»Volk« ist nicht gleich »völkisch«

Christoph Ruf hält nichts von der Umbenennung eines Dresdener Volksparkes

»Volkspark Briesnitz«: »Volk« ist nicht gleich »völkisch«

Manchmal ist es aufschlussreich, sich selbst zu beobachten. Als am vorletzten Wochenende das Ergebnis der Brandenburg-Wahl abends aufploppte, war meine erste Reaktion: Erleichterung. Kurz darauf stellte sich eine stärkere Emotion ein, die spürbar in Richtung Scham ging. Dass die AfD bei der Abstimmung nicht stärkste Partei wurde, ist schließlich nur ein sehr relativer Grund zur Freude. Mit 30-Prozent-Ergebnissen für sie sollte man sich nicht arrangieren.

Blöderweise habe ich das Gefühl, dass das vielerorts schon geschehen ist. Bei der Wahlberichterstattung aus Thüringen war Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der Einzige, der auf die historische Dimension des Abends hinwies. Den Interviewern dagegen ging es da schon längst um langweilige Koalitionsspielchen. Überhaupt habe ich nicht den Eindruck, dass das demokratische Lager sein eigenes Agieren seit den Landtagswahlen hinterfragt. Vor allem aus den Reihen der Union kommen Aussagen, die darauf schließen lassen, dass man sich noch nie mit der Strategie der AfD beschäftigt hat. Die besteht – ihren Gramsci hat die Neue Rechte gelesen – darin, erst Begriffe zu besetzen, dann das Denken, die Straßen und Parlamente. Wer als Markus Söder (CSU) wie Alice Weidel redet (fühlen sich beide fremd im eigenen Land), hat nichts begriffen.

Das gilt auch für das Lager, das sich progressiv nennt. Schön wäre es, wenn alle Menschen, die frisch von der Uni kommen, sich einmal vergegenwärtigen, dass die Welt größer ist als ein Uni-Seminar in einem der Fächer, in dem es viel um Meinung und wenig um Wissen geht. Einfach mal kurz überlegen, ob das, was man dort (nicht) gelernt hat, gleich im nächsten Referentenentwurf münden muss.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Beispiel Dresden, wo der »Volkspark Briesnitz« umbenannt werden sollte. Als progressiver Mensch spricht man – ich habe auch mal studiert – von »Gesellschaft« statt von »Volk«. Und kommt nicht der Begriff »völkisch« von »Volk«? Nun mag es für so viel Reflexionsvermögen heute auf manchem Campus schon ein Sonderlob geben. Doch der Park heißt seit 1929 so, wurde also in der Weimarer Republik so genannt. Kann es also sein, dass »Volk« auch eine ganz andere Konnotation hat, so etwas wie »allgemein«, »für alle zugänglich« und dass der Begriff damit einem demokratischen Ideal entspricht, das man selbst eigentlich gut findet? Das linke Parteien-Bündnis, das in Frankreich gerade die Wahlen gewonnen hat, heißt übrigens »front populaire«, »Volksfront«, in Anlehnung an das antifaschistische Bündnis aus dem Jahr 1936.

Stimmt, Sprache formt Bewusstsein. Aber ein bisschen Wissen gehört zum aufgeklärten Menschen ebenso dazu, wie die Bereitschaft dazuzulernen. Und ganz prächtig ist es, wenn man sich kurz vergegenwärtigt, wie die eigenen Worte und Taten in einer Gesellschaft ankommen, die schon mal mehr Vertrauen in ihre Eliten hatte. Wird die Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner jubeln, wenn der Volkspark umbenannt wird? Was wird mein Nachbar in der Straßenbahn sagen, was meine Mutter? Alles, was den Eindruck nährt, dass viele politisch Verantwortliche ganz andere Sorgen haben als das Gros der Gesellschaft, ist nämlich gerade fatal. Besonders dann, wenn dieser Eindruck zu Recht entsteht.

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