung zurück, ich könne es doch auch nicht wollen, dass nach der Bundestagswahl 2025 die AfD als einzig starke Oppositionskraft im Deutschen Bundestag sitzen könnte. Dagegen wolle sie etwas tun, hat sie mir damals geschrieben. Jedenfalls war das bestimmt der Antrieb dafür, dass Sahra Wagenknecht später wirklich BSW gegründet hat. Aber so wie es heute aussieht, ist genau das geschehen, wovor ich damals gewarnt habe: Die Linke ist gespalten worden und trotzdem droht die AfD bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr stärkste Oppositionskraft im Bundestag zu werden.
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Wie gehen Sie mit Linken um, die heute zu BSW gehören? Einige der Thüringer BSW-Führungsfiguren kennen Sie gut – wie etwa die Oberbürgermeisterin Eisenachs, Katja Wolf, heute Spitzenkandidatin von BSW Thüringen, vor einigen Monaten noch Mitglied der Linken; oder den ehemaligen Linke-Landtagsabgeordneten Tilo Kummer, der heute als Landesgeschäftsführer für BSW arbeitet.
Mit Katja Wolf habe ich in der Vergangenheit kurz digital kommuniziert, nachdem ihr Wechsel zu BSW öffentlich geworden war. Zu Tilo Kummer habe ich gar keinen Kontakt mehr. Beide haben sich für ihren Weg entschieden, ich möchte das nicht bewerten. Ich weiß, dass viele Genossen über beide sehr enttäuscht sind. Aber man muss auch verstehen, dass beide ohne BSW derzeit keine Chance hätten, in den Landtag einzuziehen.
Sind BSW-Leute mal an Sie herangetreten, um Sie davon zu überzeugen, bei Wagenknecht mitzumachen?
Nein. Definitiv nicht.
Und Sie wollen bei den Linken bleiben?
Auf jeden Fall. Alles andere würde mir wie ein Verrat an meinen politischen Überzeugungen vorkommen. Ich will mithelfen, dass die Linken wieder auf den richtigen politischen Weg kommen.
Am 1. September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Wird das der Partei helfen, wieder auf den richtigen politischen Weg zu kommen?
Das ist eine ganz schwierige Frage.
Warum? Glauben Sie daran, dass die nächste Landesregierung wieder von den Linken geführt werden wird?
Das entscheiden die Wähler. Aber wie es jetzt aussieht: Nein, das glaube ich nicht.
Nein?
Natürlich soll man die Hoffnung nicht aufgeben, einerseits. Und ich hoffe gleichzeitig sehr, dass die Brandmauer der CDU zur AfD auch wirklich hält. Aber ich würde es andererseits trotzdem gut finden, wenn sich Mehrheiten im Landtag finden würden, ohne dass die Linke und die CDU koalieren oder wie auch immer zusammenarbeiten müssen, sodass Die Linke in der Opposition wieder mal richtig durchatmen und sich erneuern kann.
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