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Olsenbande aus Halberstadt
Wieder einmal scheitert eine Komödie über Ostdeutsche an ihrem Gegenstand: »Zwei zu Eins« von Natja Brunckhorst
Dass das deutsche System der Filmförderung stark reformbedürftig ist, wird seit Langem konstatiert. Beklagt wird vor allem, dass im Dickicht der verschiedenen Fördergremien oft die künstlerische Qualität auf der Strecke bleibt und mehr auf erhoffte Einspielergebnisse und die Marktgängigkeit gelinst wird anstatt unabhängige innovative Erzählformen zu unterstützen. Wie berechtigt solche Kritik ist, wird am Beispiel von »Zwei zu Eins« deutlich. Über zwei Millionen Euro an Fördermitteln konnte dieses multiple Desaster von Film einwerben; für deutsche Verhältnisse eine große Summe. An den Referenzen von Regisseurin Natja Brunckhorst kann es kaum liegen, dass die Erwartungen offenbar recht hoch waren. Brunckhorsts erste Regiearbeit nach einer langen Schauspielkarriere (bekannt wurde sie 1981 als jugendliche Hauptdarstellerin in »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo«), die belanglose Komödie »Alles in bester Ordnung« mit Corinna Harfouch, wollten 2022 lediglich rund 30 000 Zuschauer im Kino sehen.
Vielleicht denkt man in den Gremien auch, es könne nicht schaden, gezielt Stoffe zu fördern, die im Osten Deutschlands angesiedelt sind, um der anhaltenden Kritik an der mangelnden Repräsentation Ostdeutscher in Politik, Gesellschaft und Kultur zu begegnen. Nun ja, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, und was Brunckhorst aus der Geschichte über unbeabsichtigte Folgen der deutsch-deutschen Währungsunion 1990 gemacht hat, perpetuiert so ziemlich alle Klischees, die es über die einfältigen, aber schlauen, letztlich jedoch herzensguten und unheimlich solidarischen Ossis so gibt, und ist damit beileibe kein Beitrag zur deutsch-deutschen Verständigung.
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Man fragt sich, welches Bild von den Ostdeutschen im Westen heute immer noch vorherrscht, wenn die Macher des Filmfests München, wo »Zwei zu Eins« als Eröffnungsfilm lief, im Interview in dieser Zeitung ernsthaft behaupten, der Film nähme seine Akteure ernst. Das ist in etwa so, als wollte man den Winnetou-Filmen aus den 1960er Jahren einen dokumentarischen Charakter zugestehen.
Die Grundidee von »Zwei zu Eins« beruht auf historischen Tatsachen: Nach Währungsunion und Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 in den zukünftigen »neuen Ländern« galt es, die Banknoten der DDR im Wert von 109 Milliarden Mark irgendwie zu entsorgen. Man entschied, einen Großteil des Bargeldbestands in einer Tunnel- und Stollenanlage in Halberstadt einzulagern, wo die Scheine verrotten sollten (das Münzgeld wurde eingeschmolzen). Anfang des neuen Jahrtausends bemerkten die Behörden, dass aus dem Geheimversteck regelmäßig Geld verschwand und auf dem Sammlermarkt auftauchte. Wundersamerweise wollten die Scheine einfach nicht verrotten, woraufhin beschlossen wurde, den Rest zu verbrennen.
So weit, so wahr. Aus dieser Vorlage entwickelte Brunckhorst, die auch das Drehbuch schrieb, allerdings eine Räuberpistole, der es nicht nur an jeglicher Plausibilität, sondern auch schlicht an Kenntnis der Umstände des Vereinigungsprozesses mangelt. In ihrem Film entdeckt eine Gruppe junger Leute aus einem Halberstädter Plattenbau um den 1. Juli herum das Geheimnis des Stollens. Gemeinsam mit der verschworenen Hausgemeinschaft beschließen sie, sich am Westen zu rächen (wofür eigentlich, wird nicht recht klar) und steigen über den Lüftungsschacht in den Stollen ein, um rucksackweise Ostgeld herauszuholen. Aber was wollen sie noch mit den inzwischen wertlosen Scheinen?
Die Idee klingt ebenso abstrus wie ausgedacht: Während DDR-Bürger bis zum Stichtag 1. Juli ihr Geld auf’s Konto einzahlt haben müssen, wo es dann in D-Mark umgetauscht wird (Bargeldumtausch war nicht erlaubt), dürfen Westdeutsche angeblich bis zum 6. Juli noch Ostgeld einzahlen und damit umtauschen, eine Regelung, von der der Rezensent noch nie gehört hat. Aber gut, wir befinden uns ja nicht in einem Dokumentarfilm, sondern in einer laut Verleih »sommerlichen Komödie«, da will man nicht so sein.
