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Tram-Linie 22 erhält das Baurecht
Inbetriebnahme steht und fällt mit der Straßenbahn-Neubaustrecke zum Ostkreuz
Selbst die Genehmigung kleiner Baumaßnahmen kann sich für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zum jahrelangen Papier- und Nervenkrieg entwickeln. So wie der Bau eines neuen, ganze 136 Meter langen Wendegleises am Blockdammweg in Karlshorst. Rund vier Jahre nach Beginn des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens hat die Senatsmobilitätsverwaltung nun grünes Licht gegeben.
Das neue Wendegleis ist Voraussetzung für die Einführung der neuen Straßenbahnlinie 22. Es gibt zwar eine Wendeschleife dort. Aber sie ist nur aus der falschen Richtung angeschlossen, nachdem im Sparwahn vergangener Jahrzehnte die Weichen aus Richtung Friedrichshain entfernt worden sind. Zusammen mit der bestehenden Linie 21 soll ab Blockdammweg Richtung Bahnhof Lichtenberg dann alle zehn Minuten eine Bahn kommen. Doppelt so oft wie bisher. Tausende neue Wohnungen sind in den letzten Jahren im Einzugsgebiet entstanden.
Das heißt aber nicht, dass in wenigen Wochen oder Monaten die Bagger anrollen werden. »Maßgeblich für den Baustart ist der Beschaffungsprozess für die neuen, notwendigen Weichen, der bis zu 19 Monate dauern kann«, sagt BVG-Sprecher Nils Kremmin zu »nd«. Ohne den Beschluss sei dies im Vorfeld nicht möglich gewesen. »Wir rechnen aktuell daher mit einer Inbetriebnahme circa Mitte 2026«, so Kremmin weiter.
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Speziell angefertigte Weichen sind einer der vielen Engpässe, mit denen sich Infrastrukturbetreiber zunehmend herumschlagen müssen. Die Bestellung kann erst ausgelöst werden, wenn klar ist, dass die vorliegende Planung auch genehmigt wird und nicht noch geändert werden muss.
Das war lange nicht ausgemacht. In dem Verfahren gab es zwischendurch Zweifel, ob eine Realisierung überhaupt möglich ist. Das lag unter anderem an Naturschutzfragen, aber auch an der besonderen Situation im heute als Sackgasse endenden Teil des Blockdammwegs. Wo heute nur noch ein Fußgängersteg über die kreuzende Bahnstrecke führt, gab es einst eine Straßenbrücke. Es liegen zahlreiche Versorgungsleitungen im Abschnitt. Und ein möglicher Brückenneubau muss auch planerisch berücksichtigt werden.
Zwar kann nun voraussichtlich Mitte 2026 die neue Wendeanlage den Betrieb aufnehmen. Das heißt aber offenbar nicht, dass dann die neue Linie 22 tatsächlich kommt. Denn die BVG erklärt: »Eine Verdichtung auf einen Zehn-Minuten-Takt im besagten Abschnitt ist derzeit nicht vorgesehen oder in Planung.« Das ist erstaunlich, denn die Einführung wurde in der Vergangenheit bereits für Ende 2023 und dann für Ende 2024 angekündigt – nach Inbetriebnahme des Wendegleises. Auf Nachfrage von »nd« heißt es, man befinde sich derzeit in »Detailabstimmung mit dem Aufgabenträger zum Linienkonzept« der Tram 22.
Der Knackpunkt ist wohl die verschlissene Altstrecke der Linie 21 in der Boxhagener und Marktstraße, die durch die neue Führung über den Bahnknoten Ostkreuz ersetzt werden soll. Der Zustand ist so schlecht, dass eine Sperrung im Raum steht. Seit Mai dürfen die Gleise nur noch höchstens mit Tempo 30 befahren werden.
Wann die Baugenehmigung für die 1,2 Kilometer lange Neubaustrecke Tram Ostkreuz vorliegen wird, steht in den Sternen. Zum vierten Mal liegen derzeit die Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens aus – noch bis 18. September. Denn zum zweiten Mal wurden in dem seit sieben Jahren laufenden Endlosverfahren versehentlich nicht alle Dokumente veröffentlicht. Einige Anwohnende sind massiv gegen die Tram.
Statt einer Bahn alle zehn Minuten mit bequemem Umstieg am Ostkreuz, wie seit rund zwei Jahrzehnten in Aussicht gestellt, droht also eine Teileinstellung der Linie 21 im Übergangsbereich von Friedrichshain und Lichtenberg.
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