Reich an Zores

Finanzjudentum II: Wieviele Lügen passen in ein Wort?

Meistens rollt der Rubel - und zwar immer von einem fort.
Meistens rollt der Rubel - und zwar immer von einem fort.

Geld hat man meistens zu wenig, denn man hat leider nie genug davon; wenn man aber nie genug davon haben kann, sollte man lieber zu viel davon haben als zu wenig.

Dafür muss das Geld vermehrt werden. Und es heißt ja, das Finanzjudentum würde das Geld vermehren. Durch Zins, durch Zinseszins, durch Zinseszinseszins und so weiter. Allerdings ist der Zinseszinseszins weniger als der Zinseszins und der Zinseszins weniger als der Zins, außer wenn es um Buchstaben geht. Deshalb stellt sich die Frage, ob man so das Geld vermehrt oder nicht umgekehrt vermindert.

Jedenfalls stimmt es: Bei uns Juden vermehrt sich das Geld sehr schnell. Zum Beispiel hat der arme Mojsche letzte Woche eine Kupfermünze gefunden. Das ist noch nicht sehr viel, sondern kaum mehr als fast nichts. Mojsche hat also eine Kupfermünze gefunden, seine Nachbarin Zilja sah es und erzählte, dass Mojsche mindestens sieben Goldmünzen in die Hände gefallen seien, der Verkäufer Mendel hörte es und erzählte, dass Mojsche einen alten Schatz ausgegraben habe, und jetzt erzählt man sich überall, der alte Mojsche besitze fabelhafte Reichtümer. So schnell vermehrt sich bei uns das Geld!

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Wer sein Geld vermehren will, der lasse das Geld für sich arbeiten. Der lasse den Rubel rollen. Bei mir rollt der Rubel, und wie der Rubel rollt, und nicht nur einer, sondern viele, und kein kleiner, sondern ein großer – der Rubel rollt und rollt und rollt immer von mir fort.

»Salomon, leih mir etwas Geld, ich hab es so dringend nötig!«

»Aber Itzhak, du schuldest mir doch noch immer eine stattliche Summe!«

»Nu, dann weißt du doch am besten, wie ich verschuldet bin und wie dringend ich es nötig habe!«

Anders ist es bei Salomon. Bei Salomon rollt der Rubel in die richtige Richtung. Der Salomon, der gehört sicher zum Finanzjudentum, vielleicht sogar zum internationalen oder eher noch zum irrationalen. Trotzdem macht er es besonders schlau – er lässt sein Geld für sich arbeiten. Und nicht nur das: Während sein Geld für ihn arbeitet, arbeitet er obendrein auch noch selbst für sein Geld und verdient sich so ein kleines Zubrot.

»Weißt Du, Jakuw, ich lasse mein Geld für mich arbeiten.«

»Wie: dein Geld?«

»Ich habe Geld geliehen, damit habe ich mir eine Wohnung gekauft, die Wohnung vermiete ich, die Einnahmen aus der Wohnung zahle ich bei einer Bank ein, erhalte dort Zinsen, von den Zinsen bezahle ich meine Schulden, die Schuld wird immer kleiner, die Zinsen werden immer mehr, und so mache ich mir von ihnen ein Leben!«

»Asoj a mechane!«

»Und du, Jakuw?«

»Ich?«

»Ja, du!«

»Nu, ich, ich lasse meine Zores für mich arbeiten!«

»Wie: deine Zores?«

»Ich habe mir auch Geld geliehen, aber man verlangte dafür Zinsen, deshalb habe ich meine Wohnung verkauft und mich dann bei den Käufern angemietet, aber dann hat man die Wohnung bemängelt, und deshalb verlangt man von mir das Geld zurück. Jetzt habe ich kein Geld zum Zurückzahlen, kein Geld für die Zinsen, kein Geld für die Wohnung und kein Geld für die Miete. Aber dafür reichlich Zores, und die Zores werden täglich immer mehr!«

Ja, reich an Zores, das sind wir alle, aber für all die Leut sind wir einfach nur reich.

»Tatele, Vater, warum sind «die Juden» so reich, aber «wir Juden» so arm?«

Obwohl all die Leut selbst reich sind an Zores, glauben ebendiese alle Leut, wir seien reich an Nichtzores. Oder vielleicht glauben sie es gerade deshalb, weil sie reich an Zores sind.

Sie glauben es, und sie glauben, wir seien Teil des internationalen Finanzjudentums, obwohl eigentlich allen klar ist, dass es kein internationales Finanzjudentum gibt und nicht einmal ein nationales oder ein regionales. Nur ist es ja noch nicht genug, nicht an das internationale Finanzjudentum zu glauben, denn daneben gibt es ja noch manches andere nicht, woran man ebenso wenig glauben darf.

Jedenfalls: Niemand glaubt an das globale Finanzjudentum – außer denjenigen, die Teil des totalen Ignoranzlügentums sind. Was ist das Ignoranzlügentum? Das ist so. Der arme Mojsche hat, wie gesagt, letzte Woche eine Münze gefunden. Und was sagen die Leute dazu? Die Leute sagen: »Na sowas, bei euch Juden liegt halt das Geld auf der Straße herum!«

Und das sind eben Lügen, ebenso wie das internationale Finanzjudentum eine einzige Lüge ist, oder auch mehr als nur eine einzige, weil es ja auch die Hochfinanz gibt und die Finanzeliten und die Rothschilds und Soros und Gates, obwohl es wiederum eine Lüge ist, dass er ein Jude sei. Das Finanzjudentum ist also nicht nur eine einzige Lüge, sondern es ist auch noch eine Lüge, dass es eine einzige sei.

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