Bohrender Rohstoffhunger nach Metallen und Mineralien

Hiesige Industrie besorgt um zunehmende Abhängigkeit bei Metallen und Mineralien

Ein Großteil des Rohstoffhungers, etwa nach Kupfer, wird durch Minen in Lateinamerika gestillt.
Ein Großteil des Rohstoffhungers, etwa nach Kupfer, wird durch Minen in Lateinamerika gestillt.

Die deutsche Industrie will dicke Bretter bohren. Als Industriegesellschaft hängen Wachstum und Wohlstand an der sicheren und nachhaltigen Versorgung mit Rohstoffen aus aller Welt, vor allem aus China. Im vergangenen Jahr wurden 121 Milliarden Euro allein für den Import von Metallen ausgegeben. Grund genug für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Montag mit führenden Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in der Heeresbäckerei in Berlin über Wege zu beraten, um die Versorgung mit Rohstoffen »resilienter«, also sicherer aufzustellen.

Rohstoffe laufen im Gleichlauf mit dem Welt-BIP, zeigen die Daten des Internationalen Währungsfonds: Steigt die Wirtschaftsleistung (BIP), steigen Nachfrage und im Rückblick auch meist die Preise für Rohstoffe. Zurzeit treiben zudem die Zinssenkungen der Zentralbanken die Preise, da Rohstoffe dadurch als Kapitalanlage attraktiver werden.

Außerdem gibt es Faktoren, die über den aktuellen Zyklus hinausweisen. Es sind Themen wie Digitalisierung, die grüne Energiewende und Elektrifizierung, welche die Nachfrage nach vielen Rohstoffen antreiben. Ein Elektroauto benötigt sechsmal mehr Mineralien als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Hinzu kommt noch die demografische Entwicklung in alternden Gesellschaften wie Deutschland oder China, was beispielsweise die Nachfrage nach Gesundheitstechnik erhöht, für die Rohstoffe wie Kupfer gebraucht werden.

Kupfer gilt ohnehin als zentraler Baustein der Zukunft. Die US-Investmentbank Goldman Sachs geht etwa davon aus, dass der Kupferpreis in den kommenden Jahren auf 15 000 US-Dollar steigen »muss« (derzeit: 9300 US-Dollar). Nur über einen höheren Preis würden Investitionen in den Ausbau neuer Vorkommen getätigt werden, so die Bankanalysten. Der Bedarf werde sich durch E-Autos und Energiewende in den kommenden zehn Jahren mindestens verdoppeln. Einen entsprechenden Zubau der Minenkapazitäten halten aber nahezu alle Experten in diesem Zeitraum für ausgeschlossen. Kupfer lässt sich immerhin gut recyceln. Aber auch das werde nicht ausreichen, erwartet die International Copper Study Group (ICSG), die Lobbyorganisation der globalen Kupferindustrie.

Dabei liegt ein Großteil der Kupferminen in Amerika und Afrika. Raffiniert werden Steine und Erze aber zu drei Vierteln in Asien, vornehmlich in China. Entsprechend abhängig ist die Europäische Union – nicht allein bei Kupfer. »Deutschland ist bei vielen für die Energiewende und E-Mobilität benötigten mineralischen Rohstoffen aus China bereits heute abhängiger, als es von Öl und Gas aus Russland war«, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. So verarbeite China 60 Prozent des weltweiten Lithiums, 70 Prozent des Kobalts und 100 Prozent des Grafits.

Die Risiken seien so hoch wie nie. Von 48 kritischen Rohstoffen ist die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern bei 23 Rohstoffen »hoch« bis »sehr hoch« und bei zehn dieser Rohstoffe sogar zuletzt gestiegen, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger für den BDI. So bezog Deutschland 2014 noch 32 Prozent seiner Importe von Seltenen Erden aus China, 2023 waren es bereits 69 Prozent. Rohstoffe würden insbesondere von Autokratien als geopolitisches Druckmittel eingesetzt. »In einem solchen Umfeld funktionieren rein privatwirtschaftliche Lösungen nicht«, erklärte Russwurm der anwesenden Parlamentarischen Staatssekretärin Franziska Brantner, die den ursprünglich angekündigten Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Heeresbäckerei vertrat. Die Politik müsse mehr tun. Das EU-Gesetz über kritische Rohstoffe (CRMA) und der neue Rohstofffonds der Regierung reichten nicht aus.

Der öffentlichen Wahrnehmung zum Trotz ist die Bundesrepublik durchaus ein rohstoffreiches Land. Mit Primärrohstoffen wie Steine und Erden, Kies, Sand, Kalkstein, Gips und Ton lassen sich Straßen, Brücken und Wohnungen bauen. Sie bilden die materielle Grundlage für viele andere wichtige Bereiche wie chemische Industrie, Lebensmittelbranche, Stahl und Keramik. »Schmutzige« Industrien wie die Raffinerien für Mineralien wurden jedoch im Prozess der Globalisierung aus Europa in den Globalen Süden verlagert. So liegen im Oberrheingraben und im Erzgebirge große Lithiumvorkommen. Lithium gilt als unverzichtbar, etwa für die Batterieproduktion.

Immerhin läuft in Bitterfeld seit September die erste Lithium-Raffinerie in Europa, betrieben von dem Metallurgiekonzern AMG (früher Metallgesellschaft). Doch globale Abhängigkeiten bleiben. AMG bezieht rohes Lithium aus Brasilien, das in China aufbereitet wird, um in Bitterfeld-Wolfen Lithiumhydroxyd für Batterien von Elektroautos zu produzieren. Abhängig von den Marktbedingungen will das Unternehmen seine jährliche Produktion ausweiten.

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