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Abkommen soll globale Plastikverschmutzung reduzieren

In Südkorea startete am Montag die fünfte Verhandlungsrunde über ein UN-Plastikabkommen

Säuberungsaktion auf dem Fluss Citarum in Indonesien – der Plastikmüllstrom ist hier nach offiziellen Angaben drei Kilometer lang.
Säuberungsaktion auf dem Fluss Citarum in Indonesien – der Plastikmüllstrom ist hier nach offiziellen Angaben drei Kilometer lang.

Als das Alfred-Wegener-Institut (AWI) vergangenes Jahr eine Expedition in die Arktis schickte, staunte man nicht schlecht: Selbst im Tiefseesediment weit unter dem Meereis fanden die Polar- und Meeresforscher aus Bremerhaven eine Vielzahl von Kunststoffen wie Polyethylen, Polyester, Polypropylen, Nylon und Akryl. Transporteur ist die Alge Melosira arctica, die zehnmal so viele Mikroplastikpartikel enthielt wie das umgebende Meerwasser. Diese Konzentration an der Basis der Nahrungskette stelle eine Gefahr für Lebewesen dar, sagt AWI-Forscherin Melanie Bergmann: »Die Menschen in der Arktis sind für ihre Proteinversorgung besonders auf das marine Nahrungsnetz angewiesen. Das heißt, dass sie in hohem Maße auch den darin enthaltenen Mikroplastik und Chemikalien ausgesetzt sind.«

Bergmann gehört der Scientists Coalition for an Effective Plastics Treaty an, einem Netzwerk von über 350 unabhängigen Fachleuten aus mehr als 30 Ländern, die sich für ein verbindliches Abkommen gegen Plastikverschmutzung einsetzen. 2022 beschloss die UN-Umweltversammlung, mit Verhandlungen darüber zu beginnen. In der fünften Runde, die am Montag in der südkoreanischen Stadt Busan begonnen hat, soll es nun eine Einigung geben. Mehr als 2500 Teilnehmende aus 170 Mitgliedstaaten, 480 Organisationen, UN-Einrichtungen und Industrielobby beraten in den kommenden sieben Tagen darüber, was im Vertrag konkret vorgeschrieben werden soll, bis wann die Maßnahmen umgesetzt, wie sie finanziert und kontrolliert werden sollen.

Das Problem ist schon lange bekannt: Plastik verschmutzt in gewaltigen Mengen die Umwelt zu Land, aber auch die Gewässer bis hin in fast menschenleere Gegenden. Um welche Mengen es geht, zeigt eine aktuelle Metastudie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) auf: Demnach wurden weltweit seit den 50er Jahren rund 9200 Millionen Tonnen Plastik produziert. 58 Prozent davon landeten auf Mülldeponien, gut ein Zehntel wurde verbrannt. Laut den Leipziger Forschern gelten zwischen 1750 und 2500 Millionen Tonnen als »mismanaged« – sie dürften unkontrolliert in die Umwelt gelangt sein. »Die Befunde sprechen eine deutliche Sprache«, so die Autoren, zumindest was den »negativen Einfluss von Plastik und assoziierten Chemikalien auf die Umweltverschmutzung« angeht.

Die klare Forschungslage kommt im postfaktischen Zeitalter aber nicht überall an. »Es war ernüchternd zu erleben, wie oft Staaten Zweifel bezüglich des aktuellen Wissensstandes äußerten, um ihre Positionen zu rechtfertigen«, berichtete Meeresbiologin Bergmann von früheren Verhandlungsrunden. »Außerdem war die stark angestiegene Präsenz von Lobbyisten sehr spürbar, die zum Teil versuchten, Wissenschaftler*innen öffentlich zu diskreditieren.«

»Für das globale Plastikabkommen ist es wichtig, ambitionierte Ziele zu formulieren, die den gesamten Lebenszyklus des Plastiks in den Blick nehmen.«

Melanie Bergmann Alfred-Wegener-Institut

Daher ist es kein Wunder, dass bisher ein 70-seitiger Textentwurf vorlag, der etwa 3500, teils weit auseinanderliegende Vorschläge enthält. Ob in den kommenden sieben Tagen eine Einigung gelingt, ist unklar – möglicherweise wird im Frühjahr weiter verhandelt. Besonders umstritten sind laut der Umweltorganisation Greenpeace folgende Punkte: Sollen Vorgaben für die Produktion, etwa zur besseren Wiederverwertbarkeit oder zu den verwendeten Stoffen, Teil des Abkommens werden oder geht es nur um bessere Abfallsysteme und höhere Recyclingquoten? Soll es ein Verbot bedenklicher Chemikalien und von Einwegplastik geben? Wie ist es mit Finanzmitteln für Entwicklungsländer, die die erforderlichen Maßnahmen nicht bezahlen können? Und soll die Reduktion des globalen Plastikaufkommens vorgeschrieben werden?

Laut Greenpeace blockieren insbesondere Ölländer wie Saudi-Arabien mit Unterstützung ihrer Industrielobby die Verhandlungen aktiv. Andere wie Japan wollen sich auf die Bekämpfung der Meeresverschmutzung konzentrieren und streben eher global unverbindliche Vereinbarungen an. Auch Plastics Europe spricht sich für nationale Aktionspläne und eine Beschränkung auf den Abfallbereich aus. So sagt die Chefin des Verbands der europäischen Kunststofferzeuger, Virginia Janssens: »Der beste Weg ist, dass das Abkommen die Nutzung von Kunststoffabfällen als wertvolle Ressource ermöglicht.« Allerdings gibt es auch eine »Koalition« von Staaten, die ambitionierte Ziele anstreben. Dazu zählen Deutschland und Frankreich sowie Südländer wie Peru und Ruanda.

Um die Verhandlungen voranzutreiben, hat die Leitung nun ein Kompromisspapier vorgelegt. Es enthält kaum rechtlich bindende Verpflichtungen, im Text ist lediglich von einem »nachhaltigen Management« der Plastikproduktion die Rede, und ein Zieldatum fehlt völlig. Auch sollen nur wenige giftige Chemikalien verboten werden. Dabei kommen laut der UFZ-Forscherin Annika Jahnke rund 16 000 Chemikalien in Plastik vor – von über 4200 von ihnen sei bekannt, dass »sie in der Umwelt langlebig sind, sich in Lebewesen anreichern, über weite Strecken transportiert werden oder ein Gefährdungspotenzial von ihnen ausgeht«.

Umweltverbände fordern hingegen verbindliche Vorgaben für die »drastische« Reduktion der Plastikproduktion, das Verbot von allen bedenklichen Chemikalien und vermeidbarem Einwegplastik, Mehrweg-Quoten für Verpackungen sowie die Stärkung von Menschenrechten in der gesamten Lieferkette. Auch AWI-Forscherin Bergmann hat eine klare Perspektive: »Für das globale Plastikabkommen ist es wichtig, ambitionierte Ziele zu formulieren, die den gesamten Lebenszyklus des Plastiks in den Blick nehmen: von der Rohstoffgewinnung über die Produktion in der Fabrik und den anschließenden Gebrauch bis hin zum Ende, sei es auf einer Deponie, in der Müllverbrennung oder im Recycling.«

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