Gegengipfel: »Wir brauchen eine Kultur des Widerstands«

Lukas Hufert von »Debt for Climate« über den aktivistischen Gegengipfel zur UN-Konferenz in Oaxaca, Mexiko

Eine Demonstration im Zuge der Anti-Cop in Oaxaca, Mexiko.
Eine Demonstration im Zuge der Anti-Cop in Oaxaca, Mexiko.

Die UN-Klimakonferenz COP 29 begann am Montag in Aserbaidschan, die Anti-COP fand in Mexiko statt. Warum protestieren Sie nicht vor Ort?

Die Anti-COP ist weit mehr als nur Protest gegen die COP 29 in Baku. Sie soll eine echte Alternative darstellen, die der offiziellen Klimakonferenz ihre Legitimität entzieht. Deshalb haben wir uns für einen eigenen Ort entschieden. Dazu kommen auch praktische Gründe: In Mexiko gibt es viele aktive Gruppen und Strukturen, die es uns ermöglichten, eine selbstbestimmte Konferenz zu veranstalten.

Wie wirkt sich dieser Ansatz auf den Inhalt aus?

Die COP beschränkt sich ausschließlich auf Klimaschutz, übersieht jedoch die ausbeuterischen Strukturen, die fortbestehen. Unser Fokus liegt auf dem »Guten Leben für Alle« – das Klima ist dabei natürlich ein zentrales Thema, aber nicht das einzige. Wir haben uns vier Schwerpunkten gewidmet: erstens den Megaprojekten wie großen Minen oder dem Tren Maya hier in Mexiko, einer gigantischen Bahnstrecke, die durch den Regenwald führt. Zweitens der globalen Wasserkrise, die durch die Klimakrise und Umweltverschmutzung immer drängender wird; viele Gemeinschaften kämpfen weiterhin um Zugang zu sauberem Wasser. Drittens Flucht und Migration, die zum Teil eben durch Megaprojekte, aber auch durch staatliche Gewalt oder organisierte Kriminalität ausgelöst werden. Und viertens die Kommerzialisierung des Lebens – also die zunehmende Verwandlung von allem in Güter, die dem kapitalistischen Markt unterworfen sind.

Interview

Lukas Hufert ist Pressesprecher von »Debt for Climate«. Die Graswurzelbewegung setzt sich dafür ein, dass alle Schulden des globalen Südens bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds gestrichen werden.

Wer nahm an der Anti-COP teil?

Die Anti-COP ist ein Raum für all jene, die an den Frontlinien kämpfen – sei es gegen die Klimakrise, gegen extraktivistische Megaprojekte oder in der Unterstützung von Geflüchteten und Migrant*innen. Darunter waren auch viele Vertreter*innen indigener Gruppen aus der ganzen Welt, die zwar bei der COP manchmal eingeladen werden, dort aber selten Gehör finden. Es waren zum Beispiel Aktivist*innen aus Aruba dabei – die karibische Insel wird von den Auswirkungen der Klimakrise besonders hart getroffen. Ein Teilnehmer erzählte mir, dass die Strände, an denen er aufgewachsen ist, langsam im Meer verschwinden. Offiziell gehört Aruba zu den Niederlanden, solche kolonialen Strukturen wirken fort. Auf der COP 29 wird Aruba durch die Niederlande vertreten – durch Personen also, die wenig Verständnis für die Herausforderungen in der Karibik haben. In Mexiko hingegen konnten die Aktivist*innen ihre Stimme erheben.

Sie sind bei der Bewegung »Debt for Climate« aktiv. Welche Aufgabe haben Sie im Rahmen der Anti-COP übernommen?

Wir haben die Konferenz mitorganisiert und waren vor Ort in der Social-Media-Arbeit aktiv. Hier waren wir mit 15 bis 20 Leuten, die meisten davon stammen aus Mexiko. Ich habe auch einen Workshop gegeben. Wenn ich in Deutschland über das internationale Schuldensystem spreche, merke ich oft, dass zwar Interesse besteht, es aber an Wissen fehlt. Auf der Anti-COP war das anders. Denn die Leute wissen, dass nicht der globale Süden dem globalen Norden etwas schuldet, sondern dass es genau umgekehrt ist: Der globale Norden hat gegenüber dem Süden Klima- und Kolonialschulden. Auch dass Schulden als Machtinstrument eingesetzt werden, ist bei denjenigen, die von diesem System betroffen sind, einfach viel präsenter.

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Die offizielle Klimakonferenz ist immer auch ein großes Medienevent. Wie war die Resonanz auf die Anti-COP?

Die Anti-COP hat den Austausch gefördert. Anders als bei der COP sprachen die Menschen hier mit einer angemessenen Radikalität über die Themen. Oft wird Klimaschutz nur im Rahmen des derzeitigen Systems betrieben, was letztlich bestehende Ungerechtigkeiten fortsetzt. Das mediale Interesse an der Anti-COP hielt sich in Grenzen, auch wenn einige Journalist*innen vor Ort waren. Vermutlich lag das daran, dass dieses Format noch recht jung ist. Im vergangenen Jahr fand in Kolumbien mit der »Boycott COP 28« eine ähnliche Veranstaltung statt, und die diesjährige Anti-COP baute darauf auf. Ich bin zuversichtlich, dass sie von Jahr zu Jahr bekannter wird und immer mehr Aktivist*innen anzieht. In Oaxaca haben wir die Anti-COP bewusst offen gestaltet: Neben internen Treffen gab es jeden Tag öffentliche Workshops und Vorträge, sowohl in der Stadt als auch an der Universität. Diese Veranstaltungen stießen auf großes Interesse – die Seminarräume waren oft voll. Das zeigt, dass wir die Menschen vor Ort erreicht haben.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie von der Anti-COP mit nach Deutschland?

Neben den internationalen Kontakten, die ich hier geknüpft habe, bleibt bei mir vor allem eine Aussage hängen: »Wir müssen eine Kultur des Widerstands etablieren.« Viele von uns handeln momentan nicht widerständig genug. Zwar suchen viele Gruppen die Konfrontation, doch oft wird diese nicht konsequent zu Ende geführt. Um uns wirklich der Zerstörung entgegenzustellen, müssen wir entschlossener und mutiger werden!

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