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System Change Camp: »Wir wollen Kämpfe verbinden«
In Erfurt läuft derzeit das System Change Camp. »nd« sprach mit drei Personen aus der Organisation.
Das jährlich stattfindende System Change Camp, auf Deutsch: Systemwandel-Camp, kommt eigentlich aus der Klimabewegung. Was macht das diesjährige Camp in Erfurt so besonders?
Lui: Dieses Jahr haben wir uns nicht nur auf den Systemwandel konzentriert, sondern vor allem auf Antifaschismus. Im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen haben wir den Ort Erfurt bewusst gewählt und einen klaren Fokus auf Veranstaltungen gelegt, die sich speziell mit der Arbeit gegen rechts in Thüringen beschäftigen und die Überschneidungen zwischen Klima und Antifaschismus aufzeigen.
Wie hängen Klimaaktivismus und Antifaschismus zusammen?
Noa: Antifaschismus wird in der Klimabewegung immer wichtiger. Ein Erstarken der Rechten macht vernünftige Klimapolitik unmöglich, da rechte Politiker oft den Klimawandel leugnen und auf Abschottung setzen. Klimagerechtigkeit muss aber global gedacht werden, denn die Klimakatastrophe verschärft die Krisen in vielen Regionen der Welt. Das führt dazu, dass Menschen sich vermehrt auf die Flucht begeben – und wie darauf reagiert wird, das sehen wir jetzt schon länger.
Frida (links) ist Teil des Dolmetschkollektivs und des Offenen Antifaschistischen Treffens Erfurt. Noa (Mitte) und Lui (rechts) gehören zum Presseteam des System Change Camps.
Droht aber nicht die Gefahr, dass die Klimabewegung ihren Fokus verliert, wenn sie sich jetzt auch noch mit dem Rechtsruck beschäftigt?
Noa: Es ist gut, dass hier auf dem Camp viele Organisationen mit unterschiedlichen Zielen vertreten sind. Klimagerechtigkeit und Antifaschismus haben ja auch viel gemeinsam: beide beschäftigen sich mit sozialer Ungerechtigkeit und dem Thema Bewegungsfreiheit. Wir versuchen, die Kämpfe zu verknüpfen und Ressourcen zu bündeln – trotzdem kann jede Gruppe in ihrem Bereich weiter arbeiten und ihren »Markenkern« behalten.
Was geschieht denn konkret auf dem Camp gegen den Rechtsruck in Thüringen und Ostdeutschland?
Lui: Es geht alleine schon darum zu zeigen, dass es hier stabile Organisationen gibt, die zu linken Themen arbeiten – und zwar sehr zahlreich. Das Programm zeigt, dass es nicht einfach darum ging, von außen nach Erfurt zu kommen und etwas anzubieten, sondern dass von Anfang an die Menschen vor Ort mit ihren lokalen Initiativen eingebunden wurden. Deswegen liefern auch viele Gruppen aus Erfurt und Thüringen Beiträge.
Hast du ein Beispiel?
Lui: Eine Frage, die hier diskutiert wird, ist wie man Strukturen auf dem Land und in der Stadt miteinander verbinden kann. Es gibt aber auch viel Kulturprogramm und Workshops, die an den Grundlagen ansetzen und auch für Personen ohne Vorwissen geeignet sind. Denn wir wollten auch Menschen, die bisher noch nicht organisiert sind, Möglichkeiten aufzeigen, wie sie sich einbringen können. Das ist ein wesentlicher Schwerpunkt des Camps.
Wie viele Teilnehmende gibt es und welche Organisationen aus Thüringen sind beteiligt?
Lui: Gestern hat die Küche 1400 Essen ausgegeben, und wir rechnen am Wochenende mit 2000 bis 2500 Menschen.
Frida: Es sind total viele Menschen aus Thüringen hier. Und ich kann jetzt unmöglich alle Gruppen aufzählen, aber das offene antifaschistische Treffen (OAT) Erfurt und Eisenbach macht mit, genau wie die Gruppe Rechtsruck stoppen aus Jena. Die Seebrücke-Ortsgruppen aus Jena und Erfurt bieten total viel Programm an. Sie beziehen gerade auch Geflüchtete mit ein, die noch nicht lange in Thüringen leben und viel von ihren Erfahrungen berichten können.
