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Otto Kayser in Gotha: Die Liebe zur Verwandlung

Das Kunstforum Hannah Höch in Gotha zeigt das Werk Otto Kaysers, das nach dem Ende der DDR in Vergessenheit geriet

Otto Kayser, »Verwandlung der Io«, Radierung, 24,5 × 32 cm, 1983
Otto Kayser, »Verwandlung der Io«, Radierung, 24,5 × 32 cm, 1983

»Ich wollte, dass Otto Kayser eine genau so große Ausstellung bekommt wie Kurt W. Streubel«, sagt der Kunsthistoriker und nd-Autor Peter Arlt gegenüber dieser Zeitung. Er ist Kurator der Schau »Otto Kayser: Gleich einem Poeten« im Kunstforum Hannah Höch in Gotha. Otto Kayser (1915–1998) und Kurt W. Streubel (1921–2002) waren zur selben Zeit in der thüringischen Kreisstadt als Künstler tätig. Sie wurden aber unterschiedlich geschätzt. Streubel lag mit seinem surrealen und konstruktivistischen Werk nicht auf der kulturpolitischen Linie der DDR und wurde folglich als Künstler »ausgeschaltet«, während Otto Kaysers programmatischer Realismus gefragt war. Nach 1990 drehte sich dieses Verhältnis um: Auf einmal sei das Interesse an Streubel groß gewesen, so Arlt, während das an Kayser gesunken sei. Letzterer habe doch bloß Auftragskunst geschaffen, hätten nun viele gemeint. 2021 richtete das Gothaer Kunstforum Streubel zum posthumen 100. Geburtstag eine große Einzelausstellung aus. Nun folgt auf Peter Arlts Betreiben hin eine solche für Kayser.

Dass Otto Kaysers Werk keinesfalls so eindimensional war, wie es das Schlagwort »Auftragskunst« suggerieren könnte, dürfte jedem Besucher der Schau schnell erkenntlich werden. Über drei Stockwerke erstrecken sich über 100 Arbeiten, die Peter Arlt zur Präsentation ausgewählt hat. Sie stammen aus dem über 3500 Arbeiten umfassenden Nachlass, der der Stadt Gotha vor einigen Jahren von Hinterbliebenen Otto Kaysers übergeben wurde. Im Erdgeschoss sind einige Vorarbeiten Kaysers für seine baugebundene Kunst zu sehen. Kayser gestaltete vielerorts in Thüringen den öffentlichen Raum mit Wandgemälden, Mosaiken und Metallarbeiten – nur eine der 14 Arbeiten ist noch an ihrem ursprünglichen Ort, wenige abgebaut und restauriert, die meisten zerstört oder verschollen. Höhepunkt von Kaysers Werk im öffentlichen Raum war die »Kulturhistorische Säule«, die der Künstler 1973 im Auftrag der Gemeinde Seebach schuf. Es handelte sich um eine kupfergetriebene Säule mit 24 Reliefs, die jeweils ein symbolhaftes Motiv zum menschlichen Glück und Leid in der Geschichte zeigen. Derzeit werden die Reliefs nacheinander restauriert. Drei von ihnen, die bereits restauriert worden sind, hängen in der aktuellen Ausstellung.

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Im zweiten und dritten Stock des Kunstforums befinden sich allerlei zweidimensionale Arbeiten, die zusammengenommen die Vielfältigkeit des künstlerischen Ausdrucks Kaysers demonstrieren. Viele Motive aus der antiken Mythologie sind hier zu sehen, aber auch viele Arbeiterbildnisse und Arbeitsszenen – der Arbeiter war ein Leitmotiv der DDR-Kunst –, zudem Stadtlandschaften – etwa von Leningrad oder dem syrischen Latakia –, abstraktere, kubistische Motive, deren Titel Aufschluss über das enthaltene Figürliche geben, und einige Porträts. Nicht nur die Fülle an unterschiedlichen Motiven, sondern auch die an Stilen, Materialien und Techniken zeugt von einer großen künstlerischen Neugier: Holzschnitte, Ölmalereien, Aquarelle, Radierungen, Bleistift-, Kreide- und Federzeichnungen, Schablonendrucke – es scheint kaum ein Medium im Zweidimensionalen zu geben, in dem Kayser sich nicht ausprobierte.

Für den Kurator tritt in manchen Arbeiten der Bezug zum Leben des Künstlers deutlich hervor. So etwa in der Radierung »Verwandlung der Myrrha« (1983), in der Kayser eine recht unbekannte griechische Sage aufgreift, um wohl so die eigene Familienkonstellation zu reflektieren. An der Radierung »Verwandlung der Io« (1983) wird beispielhaft deutlich, warum sich Kayser als bildender Künstler »gleich einem Poeten« verstanden wissen wollte – eine Aussage, die der Ausstellung den Titel gab. Es ist Vexierbild, das eine menschliche Figur mit einer tierischen Figur vermischt zeigt – und erzählt als solches den Mythos der Königstochter Io, die Zeus’ Geliebte war und von ihm in eine Kuh verwandelt wurde, weil seine Gattin Hera dem Verhältnis auf die Schliche gekommen war. Rund um den Kopf des Wesens befinden sich mehrere Augen: Sie gehören dem Riesen Argos (lat. Argus), den Hera dazu verpflichtet hat, das Tier permanent zu bewachen.

Ein solches gezeichnetes Argusauge findet sich auch einige Meter weiter in der Ausstellung auf einer Neujahrsgrußkarte von 1984, die neben anderen Memorabilia und Dokumenten in einer Vitrine liegt. Der Künstler hatte sie einst für den Kurator, mit dem er persönlich bekannt war, gestaltet. Den angefügten Spruch – »ein behütetes und freudvolles jahr« – könne man auch ironisch-subversiv verstehen, meint Arlt. Kritisierte der Künstler mit der Karte das staatliche Überwachungssystem der DDR? Was Kayser im Innersten von der DDR und ihren Institutionen hielt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es ist aber für die Erfassung der Bedeutung seines nach 1990 in den Hintergrund gedrängten Werkes wohl auch nicht ausschlaggebend. Dieses kann für sich stehen und beeindruckt durch einen Reichtum an motivischen Ideen genauso wie durch die Lust an verschiedenen Techniken und Stilen.

»Otto Kayser: Gleich einem Poeten«, bis zum 26. Januar 2025, Kunstforum Hannah Höch, Gotha

Veranstaltungen: »Kaysersche Lesezeichen. Aus Romanen, Gedichten, Kunstbüchern der Buchsammlung Otto Kaysers liest, seinen Hinweisen folgend, Peter Arlt«, Donnerstag, 21. November, 19 Uhr; Basar mit Büchern und Grafiken aus dem Nachlass Otto Kaysers, Freitag, 12. Dezember, ab 19 Uhr; Finissage: Geführter Ausstellungsrundgang mit Peter Arlt, Sonntag, 26. Januar, 16 Uhr

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