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- Aufstieg der extremen Rechten
In Zeiten der Monster
Auf einer großen Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung wurde über die globale Krise und den Aufstieg der extremen Rechten debattiert
Dass die berühmte Metapher der Faschisierung als einer »Zeit der Monster« gar nicht vom italienischen Philosophen Antonio Gramsci stammt, sondern von Slavoj Žižek in Umlauf gesetzt wurde, hatte die eine oder andere im Publikum möglicherweise schon einmal gehört. So bestand die wichtigste Erkenntnis zum Auftakt der RLS-Konferenz am vergangenen Wochenende in Berlin wohl darin, dass die Faschismusdebatte in der internationalen Linken doch etwas anders geführt wird als hierzulande. Während in Deutschland die Gefahr des autoritären Bruchs mit Rechtsstaat und Institutionen betont wird, hoben die internationalen Beiträge eher die Kontinuität zwischen liberalem und autoritärem Kapitalismus hervor.
US-Philosophin Nancy Fraser etwa, die auf der Eröffnungsveranstaltung die Key Note hielt, zeigte sich sehr bemüht darum, den Wahlsieg Donald Trumps nicht als Überwindung, sondern als Radikalisierung bestehender Verhältnisse zu analysieren. Beim Trumpismus handele es sich bislang, so Fraser, um ein »Interregnum«, also eine Zwischenperiode mit offenem Ausgang. Der »progressive Neoliberalismus«, wie er von den Präsidenten Clinton, Obama und Biden repräsentiert wurde und der sich in der Verbindung einer extrem kapitalfreundlichen Wirtschaftspolitik mit einer (nicht-materiellen) Anerkennungspolitik gegenüber Frauen und Schwarzen ausdrückte, sei endgültig am Ende. »Eine Rekonsolidierung dieses hegemonialen Blocks« sei unwahrscheinlich, so die Philosophin weiter. Offen sei gleichzeitig aber auch, ob Trump einen tragfähigen neuen Block werde etablieren können.
In Rückgriff auf ihr letztes Buch sprach Fraser in diesem Sinne von einer »fortgesetzten Kannibalisierung« des Systems und einem anhaltenden Legitimationsverlust des Regimes. Mit »Kannibalisierung« beschreibt die feministische Sozialistin Fraser die im Neoliberalismus besonders ausgeprägte Tendenz des Systems, seine ökologischen und sozialen Grundlagen zu zerstören.
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Das Problem für Trump, der Kamala Harris sogar in den nicht-weißen Teilen der Arbeiterklasse schlug, bestehe nun allerdings darin, dass er seine zentralen Versprechen kaum werde einhalten können. Die erhoffte Reaktivierung verarbeitender Industrien in den USA sei wenig wahrscheinlich, die Inflation dürfte sich infolge von steigenden Zöllen und Migrationsbekämpfung eher noch beschleunigen. Ob der rechtsextreme Block längerfristig erfolgreich sein werde, hänge deshalb davon ab, ob die Linke eine Alternative aufzeigen könne. Die neo-sozialdemokratische Bewegung des unabhängigen Senators Bernie Sanders habe 2016 eine interessante Dynamik gesetzt, doch für den inzwischen 83-Jährigen sei »kein glaubwürdiger Nachfolger in Sicht«.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Clara Mattei, bisher an der New School in New York tätig und ab 2025 Leiterin des neu gegründeten »Zentrums für heterodoxe Ökonomie« an der University of Tulsa / Oklahoma, sah hinsichtlich der Trump-Wahl ebenfalls eher Kontinuität als Bruch, hob dabei allerdings die internationalen Aspekte stärker hervor. Wie viele US-Linke hält auch die italienischstämmige Ökonomin das Vorgehen Israels in Gaza für Ausdruck einer Faschisierung des westlichen Lagers und sprach auf der Konferenz von »genozidaler Barbarei«. Wenn Kinder gezielt durch Drohnen gejagt und ermordet werden, wie dies der Chirurg Nizam Mamode nach seinem Gaza-Einsatz im britischen Parlament geschildert habe, sei dies Ausdruck einer Radikalisierung bürgerlicher Herrschaft – die von der Regierung Joe Bidens zu verantworten sei.
