Wieder mehr Radau in Bremen

Verfassungsschutz beobachtet Zunahme linker »militanter Aktionen«

Foto vom Brandort bei der Firma OptoPrecision im Stadtteil Bremen-Horn-Lehe
Foto vom Brandort bei der Firma OptoPrecision im Stadtteil Bremen-Horn-Lehe

Am 26. November hatten Unbekannte in Bremen den Sitz der Firma OptoPrecision mit Brandsätzen angegriffen. »Wir legten an zwei Stellen am Gebäude Feuer. Steine, Molotovcocktails und mehrere Liter entzündliches Gemisch halfen uns dabei«, heißt es in einer zuerst auf der linken Internetplattform Indymedia veröffentlichten Stellungnahme. Die Wurfgeschosse und Brandsätze seien nicht ins Gebäude gelangt, erklärte OptoPrecision anschließend und nannte die Täter*innen »kriminelle Extremisten«. Ihnen sei es aber gelungen, Büros im ersten Stockwerk »durch einen örtlich begrenzten Brand zu beschädigen«.

Im Jahr 2020 hatten derartige »militante Aktionen« in Bremen mit 51Fällen einen Höhepunkt erreicht. Diese Zahl ging im Verlauf der Corona-Pandemie zurück und lag im Jahr 2023 bei 15 Taten, berichtet das Landesamt für Verfassungsschutz. Mit bislang 20 Fällen gibt es im laufenden Jahr also wieder eine leichte Zunahme. Ermittlungen zu den Aktionen gestalteten sich oft schwierig, da die Täter*innen »in abgeschotteten Kleinstgruppen agieren«, sagte ein Sprecher des Bremer Verfassungsschutzes zu »nd«.

OptoPrecision wird von den Unbekannten in ihrer Stellungnahme zu dem Anschlag kritisiert, weil die Firma Technik für Polizei und Militär produziert. Genannt wird das Kamerasystem »PerIS« zur Grenzüberwachung in Sachsen, das auch in anderen Bundesländern zum Einsatz kommt. Recherchen von »nd« und »netzpolitik.org« haben gezeigt, dass dabei im Polizeialltag in Deutschland erstmalig Echtzeit-Gesichtserkennung angewendet wird. Die Angreifer*innen werfen OptoPrecision deshalb vor, für »Psychoterror, Isolation und die Angst vor Hausdurchsuchungen« mitverantwortlich zu sein.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

OptoPrecision dementiert, dass die Technik »beliebige Personen« automatisch identifizieren kann. Das haben die Recherchen aber nicht behauptet. Denn das PerIS gleicht seine hochaufgelösten Videoaufnahmen mit Bildern von Verdächtigen ab. Im Trefferfall erhalten Ermittler*innen einen sofortigen Hinweis und können tätig werden.

»Darüber hinaus treffen unsere Systeme keine eigenen Entscheidungen, sondern verbessern nur die Entscheidungsgrundlage der ermittelnden Behörde«, betont OptoPrecision. Dieser Hinweis soll wohl Datenschützer*innen beschwichtigen, die sich wegen der Erosion menschlicher Kontrolle bei der Gesichtserkennung sorgen. Tatsächlich werden beim Bundeskriminalamt mit der Einführung automatisierter Verfahren Dutzende Stellen im Bereich der Gesichtserkennung abgebaut, erklärte BKA-Chef Holger Münch auf der Herbsttagung des Amtes.

Nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz gehört Bremen seit Jahren zu den Hochburgen des »gewaltorientierten Linksextremismus« in Deutschland. Derzeit würden dem Spektrum rund 250 Personen zugeordnet, so der Sprecher. Besonders häufig stünden Aktionen im Kontext von Antirepression, Antimilitarismus, Antikapitalismus und Antifaschismus.

Angriffe betreffen nicht nur große Rüstungsunternehmen, sondern auch mittelständische Zulieferer und Dienstleister. Um diese ausfindig zu machen, sei »ein gewisser Rechercheaufwand erforderlich«, erklärte Thorge Koehler, Chef des Bremer Verfassungsschutzes, dem Magazin »Buten un binnen« und sieht darin eine »gesteigerte Qualität« der Aktionen. In einigen Fällen seien auch leitende Mitarbeiter*innen der betroffenen Unternehmen in Bekennerschreiben mit ihren Privatadressen genannt worden.

Die Polizei in Bremen stuft das Bekennerschreiben zum Anschlag auf OptoPrecision als authentisch ein. Man habe die Szene nach eigenen Angaben verstärkt im Auge. Im Jahr 2022 wurde nach schwerwiegenden Anschlägen die bereits bestehende Ermittlungsgruppe »EG Feuer« zu einer Sonderkommission »Soko Linksextremismus« ausgeweitet.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.