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Ungleichheit in der Klimakrise

Klimapolitik und Geschlechtergerechtigkeit sollten besser verknüpft werden

In Äthiopien sind Frauen täglich fast zwei Stunden mit Wasserholen beschäftigt.
In Äthiopien sind Frauen täglich fast zwei Stunden mit Wasserholen beschäftigt.

Klimaextreme und durch den Klimawandel bedingte Naturkatastrophen betreffen Frauen und Mädchen in besonderer Weise. Im Jahr 2020 wurden 130 Studien zu den Folgen des Klimawandels für Männer und Frauen ausgewertet, 68 Prozent davon hielten Frauen für stärker beeinträchtigt. Drei neue Veröffentlichungen zeigen, dass der Klimawandel den Zugang zum Gesundheitssystem und damit reproduktive Rechte für Frauen und Mädchen gefährdet, dass er für sie zu höherer Arbeitsbelastung führt und in einzelnen Fällen auch mehr geschlechtsspezifische Gewalt nach sich zieht.

Erst Ende Mai wies der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) darauf hin, dass Frauen noch einmal in besonderer Weise von Extremwetterereignissen betroffen sind. Laut Datenanalysen des UNFPA sind 41 Millionen Menschen – oder sechs Prozent der Bevölkerung – in Küstenregionen Lateinamerikas und der Karibik lebensbedrohlichen Stürmen und Überschwemmungen ausgesetzt. Die Analyse zeigt auch, dass 1448 Kliniken, die für Gesundheit von Müttern und Familienplanung zuständig sind, in tiefliegenden Küstengebieten verortet sind und damit ein besonders hohes Risikoprofil haben. In den Inselstaaten Aruba, den Kaimaninseln und den Bahamas sowie Suriname und Guyana liegen demnach sogar 80 Prozent aller Krankenhäuser in Küstengebieten nur wenig über dem Meeresspiegel. Aber auch in Brasilien, Mexiko, Haiti und Ecuador steht eine Vielzahl von Kliniken nah an den Küsten.

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Hurrikan »Beryl«, der am Montag auf die zu Grenada gehörende Karibikinsel Carriacou traf und dort etwa 98 Prozent aller Gebäude zerstörte oder beschädigte, macht deutlich, wie real diese Warnung ist. Es wird von beschädigten Schulen, Krankenhäusern und Polizeistationen berichtet. Beryl setzte unterdessen seinen Kurs durch die Karibik fort und verstärkte sich sogar noch zur Kategorie 5.

Das US-Institut für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) erwartet in diesem Jahr eine »außergewöhnliche« Hurrikan-Saison mit bis zu sieben Stürmen der Kategorie 3 oder höher. Ein Grund dafür sind hohe Temperaturen an der Oberfläche des Nordatlantik – ein Resultat des menschengemachten Klimawandels. Die Gefährdung für Kliniken in Küstenregionen nimmt also zu.

»Der Klimawandel trifft Frauen und Mädchen am stärksten und verschärft bestehende Ungleichheiten. Millionen von armen und gefährdeten Frauen und Mädchen, die am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich sind, zahlen einen hohen Preis, wenn klimabedingte Katastrophen eintreten und wesentliche Gesundheits- und Schutzdienste sowie Lebensgrundlagen zerstören«, sagte UNFPA-Direktorin Natalia Kanem Ende Mai. Die Organisation fordert mehr Unterstützung für vulnerable Länder beim Aufbau klimaresilienter Gesundheitssysteme.

Nicht nur durch den Klimawandel verstärkte Stürme und Überschwemmungen beeinträchtigen die Lebenssituation von Frauen und Mädchen weltweit. Laut einer kürzlich im Fachjournal »Nature« veröffentlichten Studie steht zu befürchten, dass Frauen bis 2050 durch den Klimawandel bedingt bis zu 30 Prozent mehr Zeit mit dem Wasserholen verbringen werden. Denn in Haushalten ohne Trinkwasseranschluss – in denen weltweit etwa zwei Milliarden Menschen leben – sind es in der Regel Frauen und Mädchen, die für diese Aufgabe verantwortlich sind. Die Forschenden des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) errechneten, dass Frauen in Haushalten ohne Wasseranschluss im Durchschnitt 22,84 Minuten pro Tag mit der Beschaffung von Trinkwasser verbrachten. Grundlage dafür waren Haushaltserhebungen aus den Jahren 1990 bis 2019. Allerdings gab es regional sehr große Unterschiede. In Indonesien brauchten die Frauen für die Aufgabe nur vier Minuten, in Äthiopien hingegen fast zwei Stunden. »Verglichen mit diesen Zahlen werden Frauen bis 2050 in einem Szenario mit hohen Emissionen bis zu 30 Prozent mehr Zeit pro Tag für das Wasserholen aufwenden müssen. Dieser Anstieg kann auf 19 Prozent reduziert werden, wenn die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius gehalten wird«, sagt Studienautor Robert Carr, Gastwissenschaftler am PIK. Auch bei den Zukunftsszenarien zeigen sich regionale Unterschiede. Um diese zu erstellen, wurden die bisher beobachteten Muster von Klima und Wasserverfügbarkeit mit den Temperatur- und Niederschlagsprognosen aus Klimamodellen kombiniert, wobei unterschiedliche Emissionsszenarien berücksichtigt wurden.

Wenn längere Zeit für die Beschaffung von Wasser benötigt wird, bedeutet das für die Frauen und Mädchen oftmals Einschränkungen an anderer Stelle. »Durch längere Wasserholzeiten verlieren sie Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit«, erklärt Koautorin und PIK-Forscherin Leonie Wenz. Ökonomische Verluste durch so verlorene Arbeitszeit könnten in die Dutzende bis Hunderte von Millionen US-Dollar pro Land und Jahr gehen.

Auch eine auf Australien bezogene Metastudie zu Gender, Klima und Umweltgerechtigkeit zeigt, dass Frauen und Transgender in vielen Aspekten stärker von der Klimakrise betroffen sind. 80 Prozent der in der Folge von Naturkatastrophen Vertriebenen seien Frauen, stellt die Organisation Women’s Environmental Leadership Australia (Wela) fest.

»Eine Studie über mehrere Gemeinden, die von Buschbränden betroffen waren, ergab, dass Gewalt gegen Frauen umso häufiger auftrat, je größer die durch das Feuer verursachte Verwüstung war«, heißt es in der Veröffentlichung von Wela. Und auch im Zusammenhang mit einer Jahrhundertdürre im Murray-Darling-Becken sei es zum Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt gekommen.

Die Empfehlungen, die Wela für Australien ausspricht, dürften internationale Gültigkeit besitzen. Dazu zählt, etwa mehr Frauen und genderdiverse Personen in Führungspositionen zu bringen und Klima- und Umweltpolitik stärker mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit zu verknüpfen und umgekehrt. Genderaspekte im Zusammenhang mit Naturkatastrophen sollten besser erforscht und bei Katastrophenvorsorge und -hilfe berücksichtigt werden.

»Der Klimawandel trifft Frauen und Mädchen am stärksten.«

Natalia Kanem UNFPA-Direktorin
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