Alle gegen die AfD in Essen

Beim Parteitag der Rechts-außen-Partei in Essen werden Zehntausende zu Protesten erwartet

Mit Regenbogen- und Europafahnen will die Grugahalle zumindest symbolisch zeigen, was sie von der AfD hält.
Mit Regenbogen- und Europafahnen will die Grugahalle zumindest symbolisch zeigen, was sie von der AfD hält.

Es geht früh los mit dem Protest gegen den Parteitag der AfD am kommenden Wochenende in Essen. Schon Freitagabend wollen Tausende Menschen bei einer Rave-Demonstration zeigen, dass sie nichts von der extrem rechten Partei halten. Zusammen mit den Instagramer*innen von »essen diese« ruft das Bündnis Gemeinsam laut zum Tanzprotest auf.

Gemeinsam laut ist eines der zentralen Bündnisse beim Protest. Über 360 Organisationen haben den Aufruf unterzeichnet. Dazu kommen noch fast 3800 Einzelpersonen. Bündnissprecherin Linda Kastrup, die sonst bei Fridays for Future aktiv ist, erklärte, das sei ein Zeichen dafür, dass die Zivilgesellschaft aufsteht. Mit dem Widerstand gegen die AfD wolle man Geschichte schreiben und zeigen: »Deutschland ist mehr als die AfD.« Das Bündnis Gemeinsam Laut gehört auch zu den Organisator*innen der Großdemonstration am Samstagvormittag. Dort werden sogar Zehntausende Teilnehmer*innen erwartet. Bei der Abschlusskundgebung sprechen unter anderem die nordrhein-westfälische DGB-Chefin Anja Weber und der Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Während Programm und Ort der Großdemo seit Längerem klar sind, gab es um ein antirassistisches Camp bis zuletzt Streit. Am Mittwochabend entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass eine Verlegung des Camps aus dem Essener Süden an die Stadtgrenze von Bochum rechtmäßig ist. Den ursprünglichen Platz hatte die Polizei abgelehnt, weil er zu klein und so der Brandschutz gefährdet sei. Die Entscheidung des Gerichts beurteilt die Camp-Anmelderin und Linke-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler als »eine schlechte Nachricht für alle, denen das Recht auf Versammlungsfreiheit am Herzen liegt«. Man sei an einen Platz »am Arsch der Welt« verwiesen worden. Trotzdem werde man »ein buntes und lebendiges Camp mit vielen spannenden Angeboten sowie Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten aufbauen«. Das Camp soll »einen Ort antifaschistischer Entschlossenheit schaffen«.

Bei der Polizei dürfte man überaus froh sein, dass die Verlegung des Camps rechtens ist. Der Standort im Essener Süden hätte für sie die Lage komplizierter gemacht. Bisher konzentriert sich der Protest gegen die AfD im Norden der Grugahalle. Aus dem Süden sollen die AfD-Delegierten mit ihren Autos zum Parteitag anreisen. Eine andere Herausforderung für die Polizei, die vom »wahrscheinlich größten Einsatz« spricht, den es in Essen je gegeben hat, wird es sein, die Delegierten, die das ganze Wochenende in Essen verbringen, in die Grugahalle zu bekommen. Nach nd-Informationen haben verschiedene AfD-Gliederungen größere Zimmerkontingente bei zahlreichen Hotels in der Innenstadt gebucht. Zwischen der Innenstadt und der Grugahalle werden sich am Samstagmorgen allerdings wohl Tausende Menschen befinden, deren Ziel es ist, den Parteitag zu verhindern.

Sie haben das Bündnis »Widersetzen« gegründet, das ab 6 Uhr in der Frühe dazu aufruft alle Wege zur Grugahalle zu blockieren. »Wir werden die AfD mit friedlichen Mitteln daran hindern die Grugahalle zu erreichen.« erklärt Katharina Schwabedissen. Die Gewerkschaftssekretärin ist als Sprecherin des Bündnisses aktiv, an dem sich zahlreiche Gruppen aus der gesellschaftlichen Linken beteiligen. Schwabedissen sagt, dass es ihr lieber wäre, sich nicht widersetzen zu müssen. Das die AfD nun aber schon zum zweiten Mal einen Parteitag in Essen abhalten kann, sei »ein Schlag ins Gesicht für 100 Jahre gelebte Interkulturalität im Ruhrgebiet«.

Bei Lokal- und Boulevardpresse rufen die Aufrufe zu Blockaden schlimmste »Linksextremismus« Albträume hervor. In Berichten wird ein Bild, das an den G20-Gipfel in Hamburg erinnert an die Wand gemalt: Randale in der ganzen Stadt um die Polizei vom Parteitag wegzulocken. Bei der Polizei selbst scheint man nicht an ein solches Szenario zu glauben und rechnet mit einem im insgesamt friedlichen Verlauf des Wochenendes.

Seit wenigen Tagen hat man bei der AfD Sorgen wegen der Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit (ZpS). Rund um die Grugahalle sind Plakate aufgetaucht, die Mitarbeiter*innen der Halle dazu aufrufen, sich während des Parteitags krankzumelden, die Suppe zu versalzen, Klos zu verstopfen oder Feueralarme auszulösen. Unterschrieben hat das ZpS seine Plakate und Aufkleber mit »Personalservice Hahn«. Der Name wegt bei der AfD schlimme Erinnerungen. Als »Flyerservice Hahn« hatten die Künstler*innen im Bundestag einen Auftrag zur Verteilung von Flugblättern bei der extrem rechten Partei eingeworben. Statt die Flyer zu verteilen, vernichtete das ZpS öffentlichkeitswirksam fünf Millionen AfD-Flugblätter. Ob es den Künstler*innen gelungen ist, sich unter die Mitarbeitschaft der Grugahalle zu mischen, wird sich am Wochenende zeigen.

Ob von außen blockiert oder von innen gestört. So viel Protest wie am kommenden Wochenende hat es lange nicht gegen einen Bundesparteitag der AfD gegeben. In den letzten Jahren veranstaltete die AfD ihre Parteitage in Ostdeutschland oder der Provinz und konnte relativ ungestört tagen. Möglich, dass sie nach Essen zu diesem Modus zurückkehrt.

»Wir werden die AfD mit friedlichen Mitteln daran hindern die Grugahalle zu erreichen.«

Katharina Schwabedissen
Sprecherin Widersetzen
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.