Ideen für eine gerechte Klimaförderung

Umweltschutzförderungen verfehlen einkommensarme Mieter. Das soll sich ändern

Ein Wärmebild des Reichstages.
Ein Wärmebild des Reichstages.

Sybille Braungardt vom Freiburger Öko-Institut und Melanie Weber-Moritz, Direktorin des Mieterbunds, sind sich einig: Förderungen sind nicht alles. Die Ampel-Debatte über Gebäudesanierungen habe aber gezeigt, dass soziale Aspekte bei der Vergabe von Fördermitteln zu wenig mitgedacht werden, so Weber-Moritz. »Es gibt hier eine Schieflage«, sagt sie. Über die Hälfte der 21 Millionen Mieter*innenhaushalte gehört zum untersten Einkommensdrittel, bisher würden sie bei den Förderungen nicht berücksichtigt.

Zugleich hinke der Gebäudesektor beim Klimaschutz weiterhin »deutlich hinterher«. Der Sektor verfehlte 2023 das Ziel des Bundes-Klimaschutzgesetzes zum dritten Mal in Folge. Darüber hinaus macht die EU Druck. Laut aktualisierter EU-Gebäudeschutzrichtlinie sollen bedürftige Haushalte künftig mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Richtlinie muss bis Mai 2026 umgesetzt sein. Das Öko-Institut erarbeitete deswegen Lösungsvorschläge für eine sozial gerechte Förderung bei energetischen Sanierungen von Mietwohnungen.

Die Vorschläge des Öko-Instituts

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler*innen die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), Finanzhilfen im sozialen Wohnungsbau und die Städtebauförderung. Am meisten Sinn mache, so das Öko-Institut, ein zusätzlicher Förderbonus, verknüpft mit einer temporären Mietpreisobergrenze. Dem Mieterbund schwebt diesbezüglich vor, Boni dann auszuschütten, wenn ortsübliche Vergleichsmieten auf zehn Jahre unterschritten werden.

Außerdem schlagen die Autor*innen die Schaffung zusätzlicher Fördermittel für die Sanierung von Sozialwohnungen vor. So verlängere sich die Belegbindung von Mietwohnungen, was dem historischen Tiefstand der Anzahl von Sozialwohnungen entgegen arbeite. Darüber hinaus empfiehlt das Öko-Institut, nicht preisgebundene Wohnungen über die Sanierungsförderung in bezahlbare Sozialwohnungen umzuwandeln.

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Die Kosten für Förderungen, die notwendig sind, um sogenannte Worst Performing Wohnungen, in denen einkommensschwache Mietende leben, bis 2030 zu sanieren, schätzen die Studien-Autor*innen auf 5 bis 8 Milliarden Euro. Würden Haushalte mit hohem Einkommen von der Förderung ausgenommen, ließe sich der Fördermittelbedarf deutlich reduzieren.

Der Status quo sieht bisher jedoch anders aus. Fördermittel werden vermehrt von Gruppen mit hohem Einkommen in Anspruch genommen und sind von einem Zusammenspiel aus mietrechtlichen Bedingungen und dem Mietmarkt abhängig. Zugleich sind sie essenziell für die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen. »Gerade vor dem Hintergrund, dass im Klimaschutzbereich noch viel mehr passieren muss, müssen wir die Kosten anders verteilen«, stellt Braungardt fest. Dazu seien zusätzliche Investitionen nötig. In den letzten Jahren sei diesbezüglich zwar einiges ins Rollen gekommen. Vor allem im Vergleich zu EU-Anforderungen berücksichtige die deutsche Förderlandschaft die soziale Perspektive bisher aber kaum.

Ein Beispiel dafür sei der »Einkommensbonus« der BEG, der erstmals ab 2024 eine Differenzierung nach Einkommen der Gebäudeeigentümerinnen garantiere. Er steht Haushalten mit Einkommen von unter 40 000 Euro zur Verfügung. Der Einkommensbonus beschränkt sich allerdings auf das Segment der Heizungsförderung und richtet sich nur an selbst nutzende Eigentümer*innen, also Personen, die selbst in ihrer Wohnung leben und sie nicht vermieten. »Eine stärkere Staffelung der Förderung nach Einkommen ist von zentraler Bedeutung für die Wärmewende«, schlussfolgern die Autor*innen der Studie.

Jenseits von Förderungen

Eine andere Option, sich dem Problem anzunähern, ist das sogenannte Drittelmodell, für das der Mieterbund ebenfalls lobbyiert. Dabei sollen weniger Kosten von Modernisierungen in Mieterhöhungen umgelagert werden dürfen, Vermietende dürfen dafür mehr staatliche Fördermittel behalten. Der Bund hätte zwar höhere Kosten, würde sich dafür aber EU-Strafzahlungen sparen, so die Berechnungen einer Studie des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung.

Eine mögliche Reform, mit der sich die Ampel-Regierung im Gegensatz zu den anderen Ideen bereits befasst hat, wäre die Teilwarmmiete. Sie ist im Koalitionsprogramm festgeschrieben. Die Idee: Mietende und Vermietende sollen sich auf einen feststehenden Kostensatz für Wärme einigen. Die darüber hinausgehenden warmen Nebenkosten werden verbrauchsabhängig über die Betriebskosten abgerechnet. Diese Pläne seien laut Weber-Moritz »in einer Schublade verschwunden«. Aus dem zuständigen FDP-geführten Justizministerium heißt es gegenüber »nd«, die entsprechenden Prüfungen seien noch nicht abgeschlossen.

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