Wahl in Frankreich: Quittung für den neuen Sonnenkönig

Christoph Ruf kommentiert den Wahlerfolg des linken Bündnisses »Nouveau Front Populaire«

Jean-Luc Melenchon (M.), Spitzenmann des linken Bündnisses »Nouveau Front Populaire«
Jean-Luc Melenchon (M.), Spitzenmann des linken Bündnisses »Nouveau Front Populaire«

Am 29. Mai jährte sich der rassistische Brandanschlag von Solingen zum 31. Mal. Neonazis und niemand sonst hatten damals fünf Menschen umgebracht. Das allerdings hielt damals die CDU nicht davon ab, vor »Extremisten von links und rechts« zu warnen. Nun, 31 Jahre später, haben Politikerinnen und Politiker scheinbar immer noch nichts dazugelernt. Das jedenfalls zeigen Stimmen nach der französischen Parlamentswahl.

Mit Michael Roth war es ein Sozialdemokrat, der den vermeintlichen Sieg von »nationalistischen Populisten von rechts und links« kritisierte und damit die Frechheit beging, das rechte »Rassemblement National« mit dem Wahlsieger, dem linken Vierer-Bündnis »Nouveau Front Populaire«, gleichzusetzen. Roth zielte damit offenbar auf Jean-Luc Mélenchon – dessen Deutschland-Kritik nicht immer ressentimentfrei, aber nicht nur bei der sadistischen Griechenland-Politik unter Bundesfinanzmister Wolfgang Schäuble (CDU) und Kanzlerin Angela Merkel gerechtfertigt war.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Merkwürdigerweise wird im politischen Berlin nun allerorten betont, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner Entscheidung, Neuwahlen auszurufen, einen Fehler gemacht habe, der die Extreme gestärkt hat. De facto hat er das Land mit seiner Politik und mit seinem Politikstil schon lange zuvor in die Verzweiflung gestürzt. Macron hat sich in den vergangenen sieben Jahren als schamloser Narziss geriert, der jede seiner Gesten einzustudieren scheint, um von seiner omnipräsenten Fotografin Soazig de la Moissonière möglichst viele ikonenhaften Fotos produzieren lassen zu können. Überhaupt: Im Vergleich zu Macron war Ludwig der XIV. ein bescheidenes Kerlchen. Egal, ob Gelbwesten-Proteste oder Massenstreiks gegen Rentenkürzungen – Macron regierte durch. Mit großsprecherischer Rhetorik und arrogantem Lächeln.

Lesen Sie zum Thema den exklusiv auf Deutsch bei uns erschienenen Beitrag des französischen Philosophen Étienne Balibar – Teil 1 hier und Teil 2 hier.

Dass am Sonntag nur 150 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung an die Macronisten gingen, ist nicht nur eine noch derbere Niederlage als sie die Ampel bei den jüngsten Europawahlen erlitten hat. Es ist der Beweis, dass die Französinnen und Franzosen mehrheitlich genug Selbstachtung haben, um nicht auch noch »danke« zu sagen für eine kaum kaschierte monarchistische Elitenherrschaft.

Wer den Urnengang in Frankreich als gefährliche Erosion der Mitte interpretiert, hat entweder in den vergangenen Jahren mit genauso wenigen normalsterblichen Franzosen gesprochen wie Macron. Oder er gehört der SPD an, für die als einzige Sozialdemokratie Europas das Attribut »Mitte« immer noch positiv besetzt zu sein scheint. Auf Michael Roth trifft beides zu. Fairerweise muss man dazusagen, dass der in der SPD als konservativ gilt und nicht alle Sozis das Wahlergebnis aus dem Nachbarland so komplett falsch verstanden haben wie er. Generalsekretär Kevin Kühnert hat immerhin gemerkt, dass »die letzten Jahre unter Macron keine Chance für soziale Gerechtigkeit gewesen sind«. Das gilt natürlich auch für Deutschland. Aber was will man auch erwarten in einem Land, in dem ein grüner Finanzminister, Danial Bayaz aus Baden-Württemberg, kürzlich seine Partei allen Ernstes davor warnte, »die SPD links zu überholen«.

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