Als ökonomisches Merkmal dieser Radikalisierung machte Mattei in ihrem Vortrag, der eher politisch mobilisierend als akademisch daher kam und für eine neue Anti-Kriegs-Bewegung warb, die Austeritätspolitik aus. Diese müsse endlich als politische Strategie begriffen werden. Wenn 79% der US-Bürger*innen keine Rücklagen für den Krankheitsfall besitzen und sich von Gehaltszahlung zu Gehaltszahlung hangeln müssen, trage dies, so Mattei, zur Aufrechterhaltung bestehender Klassenverhältnisse bei. Genauso müssten auch Inflation und Hochzinspolitik als politische, sprich disziplinierende Werkzeuge erörtert werden. In diesem Sinne sei der unter Trump zu befürchtende Autoritarismus nur ein weiterer Schritt, um die unteren Klassen in Schach zu halten und Arbeitskosten zu senken.
Die italienisch-amerikanische Ökonomin Clara Mattei warb für eine internationale Antikriegsbewegung. Die Britin Grace Blakeley forderte, die Verteilungsfrage in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung zu stellen.
Nach diesem eher kämpferischen Auftakt wurde sich in insgesamt zwölf Workshops und Panels um konkrete Einzelanalysen bemüht. Unter anderem diskutierten die Politikwissenschaftler Birgit Mahnkopf (siehe nebenstehendes Interview) und Mario Candeias über das sich abzeichnende Scheitern des grünen Kapitalismus, der britische Autor Richard Seymour und Birgit Sauer von der Universität Wien über Kipppunkte der autoritären Entwicklung, der ukrainische Soziologe Volodymyr Ishchenko mit Prokla-Redakteurin Jenny Simon über Weltordnung und multiple Krisen (siehe den Beitrag von Tanja Röckemann). In weiteren parallel stattfindenden Arbeitsgruppen ging es zudem um die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz für Produktion und Reproduktion, um Transformationsstrategien in der Industrie oder um das Verhältnis von Antirassismus und Klassenkämpfen. Auf dem Workshop über »De-Globalisierung« warf sich die Inderin Radhika Desai für die Politik Chinas ins Zeug, was in Anbetracht der Repression in dem ostasiatischen Land ein wenig verstörend war, aber einen realistischen Eindruck davon vermittelte, wie die geopolitische Konfrontation im globalen Süden heute häufig gelesen wird.
Als Zeitdiagnose waren diese Beiträge durchaus erhellend. Doch auffällig war, dass Gegenstrategien nur am Rande erörtert wurden. Das zeigte sich nicht zuletzt auch auf dem Abschlusspodium mit dem Titel »Vom Horror zur Hoffnung«. Obwohl das Fehlen einer linken Systemalternative in mehreren Workshops zuvor als zentrale Voraussetzung der rechten Wahlerfolge bezeichnet worden war, vertrat die neue Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner auf dem Abschluss-Panel die These, die Partei solle sich im Wahlkampf ganz auf die Verteidigung des Sozialstaats konzentrieren. Wie das Ausblenden der großen Krisentreiber – globale Ungleichheit, ökologische Krise und Krieg – und der Verzicht auf eine eigene alternative Erzählung Hoffnung stiften sollen, blieb bei Schwerdtner unbeantwortet. Zu befürchten ist, dass Die Linke aus Furcht vor Konflikten auch weiterhin jene Unentschlossenheit ausstrahlt, die sie in den letzten Jahren charakterisiert hat.
Deutlich brennender war der Auftritt der britischen Ökonomin Grace Blakeley, die vor einem Jahrzehnt die Momentum-Bewegung des ehemaligen Labour-Chefs Jeremy Corbyn mit aufgebaut hatte. Blakeley stellte zunächst ausführlich den Zusammenhang zwischen ökologischer und sozialer Krise her. In Anbetracht von Extremwetterereignissen und Ressourcenverknappung werde sich die materielle Not global verschärfen. In Zeiten abnehmender Prosperität jedoch würden Verteilungsfragen an Bedeutung gewinnen. Die Rechte habe das verstanden und stelle deshalb Themen wie Einwanderung oder eine angeblich zu hohe Unterstützung für Arbeitslose in den Mittelpunkt ihrer Politik, so Blakeley. Die Linke müsse dementsprechend die Umverteilungsfrage besetzen.
Das jedoch, so könnte man weiter argumentieren, wird wohl nur gelingen, wenn sich die Linke nach vorn entwickelt. Das einzig glaubwürdige Gegenprojekt gegen die Faschisierung besteht in einer Politik, die sich Umverteilung und globale Solidarität auf die Fahnen schreibt. In Zeiten internationalisierter Klassenverhältnisse kann linke Politik nicht an den Grenzen des Nationalstaats enden.
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