Stolpersteine in Zeitz: Gestohlenes Gedenken

In Zeitz in Sachsen-Anhalt haben Unbekannte alle Stolpersteine entwendet

Bis vor kurzem erinnerte hier noch ein Stolperstein an Auguste Lewy, der 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.
Bis vor kurzem erinnerte hier noch ein Stolperstein an Auguste Lewy, der 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.

Zehn Stolpersteine erinnerten auf den Gehwegen und Plätzen in Zeitz an das Schicksal von Juden, die zur NS-Zeit deportiert, entrechtet und ermordet wurden. Am Montag, genau ein Jahr nach dem schlimmsten Pogrom an Juden seit dem Holocaust, dann der Schock: Alle mit Messing überzogenen Pflastersteine wurden gestohlen. Neben der Bürgermeisterin erstattete auch die Initiative Stolpersteine für Zeitz Anzeige, so ein Sprecher der Stadt. Da ein antisemitischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne, habe zudem der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen, heißt es von der Polizei. Hinweise auf Tatverdächtige gebe es bislang noch keine.

Der Landrat des Burgenlandkreises Götz Ulrich (CDU) bezeichnete die Tat als »unverzeihlich und niemals zu entschuldigen«. Wer Stolpersteine aus dem Boden reiße, wolle auch den Holocaust aus der Erinnerungskultur herausreißen. Für Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, ist das Herausreißen der Stolpersteine »nicht irgendein Diebstahl, sondern eine abscheuliche Tat, die vor Geschichtsvergessenheit nur so strotzt«. Der zeitliche Zusammenhang mit dem 7. Oktober zeige deutlich, dass Antisemitismus auch in Sachsen-Anhalt als großes Problem wahrgenommen werden müsse.

Die Initiative Stolpersteine für Zeitz reagierte mit der Ankündigung eines Stadtrundgangs »zu den Orten der herausgebrochenen Steine« am 19. Oktober. Pascal Begrich, der Vorsitzende des Vereins Miteinander e.V., veröffentlichte auf X digitale Versionen der Gedenksteine für die zehn Opfer des Nationalsozialismus.

Nachdem sich die Initiative Stolpersteine für Zeitz im Jahr 2006 gegründet hatte, verlegte der Künstler und Initiator des Stolpersteine-Projekts, Gunter Demnig, 2007 die ersten Steine in der Stadt. Weltweit wurden laut Demnig in 32 Ländern bisher rund 112 000 Stolpersteine verlegt. Damit gilt das Projekt als größtes dezentrales Mahnmal der Welt.

Zum Diebstahl kommt es indes immer wieder. Gestohlen wurden laut Demnig bislang etwa 900 Steine. Bisherige Taten hätten sich aber eher um das Gedenken an die Pogromnacht am 9. November ereignet. Für den Künstler ist auch der zeitliche Zusammenhang zum Gedenken an das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober eindeutig. Die gestohlenen Stolpersteine sollen nun schnellstmöglich ersetzt und neu verlegt werden. Dafür hat der Burgenlandkreis ein Spendenkonto eingerichtet.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!