Die Gnadenfrist zwischen dem 1. und dem 6. Juli nutzen die Freunde, um bei westdeutschen Vertretern und Geschäftsleuten, die zusammen mit der neuen Währung das Land überfluten, tonnenweise Waren und Konsumgüter zu kaufen und mit dem geklauten Ostgeld zu bezahlen. Die begehrten westlichen Konsumprodukte sollen anschließend für gutes Westgeld weiterverkauft werden, womit der Umtausch der alten Scheine – man könnte auch sagen, die Geldwäsche – gelungen wäre. Schon bald stapeln sich in allen Wohnungen des Blocks die Kartons mit Kochtöpfen, Mikrowellen, Stereoanlagen und all dem Schrott der Konsumgesellschaft bis zur Decke. Nach Ablauf der Frist finden unsere diebischen Freunde heraus, dass DDR-Bürgern, die im Ausland leben – z.B. Botschaftsangehörige – eine spezielle Umtauschfrist bis zum Herbst 1990 eingeräumt wurde (was stimmt), woraufhin sie zurückkehrende Diplomaten, deren Botschaften gerade reihum geschlossen werden, am Flughafen abfangen, um sie in ihr »Geschäftsmodell« einzuweihen und gegen Beteiligung zum Mitmachen zu drängen.
Die Story ist so hanebüchen, wie sie in der Zusammenfassung klingt, und es erscheint rätselhaft, wie es Brunckhorst mit diesem weitgehend unsinnigen Drehbuch gelingen konnte, ein so beeindruckendes Schauspielerensemble zu versammeln. Neben Sandra Hüller, inzwischen schon die »Grande Dame« des deutschen Films, spielen so bekannte Namen wie Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Ursula Werner, Martin Brambach und Peter Kurth. Dass sie durchweg aus dem Osten stammen, soll dem Film wohl eine gehörige Portion Authentizität verleihen, und tatsächlich meint man, einem Klassentreffen der ostdeutschen Schauspielelite beizuwohnen. Diese Klamotte von Film vermögen sie jedoch bei aller Spielfreude nicht zu retten.
Brunckhorst hat sichtlich keinerlei Ahnung von dem Milieu, welches sie beschreibt, und kein Gespür für Stimmung, Tonlage, Dialoge etc. Man fragt sich, wieso niemand ihr abgeraten hat, einen Film über ein Land und eine Zeit zu schreiben, mit dem und mit der sie nichts verbindet. Es ist ja mitnichten erforderlich, dass ein Autor die Zeit erlebt haben muss, über die er schreibt, um zu einer – gerne auch gegenwärtigen – Interpretation zu kommen. Es gibt genügend Beispiele, wie sich jemand auch ohne eigene Zeitgenossenschaft durch gründliche Recherche seinem Gegenstand nähern kann (erwähnt sei Dominik Grafs kongeniale Erich-Kästner-Verfilmung »Fabian oder der Gang vor die Hunde« von 2021). Aber Brunckhorst ist sogar Zeitgenossin (Jahrgang 1966), hat aber erkennbar weder einen sachlichen noch gefühlsmäßigen Zugang zum Sujet gefunden.
Ach ja, eine Liebesgeschichte gibt es auch noch, jedoch bleibt die Dreiecksbeziehung zwischen Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld und Max Riemelt reine Behauptung und bloßes Anhängsel der eigentlichen, wirren Handlung. So mäandert der Film irgendwo zwischen »Olsenbande« und »Go Trabi Go« dahin und aktiviert sämtliche Fremdschämreflexe beim Zuschauer. Eine irgendwie geartete kritische Position zum Gegenstand ihrer Erzählung nimmt Brunckhorst nicht ein, auch wenn ihre Protagonisten mit der ganzen Aktion des Geldumverteilens dem Kapitalismus vermeintlich »ein Schnippchen schlagen« wollen. Das »Schnippchen« besteht letztlich darin, als gelehrige Schüler der Marktwirtschaft vom Westen zu lernen und ebenso raffgierig und hinterlistig zu sein wie die »wahren« Kapitalisten.
Immerhin soll all das angehäufte Geld nicht der persönlichen Bereicherung, sondern dazu dienen, selbst Kapitalist zu spielen und den abgewickelten VEB, in dem viele der Hausbewohner tätig waren, von der Treuhand zurückzukaufen – eine weitere bizarre Wendung des Drehbuchs. Der kollektive Eifer und die Kreativität, den die Hausbewohner beim Geldanhäufen an den Tag legen, lässt den Betrachter allerdings eher traurig denn amüsiert zurück. Aber selbst dieser Impuls verflüchtigt sich rasch angesichts des offenkundigen Unsinns, den uns die Regisseurin hier auftischt.
»Zwei zu Eins«, Deutschland 2024, Regie und Drehbuch: Natja Brunckhorst, mit Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Peter Kurth. 116 Minuten, Kinostart am 25.7.
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