Berlin braucht einen Mietendeckel

Kundgebung mit 100 Menschen gegen den Wohnungsgipfel in Schöneberg

Auf einer von bundesweit 30 Kundgebungen protestieren Berliner*innen gegen überteuerte Mieten.
Auf einer von bundesweit 30 Kundgebungen protestieren Berliner*innen gegen überteuerte Mieten.

»Wir dürfen nicht das Gebäude stürmen, das war der Polizei sehr wichtig«, sagt Lara Eckstein, Sprecherin der bundesweiten Kampagne für den Mietendeckel. Das Gebäude, von dem sie spricht, ist das Deutsche Institut für Bautechnik in Schöneberg. Dort findet am Donnerstag der abgespeckte bundesweite Wohnungsgipfel statt, der eigentlich in Hamburg hätte stattfinden sollen.

Die Polizei hat Sorge, dass die etwa 100 versammelten Mieter*innen ihrer Wut freien Lauf lassen. Bundesweit finden laut Angaben der Veranstalter 30 Kundgebungen als Auftakt für eine Kampagne für einen bundesweiten Mietendeckel statt. Gestürmt wird das Gebäude in Berlin zwar nicht, dafür machen die Demonstrant*innen mit Topfdeckeln Krach.

Der Mietendeckel ist ein Trauma der Haupstadt. Von der damals regierenden rot-rot-grünen Koaltion 2020 eingeführt, sorgte er in Berlin für zahlreiche Beschränkungen der Miethöhe in Gebäuden, die vor 2014 gebaut wurden. Es gab einen Mietenstopp, also ein Verbot von Mieterhöhungen über die Inflationsrate hinaus. Mietobergrenzen wurden eingeführt, die je nach Wohnlage und Wohnung eine verbindliche Höchstmiete festlegten. Auch überhöhte Mieten wurden abgesenkt. Die gute Zeit für Berliner Mieter*innen währte allerdings nur kurz. Im April 2021 kippte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz. Nicht das Land Berlin, sondern der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz.

Ohne Mietendeckel haben die Berliner*innen mit Mieten zu kämpfen, die immer weiter erhöht werden. »Allein seit 2012 sind die Mieten um 132 Prozent gestiegen und damit fünfmal stärker als die Einkommen«, sagt Niklas Schenker zu »nd«. Wohnen werde für immer mehr Menschen zur Armutsfalle, so der wohnungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Eine von den betroffenen Mieter*innen ist Jasmina Rühl, die in der berlinweiten Vernetzung gegen Vonovia aktiv ist. »Ich habe mir was aufgeschrieben. Nicht, weil ich mich mit meiner Situation nicht auskennen würde, sondern damit mich meine Wut, mein Zorn, meine Empörung über die Zustände in diesem Land, was das Wohnen betrifft, nicht wegreißt«, sagt sie auf der Kundgebung. Sie spricht viele Probleme der Mieter*innen an: »Horror-Heizkostenabrechnungen« von bis zu 9000 Euro, Mieten, die immer weiter erhöht werden, Verwahrlosung in Gebäuden. Als Mieterin von Vonovia hat sie außerdem mit besonderen Problemen zu kämpfen. »Der Immobilienkonzern Vonovia hat uns im Sommer Mieterhöhungen geschickt und dafür extra Fantasiemerkmale erfunden, die gar nicht im Mietspiegel stehen«, sagt sie. Weil sie die Mieterhöhungen nicht akzeptiert hätten, wolle Vonovia sie jetzt verklagen, so Rühl. »Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir verlangen, dass die politisch Verantwortlichen endlich handeln.«

Ein erster Schritt soll ein Mietendeckel sein. Auch der Berliner Mieterverein sieht keine Alternative. »Die Situation in den Städten und Ballungszentren hat sich inzwischen derart verschärft, dass wir an einem bundesweiten Mietendeckel nicht mehr vorbeikommen«, so Geschäftsführer Sebastian Bartels. Unterstützung kommt auch von der Linken: »Wir brauchen einen bundesweiten Mietendeckel, so wie es den in Berlin bereits gab«, sagt Niklas Schenker.

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