Wie geht ihr mit Sprachbarrieren um?
Frida: Ein Thüringer Kollektiv organisiert die Dolmetschung. Ich helfe bei der Koordination und merke dabei, wie bereichernd es ist, wenn Menschen in Workshops in ihrer Sprache sprechen und verstanden werden können. Gestern hatten wir eine Veranstaltung auf Dari-Persisch und Deutsch, und das Publikum konnte der Veranstaltung auf Deutsch, Dari, Englisch und Arabisch folgen. Das ist ein wichtiger Schritt, um Menschen einzubeziehen und mit ihnen zu reden, statt über sie.
Es finden auch Aktionen außerhalb des Camps statt. Was könnt ihr darüber berichten?
Lui: Gestern gab es eine Aktionsrallye, bei der rechte Sticker und Graffiti entfernt und Botschaften für Klimaschutz und gegen rechts hinterlassen wurden. Die Aktionen machten uns in Erfurt sichtbar und setzten ein Zeichen. Wenn man durch die Stadt läuft, fallen einem vielleicht ein paar Sachen auf, die jetzt anders aussehen. Wir haben aber mit dem Nordpark auch einen Ort gewählt, der sehr sichtbar ist. Das Camp befindet sich mitten in der Stadt an einem viel befahrenen Radweg und nebenan ist ein Freibad. Denn wir wollen auch ansprechbar sein.
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Wie waren bisher die Reaktionen auf das Camp?
Lui: Schon während der Vorbereitung haben Menschen vor Ort mit den Anwohnenden gesprochen, sie waren in Schulen und im Freibad und haben sich erkundigt, was die Menschen vor Ort brauchen, damit sie sich wohlfühlen. Bisher waren die Reaktionen durchweg positiv. Es ist schön zu merken, dass Leute, die nicht aus der Bewegung stammen, aufs Camp kommen und an den Workshops teilnehmen. Damit können wir hoffentlich auch Vorurteile gegenüber »linken Chaostruppen« abbauen.
Was bedeuten Camps wie dieses in Zeiten, in denen die Klimabewegung und andere linke Bewegungen in einer tiefen Krise stecken?
Lui: Camps sind Orte, an denen man zusammenkommt, sich vernetzt und austauscht. Sie helfen, das Gefühl der Vereinzelung zu überwinden und gemeinsam an größeren Plänen zu arbeiten. Wir lernen hier alle voneinander und zeigen gleichzeitig, dass andere Formen des Zusammenlebens möglich sind. Hier ist ja ganz viel selbst organisiert und basiert auf Solidarität: Wir kümmern uns um unseren eigenen Strom, sorgen für Essen und Menschen, übernehmen Schichten, um das Camp am Laufen zu halten.
Noa: Man darf aber auch die Außenwirkung nicht unterschätzen. Der Kontakt mit Menschen, die einfach vorbeikommen und die mediale Aufmerksamkeit: Das sind wichtige Effekte neben dem, was es für die Bewegung nach innen bedeutet.
Das Camp läuft noch bis Sonntag. Was ist am Wochenende geplant?
Frida: Unter anderem gibt es am Samstag eine antirassistische Demo. Sie wird seit Monaten von Menschen aus Thüringen organisiert. Ziel ist, die Perspektiven von migrantisierten Menschen und BIPoC (Abkürzung für Schwarze Menschen, Indigene Menschen und Menschen of Colour, Anm. d. Red.) stärker einzubringen. Denn sie sind am stärksten von rechter Politik betroffen und ihre Stimme fehlte häufig bei den großen Protesten gegen rechts im Frühjahr. Die Demo am Samstag wird hingegen komplett von ihnen getragen, und es werden ausschließlich migrantisierte Personen Redebeiträge halten, die zum Teil schon seit Jahren in Thüringen leben und immer wieder rassistische Kommentare oder Angriffe erleben.
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