Flughafen Frankfurt blockiert: Was fordert die Letzte Generation?

Gestern Köln, heute Frankfurt. Die Letzte Generation legt wieder einmal einen Flughafen lahm. Die Forderungen der Gruppe finden allerdings wenig Gehör

Am Donnerstagmorgen legten Mitglieder der Umweltgruppe Letzte Generation den Flughafen Frankfurt lahm.
Am Donnerstagmorgen legten Mitglieder der Umweltgruppe Letzte Generation den Flughafen Frankfurt lahm.

Am Donnerstagmorgen war es wieder so weit: Mithilfe kleiner Kneifzangen durchtrennten Aktivist*innen der Letzten Generation den Zaun um den Frankfurter Flughafen. Zu Fuß, mit Fahrrädern und auf Skateboards steuerten sieben Personen verschiedene Punkte um die Start- und Landebahnen an und klebten sich dort fest. So beschreibt es die Umweltgruppe.

Knapp drei Stunden lang musste der Betrieb komplett eingestellt werden. Laut Flughafenbetreiber Fraport wurden rund 230 der 1400 für Donnerstag geplanten Flüge annulliert. Noch vor 8 Uhr waren alle vier Bahnen des größten deutschen Flughafens wieder in Betrieb.

Es folgte ein Feuerwerk der Empörung, zu dem zahlreiche Politiker*innen und Verbände beitrugen. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) schrieb etwa auf der Plattform X: »Diesen unverantwortlichen und kriminellen Klima-Chaoten geht es einzig und allein darum, möglichst großen Schaden anzurichten.«

»Einzig und allein« Chaos stiften also. Eine seltsame Formulierung, denn man muss nicht tief graben, um zu erkennen, dass die Kampagne »Oil Kills«, in deren Rahmen die Blockaden stattfinden, sich ziemlich deutlich zu ihrer Motivation äußert: Sie fordert ein internationales Abkommen, um die Förderung und Verbrennung von Öl, Gas und Kohle bis 2030 einzustellen. Dazu sollen sich die Regierungen der »Fossil Fuel Non-Proliferation treaty Initiative« anschließen, also einer Initiative, die – so die Übersetzung – einen Vertrag zur Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe zum Ziel hat. Angelehnt ist das Ganze an den »Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons«, der hierzulande Atomwaffensperrvertrag genannt wird und, vereinfacht gesagt, die nukleare Abrüstung regelt.

Ein Upgrade für das Pariser Abkommen

Anders als etwa das Pariser Abkommen würde ein »Fossil Fuel Treaty« (deutsch: Vertrag über fossile Brennstoffe) nicht auf Freiwilligkeit setzen. Und nicht nur durch seinen rechtlich bindenden Charakter unterscheidet sich das Vorhaben von bereits bestehenden Vereinigungen, wie der »Powering Past Coal Alliance«, laut derer sich 60 Länder, darunter Deutschland, zum Kohleausstieg bekennen. Diese beschränke sich nämlich auf den Energieträger Kohle und berücksichtige nur die Nutzung, nicht aber den Abbau von Kohle, kritisiert der Klimarechts-Experte Harro van Hasselt von der Universität Cambridge. »Ein Fossil Fuel Treaty würde alle fossilen Brennstoffe, einschließlich Öl und Gas, abdecken und einen langfristigen, stabilen Rahmen für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bieten«, erklärt er gegenüber »nd«.

Wie realistisch ist das Zustandekommen eines solchen Vertrages? »Ein Abkommen dieser Art auf den Weg zu bringen, ist angesichts der Bedeutung fossiler Brennstoffe und der Macht der fossilen Lobby zweifellos eine Herausforderung«, so van Hasselt. Gerade deshalb sei die öffentliche Forderung danach wichtig, auch in Ländern, die nicht zu den Hauptexporteuren von Kohle, Öl oder Gas gehören. »Obwohl die großen Produzenten fossiler Brennstoffe wahrscheinlich zögern werden sich anzuschließen, kann der Druck anderer Staaten dazu beitragen, dass sich auch in jenen Ländern etwas bewegt«, meint der Forscher.

»Ein Abkommen dieser Art auf den Weg zu bringen, ist zweifellos eine Herausforderung.«

Harro van Hasselt Forscher für Klimarecht

Er betont, dass es positive Entwicklungen gibt: »Es ist bezeichnend, dass mit Kolumbien bereits ein Produzent fossiler Brennstoffe die Initiative unterstützt. Die Beteiligung von Produzenten fossiler Brennstoffe ist also nicht völlig ausgeschlossen.«

Ein angetäuschter Strategiewechsel

Doch wie erfolgversprechend ist der Ansatz der Letzten Generation, mit Blockaden an Flughäfen die blockierende Haltung wichtiger Staaten in Sachen Klimapolitik zu lösen? Im Januar hatte die Organisation einen Strategiewechsel angekündigt: Anstatt auf Straßenblockaden setze man nun auf Störungen an Orten, an denen der Klimawandel maßgeblich verantwortet wird. Strategisch sei das sinnvoll, erklärt Lena Herbers, Soziologin an der Universität Freiburg, gegenüber dem »nd«: »Der konkrete Protest und sein Zweck müssen konsistent miteinander verbunden sein, um verständlich zu sein.« Das sei bei Flughafenprotesten eher gegeben als bei Straßenblockaden.

Die Protestforscherin Johanna Wahl von der TU Berlin beobachtet indes einen »offensichtlichen Widerspruch« zwischen den Protestaktionen und der Ankündigung der Letzten Generation, ungehorsames Handeln für möglichst viele Menschen zu ermöglichen. Sie vermutet, dass es dafür schlichtweg an Freiwilligen fehle.

Trotz des vermeintlichen Strategiewechsels knüpfen die Flughafenblockaden an die früheren Proteste der Letzten Generation an, so Wahl weiter. Die öffentliche Empörung und Forderung nach härterem Durchgreifen seien deshalb wenig überraschend.

In den Rufen nach strengeren Strafen sieht die Soziologin Herbers gesellschaftliche »Abwehrreaktionen« und den Versuch, »den Fokus weg von den Themen des Protests hin zu seiner rechtlichen Bewertung zu verschieben«. Dieser Versuch scheint zu gelingen. Schon nach den Blockaden am Flughafen Köln/Bonn am Mittwochmorgen drehte sich der öffentliche Diskurs hauptsächlich um vermeintlich verdorbene Sommerurlaube. Zur Forderung nach einem Fossil Fuel Treaty herrschte lautes Schweigen.

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