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Unsichtbarer Presslufthammer
Die satirische Serie »The Franchise« nimmt die Filmindustrie und die Superhelden-Blockbuster aufs Korn
In kaum eine andere Sparte pumpte die Filmindustrie in den vergangenen Jahren so viel Geld wie in das Superhelden-Genre. Vor allem Marvel setzt Rekordsummen mit zum Teil mehr als 300 Millionen Dollar pro Film ein, um in den Avengers-Blockbustern Männer mit Superkräften über den Bildschirm zu jagen, die nebenbei nicht selten platte sexistische Witz reißen.
Der Sender HBO wartet nun mit einer satirischen Comedy-Serie auf, die den Dreh eines solchen Superhelden-Films böse aufs Korn nimmt. In »The Franchise« wird der Blockbuster »Tecto: Auge des Sturms« gedreht. Schauspieler Adam (Billy Magnussen), der den Titelhelden Tecto verkörpert, ist ein um seine Selbstsicherheit ringender junger Mann mit wenig Talent, aber vorzeigbaren Muskeln. Mit seinem unsichtbaren Presslufthammer kann er ganze Erdbeben auslösen und kämpft mit oder gegen Eye (Richard E. Grant), der aussieht, wie eine billige Dr.-Ming-Kopie aus den Flash-Gordon-Comics. Die große Diva am Set ist der angeblich so avantgardistische Regisseur Eric Bouchard (Daniel Brühl), der so tut, als stecke in dem anspruchslosen Drehbuch irgendeine künstlerische Botschaft. Zusammengehalten wird das Chaos am Set von Regie-Assistent Daniel Kumar (Himesh Patel), der die ganze Zeit kurz vorm Nervenzusammenbruch steht.
Die Filmindustrie und das Superhelden-Genre kriegen verdientermaßen ihr Fett ab. Vor allem die krassen Hierarchien der Filmindustrie mit ihrer »Hire and Fire«-Logik werden aufs Korn genommen.
Die Situation am Set eskaliert dadurch, dass die Studiobosse den Supervisor Pat (Darren Goldstein) an den Drehort schicken, um Druck wegen des hinterherhinkenden Zeitplans auszuüben und bei Bedarf nach Gutdünken auch noch das Skript abzuändern. Das ist aber heikel, zumal jeder Eingriff von einer überaus aufmerksamen Fangemeinde sofort kommentiert wird und der Film während des Drehs schon stark unter Beschuss gerät.
Hinter vorgehaltener Hand wird von den Verantwortlichen sogar mit dem Abbruch der Dreharbeiten gedroht. Als dann auch noch der Produzent gefeuert und durch Anita (Aya Cash) ersetzt wird, der Ex-Freundin von Regie-Assistent Daniel, scheint das Chaos perfekt. Und dann soll auf Geheiß der Studiobosse der Film auch noch weniger sexistisch werden, was zu heftigen Debatten führt und bei dem simplen Drehbuch voll machistischer Ästhetik und platter Actionhandlung kaum umgesetzt werden kann. Also werden kurzerhand wieder einige Änderungen am Skript vorgenommen und eine Nebendarstellerin rückt sehr zum Unmut ihrer männlichen Kollegen plötzlich ins Zentrum des Filmgeschehens.
Der Achtteiler »The Franchise«, dessen Episoden jeweils nur etwa 25 Minuten lang sind, ist eine flott erzählte Serie mit großartigen Schauspielern, witzigen Dialogen, aber stellenweise ist der Humor zu eindimensional und zu krawallig. Die Filmindustrie und das Superhelden-Genre kriegen verdientermaßen ihr Fett ab. Vor allem die krassen Hierarchien der Filmindustrie mit ihrer »Hire and Fire«-Logik werden aufs Korn genommen.
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Der Supervisor ist ein knallharter Manager, der nach unten durchregiert. Mit einem künstlerischen Anspruch, wie ihn der Möchtegern-Avantgarde-Regisseur Eric Bouchard gerne hätte, den Daniel Brühl hingebungsvoll spielt, hat diese Filmproduktion nichts zu tun. Das Film-Set mit seinen Studioaufbauten irgendwo abgelegen in der englischen Pampa ähnelt einer billigen Fabrikhalle, in der mit Müh und Not und viel Improvisation ein halbgares Produkt zusammengeschustert wird.
Die Filmindustrie und ihre Produktionsvorgänge karikierte auch schon die HBO-Serie »Irma Vep« (2022), die aber gleichzeitig noch die französische Filmgeschichte mit in Szene setzte und einem avantgardistischen Filmbetrieb auch durchaus huldigte. »The Franchise« will sich über die Blockbuster-Industrie lustig machen, was in Zeiten leerer Kassen und zunehmender Schwierigkeiten, Geldgeber für anspruchsvolle Filme oder Serie zu finden, absolut seine Berechtigung hat.
Zu sehen auf Sky.
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