An die Nieren

Spezialisten fordern, dass einfache Tests zur Nierengesundheit regelhaft eingesetzt werden

Die Nieren, quasi Klärwerke unseres Körpers, gehören zu den unterschätzten Organen.
Die Nieren, quasi Klärwerke unseres Körpers, gehören zu den unterschätzten Organen.

Etwas geht uns an die Nieren: Tod oder schwere Krankheit eines nahen Menschen, der Verrat eines Freundes. Die Redewendung bezieht sich oft auf Ereignisse, denen man sich ausgeliefert fühlt. Sie weist zugleich darauf hin, wie wichtig das paarige Organ unterhalb der hinteren Rippenbögen ist. Was den beiden bohnenförmigen, etwa faustgroßen Nieren zu schaffen macht, wird oft zu lange übersehen oder gar nicht erst geprüft. So sind die Symptome einer chronischen Nierenerkrankung lange unspezifisch, Schmerzen treten oft erst auf, wenn das Organ bereits geschädigt ist.

Sind die Nieren hingegen gesund, entgiften sie den Körper. Die Gifte kommen nicht nur von außen wie etwa Alkohol oder Nikotin, sondern sie entstehen auch als Abbauprodukte von Stoffwechselprozessen im Inneren. Für die Entgiftung filtern Millionen kleinster siebartiger Gefäße (Nierenkörperchen oder Glomeruli genannt) überschüssige Flüssigkeit, Salze und eben Giftstoffe aus dem Blut. Diese Stoffe gelangen über das Nierenbecken und die Harnleiter in die Harnblase. Pro Tag werden 1800 Liter Flüssigkeit gefiltert. Das heißt, dass die gesamte Blutmenge von 5 bis 6 Litern bis zu 300-mal am Tag »durchläuft«. Im Schnitt 1,8 Liter werden pro Tag als Urin ausgeschieden.

Ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Nierenfunktion jedes Jahr ganz natürlich um ein Prozent ab.

Über diese Regulierung des Wasser- und Salzhaushaltes hinaus produzieren die Nieren auch wichtige Hormone, etwa Renin, das an der Regulierung des Blutdrucks beteiligt ist. Ren lautet das lateinische Wort für Niere. Das Hormon Erythropoetin wiederum fördert die Neubildung roter Blutkörperchen im Knochenmark. Gesunde Nieren spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Aktivierung von Vitamin D und damit für die Knochengesundheit.

Viele Menschen kennen ihre Nierenwerte nicht. Das wäre aber schon deshalb wichtig, weil ab dem 50. Lebensjahr die Nierenfunktion jedes Jahr ganz natürlich um ein Prozent abnimmt. Bei einem zu hohen Blutdruck geht das deutlich schneller, der Abbau beträgt dann jährlich ein Vielfaches. Durch den Bluthochdruck werden alle Gefäße im Körper geschädigt, auch die der Nieren.

Ein wichtiger Treiber auch für Nierenschäden ist das Rauchen: Dadurch werden die Blutgefäße verengt, damit erhöht sich der Blutdruck. Viele im Tabakrauch enthaltene Substanzen schädigen das Endothel, die Schicht im Inneren der Gefäße. Auch Nikotin allein trägt zu ihrer Verkalkung und Verstopfung bei.

Was so in den Nieren an Leistung verloren geht, ist unwiederbringlich weg. Am Ende bleiben nur noch zwei Möglichkeiten: Dialyse oder Transplantation. Die Diagnose, die zu einer Dialyse führt, ist laut Martin K. Kuhlmann immer die chronische Nierenerkrankung (englisch: Chronical Kidney Disease, CKD). Die Ursachen dafür seien vielfältig, erklärt der Internist und Nephrologe, aber: »Die fünf wichtigsten sind Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Entzündungen und Infektionen der Nieren, Verengungen der ableitenden Harnwege sowie angeborene Nierenkrankheiten.«

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Etwa zehn Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben eine chronische Nirenerkrankung, mit einer hohen Dunkelziffer. Laut etwas älteren Zahlen kommt die CKD bei 30 Prozent der hausärztlichen Patienten vor, in Pflegeheimen sogar bei der Hälfte aller Bewohnerinnen und Bewohner.

