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Nach Verbot der Regenbogenflagge: Alles auf neu in Neubrandenburg
Stadtvertretung reagiert auf Kritik und bekennt sich zur Sichtbarkeit von Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt in der Stadtgesellschaft
Die Stadtverwaltung Neubrandenburgs soll Maßnahmen »zur Förderung einer angemessenen und dauerhaften Sichtbarkeit von Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt in der Stadtgesellschaft« vorlegen. Das hat ein Beschluss der Stadtvertretung am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit ergeben. 24 Ratsherren und Ratsfrauen stimmten für den Antrag, sechs enthielten sich und drei votierten dagegen; die AfD-Fraktion verließ den Saal, um nicht abstimmen zu müssen. Auch wenn sich die Stadtvertretung mit dem Beschluss zur »Regenbogenflagge als einem internationalen Symbol für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit« bekennt, folgt aus der Entscheidung nicht automatisch, dass die wenige Wochen zuvor verbotene LGBTQ-Flagge am Bahnhof wieder aufgehängt wird. Der Weg dahin ist allerdings wieder offen. »Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr die Regenbogenflagge wieder dort sehen«, sagte Stadtpräsident Thomas Gesswein (CDU) dem NDR zufolge.
Tim Großmüller vom Wählerbündnis »Stabile Bürger Neubrandenburg«, der mit seinem Antrag das Verbot verursacht hatte, enthielt sich bei der jüngsten Abstimmung. Auch eine eigene Beschlussvorlage zog er wieder zurück; derzufolge hätte die Regenbogenflagge abwechselnd mit den Flaggen der Stadt, des Landes und der Deutschlandflagge gehisst werden sollen. Dem »Nordkurier« sagte Großmüller, sein Ziel, dass Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) gehe, habe er ohnehin erreicht. Witt, der offen schwul lebt, hatte am Tag nach dem Verbot seinen Rücktritt zum 31. Mai 2025 bekanntgegeben. Als Grund dafür nannte er unter anderem persönliche Anfeindungen.
Den Antrag mit dem Bekenntnis zu Toleranz und der Regenbogenfahne reichten insgesamt 26 Vertreter*innen aus mehreren Parteien ein, darunter neben der Fraktion »CDU Plus« auch der Zusammenschluss »SPD/Grüne« und das BSW, das mit der Wählergruppe Bürger für Neubrandenburg (BfN) eine gemeinsame Fraktion gegründet hat. Die Fraktion BSW/BfN war infolge des Flaggenverbots in die Kritik geraten. Mehrere Mitglieder hätten dafür gestimmt oder sich enthalten und so dem Antrag zu einer Mehrheit verholfen, lautete der Vorwurf.
Marcel Spittel vom Verein queer NB zeigte sich gegenüber »nd« zwar »erfreut über das Signal«, das von dem Beschluss ausgehe. Angesichts der Enthaltungen, Gegenstimmen und des Verhaltens der AfD-Fraktion gab er aber auch zu Bedenken: »Ein klares Bekenntnis sieht anders aus.« Ohnehin sei es beängstigend, dass es überhaupt einen solchen Beschluss brauche. »Das Eintreten für Toleranz und Vielfalt sollte selbstverständlich sein«, so Spittel. »Was angesichts der zunehmenden Gewalt gegen queere Menschen wirklich nötig ist, ist mehr als nur Symbolpolitik. Was wir eigentlich brauchen sind wirksame Maßnahmen, wie die Ausweitung von Beratungsangeboten.«
Auch Noch-Oberbürgermeister Witt stößt sich an dem starken Fokus auf die Flagge. Dieser sei aber nicht von ihm oder der Stadtverwaltung gesetzt worden, sondern von »rechten Populisten«, die der kommunalen Politik damit eine »Regenbogen-Agenda« unterstellen wollten.
Die bunte Fahne ist nicht erst seit ihrem Verbot Thema in Neubrandenburg. Im Sommer 2023 wurde sie ein erstes Mal gestohlen und durch eine Flagge der Hitlerjugend ausgetauscht. Diesen August ersetzten Unbekannte das Symbol für Toleranz durch eine Hakenkreuzfahne. Und auch nachdem im Oktober die Stadtvertretung selbst für das Entfernen gesorgt hatte, entwendeten Unbekannte in Neubrandenburg eine weitere Regenbogenflagge – diesmal am Zentrum des Vereins queer NB, dessen Vorsitzender Marcel Spittel ist.
Vor dem Sitzungssaal demonstrierten am Mittwoch mehrere Dutzend Menschen und überreichten eine Petition mit inzwischen über 40 000 Unterschriften, die fordert, die Regenbogenflagge vor dem Bahnhof wieder aufzuhängen. Neben dem Bekenntnis zu Weltoffenheit und Toleranz konnten sich die Demonstrierenden noch über eine weitere Entscheidung freuen: Einen Antrag zum Genderverbot von Großmüller hat die Stadtvertretung am Mittwochabend mehrheitlich abgelehnt.
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