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Neuübersetzung von Marx’ »Kapital«: Das Meisterwerk

Nach 50 Jahren gibt es eine neue Übersetzung der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie ins Englische. Die Herausgeber wollen zurück zum Original

Marx’ »Kapital« in einer der vielen Ausgaben. Im Englischen gibt es davon nun eine neue.
Marx’ »Kapital« in einer der vielen Ausgaben. Im Englischen gibt es davon nun eine neue.

Das Unheil hat System! Ökonomische Krisen reißen ganze Gesellschaften in den Abgrund, Leben selbst wird zum Spekulationsobjekt, Armut immer schlimmer, die Reichen immer reicher, dann noch die Klimakatastrophe... in den letzten Jahren dämmerte selbst konservativem Feuilleton und bürgerlicher Wissenschaft, dass dieses gesellschaftliche Elend einen Zusammenhang hat: Kapitalismus! Dessen Analyse ist also aktuell und dringend wie eh und je, wenn nicht gar wie nie zuvor.

Passend dazu erscheint im Herzen der Bestie nun eine neue englische Übersetzung der »genauesten und vernichtendsten Analyse des Systems, in dem das Kapital die sozialen Beziehungen beherrscht«, wie die Herausgeber anführen. Karl Marx’ »Capital« ist die erste Neuübersetzung seit 50 Jahren und die erste der zweiten deutschen Ausgabe von 1872 überhaupt. Die Germanisten Paul Reitter und Paul North haben sich für diese Ausgabe des Ersten Bandes entschieden, weil Marx diese noch selbst autorisiert hatte – im Gegensatz zu allen späteren Ausgaben, die Friedrich Engels bearbeitet hat.

Neben diesen Originalitäts-Erwägungen ist die Motivation der Neuübersetzung aber die politische Brisanz. Denn im Mainstream stelle man sich unter Kapitalismus immer noch ein ökonomisches System von Freihandel und Profitstreben vor. Mit Marx hingegen erkennen wir die »politische Ökonomie als die besondere Form, in der wir durch unsere einzigartigen kooperativen Kräfte ganze Welten aufbauen«, schreibt Wendy Brown in ihrem Vorwort zur Neuausgabe über den »anhaltenden Einfluss von Marx’ Meisterwerk«.

Diese seit über 150 Jahren anhaltende Aktualität des »Kapital« zeugt von der Schwierigkeit, unsere gesellschaftlichen Beziehungen als Ganze zu denken. »Marx wusste, dass diese noch nie dagewesene Ordnung (…) nicht einfach zu sehen oder zu verstehen war«, schreibt Brown. Aber er hat sie gesehen und verstanden. Bei all der Würdigung für diese Meisterleistung fällt die entscheidende Frage aber auch in dieser Runde »Kapital«-Lektüre unter den Tisch: Wie hat Marx das denn angestellt? Das ist nicht bloß eine methodische Frage. Wie konnte er sich selbst diesen Kräften entziehen, die »jede physische und psychische Zelle des irdischen Lebens durchdringen und verwandeln«, wie Brown schreibt?

Auch diese Neuübersetzung von »Das Kapital« kann man nicht als Schrift der Erleuchtung lesen. Schon allein, dass die Auswirkungen des Kapitals auf die gesellschaftliche Organisation als »Kapitalismus« heruntergebrochen werden, ist strenggenommen etwas, das Marx widerspricht. Seine Leistung war vielmehr eine Analyse der Wirklichkeit, die keine Ideologie ist. Er hatte erkannt, dass die Gedanken, die wir uns über die Gesellschaft machen – ob als Ökonomen oder Philosophen –, den gleichen Produktionsbedingungen unterliegen wie die allgemeine Warenproduktion. Diesen Zusammenhang muss das Denken an sich selbst reflektieren. Im »Kapital« liegt diese Selbstkritik, die bis zum gesellschaftlichen Ganzen aufsteigt, in durchgeführter Form vor. Eine Lektion, die der Marxismus bis heute noch lernen muss.

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