Die ersten Symptome dieser also doch häufigen Krankheit sind wenig spezifisch, sie reichen von Juckreiz über Kopfschmerz bis hin zu Müdigkeit und Wasserablagerungen. Hingegen genügen zwei einfache Tests von Blut- und Urinproben, um eine CKD früh zu erkennen. Aus Sicht der Fachärzte für Nierenkrankheiten gewinnen die Tests auch deshalb an Bedeutung, weil es seit Kurzem mehrere neue Medikamente gibt, die das Fortschreiten der CKD aufhalten können. Entsprechend forderte die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie kürzlich, die Tests in die üblichen Check-up-Untersuchungen mit aufzunehmen – und auch in das Gesunde-Herz-Gesetz, wo sie noch nicht verankert sind.

Bei einem der Tests wird die Albuminausscheidung im Urin bestimmt. »Albumin sollte aufgenommen werden und nicht im Urin sein«, sagt die Internistin Julia Weinmann-Menke vom Universitätsklinikum Mainz. Das Eiweiß im Blutserum besteht zu 60 Prozent aus Albumin, deshalb wird es auch Bluteiweiß genannt. Unser Körper ist darauf angewiesen, es dient als Transportprotein, ist wichtig für die Flüssigkeitsverteilung innerhalb und außerhalb der Zellen. Die Ausscheidung von Eiweiß über den Urin sollte nach Vorstellung der Spezialisten jeder im Alter zwischen 45 und 60 Jahren, der von den erwähnten Risikofaktoren betroffen ist, regelmäßig prüfen lassen.

Mithilfe einer Blutprobe kann im zweiten wichtigen Test die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) geschätzt werden. Sie gibt die Blutmenge an, die pro Minute von den Nieren gefiltert wird. Mit diesem Wert lässt sich das Stadium einer Nierenerkrankung ermitteln. Die GFR wird indirekt über Urinmessungen ermittelt oder mithilfe anderer Nierenwerte berechnet.

Weil aber diese Tests zu selten durchgeführt werden, fehlen Warnsignale für eine mögliche Nierenschädigung. Eine neue Studie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung, zeigt, dass fast ein Drittel aller CKD-Patienten im fortgeschrittenen Stadium 2022 in Deutschland nicht fachärztlich versorgt wurden. Dafür wurden zum ersten Mal Abrechnungsdaten von über 73 Millionen gesetzlich Versicherten systematisch untersucht. Besonders Frauen und ältere Menschen sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen wurden nur zu einem geringen Teil durch Facharztpraxen mitbehandelt.

Kommt es nicht zu einer Überweisung zum Nephrologen, unterbleibt die optimale Behandlung wie auch die Prognose für den Verlust der Nierenfunktion. Damit sich in Zukunft die Zahl der dialysepflichtigen Patienten und Patientinnen aber nicht weiter erhöht, so sind sich die Spezialisten einig, muss auch die Prävention verbessert werden. Denn mit einer CKD steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Was kann man nun für die Gesundheit der Nieren tun? Die Kontrolle des Blutdrucks und eines möglichen Typ-2-Diabetes stehen an vorderster Stelle. Bestimmte Schmerzmittel, darunter auch Ibuprofen, sollten nur selten eingenommen werden, denn sie können zu einer Entzündung der Nieren führen. Die Trinkmenge wiederum sollte so groß sein, dass täglich etwa 1,5 Liter Harn abgegeben werden können. In der Regel werden ein bis zwei Liter Flüssigkeitsaufnahme pro Tag empfohlen. Eine zu hohe Trinkmenge würde hingegen die Nieren unnötig belasten.

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