Finte gegen Gewerkschaft

Felix Sassmannshausen über die Lohnerhöhung beim Logistikkonzern

Gut möglich, dass es sich bei der angekündigten Lohnerhöhung bei Amazon um eine Finte gegen Verdi handelt.
Gut möglich, dass es sich bei der angekündigten Lohnerhöhung bei Amazon um eine Finte gegen Verdi handelt.

Die Ankündigung des Logistikkonzerns Amazon, das Einstiegsgehalt für unqualifizierte Arbeiter auf 15 Euro anzuheben, klingt erst mal gut: Das Unternehmen zahlt künftig deutlich über Mindestlohn und liegt sogar auf dem von Olaf Scholz geforderten Niveau. Hat der Konzern also ein soziales Gewissen entwickelt? Wohl kaum, es bleibt schließlich ein profitorientiertes Unternehmen. Das zeigt sich schon daran, dass die zahlreichen Paketzusteller*innen der vielen Subunternehmen, die für Amazon unterwegs sind, leer ausgehen.

Hinter der Entscheidung steckt vielmehr betriebliches Kalkül: Das Unternehmen will expandieren und konkurriert mit anderen um Firmen um Arbeitskräfte. Das – gepaart mit der hohen Inflation – hatte der Gewerkschaft Verdi zuletzt Momentum und viele neue Mitglieder beschert, nicht nur bei Amazon. Zahlreiche erfolgreiche Arbeitskämpfe führten zum Abschluss neuer Tarifverträge. Und so konnte zumindest der dramatische Abwärtstrend mit Blick auf die Tarifbindung abgeschwächt werden. Dass Amazon die Ablehnung eines Tarifvertrags dabei auch mit Verweis auf diesen Trend begründet, ist zynisch und unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf, der gewerkschaftlichen Druck erfordert.

Um nun gleichzeitig Verdi in ihrem Kampf um einen Tarifvertrag den Wind aus den Segeln zu nehmen und neue Beschäftigte anzulocken, erkauft sich der Konzern die Gunst der Niedriglöhner mit einer klassischen Finte. Die aber könnte die Arbeiter*innen später teuer zu stehen kommen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.