Bundeswehr-Werbung: Krieg als Videospiel

Mit immer neuen Reklameformaten buhlt die Truppe um Nachwuchs. Kostenpunkt: 35 Millionen Euro jährlich

Im Stadtbild zeigt die Bundeswehr immer massiver Präsenz.
Im Stadtbild zeigt die Bundeswehr immer massiver Präsenz.

Sie laufen in Kinos, online und auf Social-Media-Kanälen: Werbeclips der Bundeswehr. Darin wird in Top-Gun-Optik vorgegaukelt, das Leben beim Arbeitgeber Armee sei pures Abenteuer unter den besten Kolleginnen und Kameraden der Welt. In einer neuen Plakatkampagne, die im Oktober startete, gibt es zudem einen Wechsel in der Ansprache dahingehend, dass eine Entscheidung für die Truppe eine sei, die individuellen Vorlieben junger Menschen entgegenkomme. Während zuvor der bekannte Spruch »Wir dienen Deutschland« auf jedem Plakat prangte, lautet der Leitslogan nun: »Weil du es kannst.«

Die Linke im Bundestag wollte wissen, wie viel Geld sich der Bund das Buhlen um Rekruten nach der »Zeitenwende« kosten lässt. Laut Antwort des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) von Mitte Dezember, die »nd« vorliegt, hat sich die Gesamtsumme, die für Nachwuchswerbung ausgegeben wird, in den letzten Jahren kaum verändert. Sie lag demnach in den Jahren 2021 bis 2023 bei jeweils 35,3 Millionen und in den beiden Jahren zuvor bei je 34,7 Millionen Euro. Für 2024 wurden noch keine Zahlen vorgelegt.

Während die Ausgaben in den meisten Bereichen 2023 gegenüber den Vorjahren gleichbleibend oder rückläufig waren und es für Fernsehspots in dem Jahr gar keine Aufwendungen gab, stiegen jene für sogenannte Außenwerbung, also auf Plakaten und anderen Trägern im öffentlichen Raum, stark an: von 6,5 Millionen auf 9,6 Millionen Euro.

Da die für vom Verteidigungsministerium seit vielen Jahren mit der »Arbeitgeberkommunikation« betraute Firma Castenow aktuell aber öffentlich dafür wirbt, dass die Bundeswehr auf allen Kanälen und »erstmals seit sechs Jahren« auch wieder »im TV« für sich wirbt, kann man davon ausgehen, dass es im gerade zu Ende gegangenen Jahr einen deutlichen Anstieg gegeben hat.

Zugleich sind die erheblichen Aufwendungen für die Arbeit der Jugendoffiziere im ganzen Land zwar keine direkte Nachwuchswerbung. Doch sie sind faktisch Teil der spätestens seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 massiven Öffentlichkeitsarbeit. Und gerade in strukturschwachen Regionen mit wenig Jobangeboten nutzen Schulen und Lehrkräfte seit langem diese »Informationsangebote« umfänglich.

Dass es sich um reine Information handele, betont auch Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller (SPD) in ihrer Antwort auf die von der Abgeordneten Susanne Ferschle eingereichte Anfrage. Es bestehe eine »deutliche Trennung« zwischen ihren Angeboten, Kenntnisse zur »Sicherheitspolitik« zu vermitteln, und darüber mit Schüler*innen zu diskutieren, und »andererseits den Aufgaben der Personalgewinnungsorganisation«. Jugendoffizier*innen sei es per Dienstvorschrift untersagt, »Nachwuchsgewinnung zu betreiben«, so Möller. Zudem könnten sich Schulleitung, Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern »selbstverantwortlich für oder gegen einen Besuch der Bundeswehr an ihrer Schule entscheiden«.

Die Staatssekretärin beruft auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1977, das klargestellt habe, dass »Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften (...) nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig« sei. Zudem, so Möller, würden die spezifischen »Risiken und Gefahren des Soldatenberufs« bereits »im Vorfeld einer Bewerbung« in einem obligatorischen ausführlichen Informationsgespräch »transparent und offen kommuniziert«.

Richtschnur für die Einsätze der Jugendoffiziere, so die Staatssekretärin, sei der Beutelsbacher Konsens, in dem 1976 zunächst für Baden-Württemberg Grundsätze politischer Bildung festgelegt wurden. Das heißt, dass gewährleistet sein muss, dass Schüler*innen durch Informationen aus verschiedenen Perspektiven in die Lage versetzt werden sollen, sich eine eigenständige Meinung bilden zu können.

»Von der Reichweite der Bundeswehr können andere gesellschaftliche Gruppen nur träumen. So fristet die Friedensbildung an Schulen ein Schattendasein: Sie ist weder strukturell noch personell verankert.«

Martina Schmerr Referentin Schule beim Bundesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Dass es hier ein Ungleichgewicht zugunsten der des Militärs gibt, kritisiert Die Linke im Bund wie auch in den Ländern. Ferschl und Genossinnen fragten deshalb, ob sich die Bundesregierung in der Verantwortung sehe, dass junge Menschen auch »über ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Wehrdienstverweigerung ebenfalls öffentlich informiert werden«. Die Antwort des BMVg ist eindeutig: Mit der »wirksamen Verkündung« des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes im Bundesgesetzblatt 2003 habe »jede Bürgerin und jeder Bürger die bedingungslose Möglichkeit der zuverlässigen Kenntnisnahme erlangt. Eine Verantwortung zur Aufklärung im Sinne der Fragestellung ergibt sich daher nicht.«

Dass die Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses durch die Auftritte der Jugendoffiziere an Schulen eben nicht eingehalten werden, kritisiert indes die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) immer wieder scharf. Sie hat diese Position auch nach der »Zeitenwende« zur massiven Aufrüstung durchgehalten. Zuletzt verwies die Gewerkschaft darauf, dass es mittlerweile in neun von 16 Bundesländern Kooperationsvereinbarungen mit den Informationsabteilungen der Streitkräfte gibt, die diesen »einen privilegierten Zugang zu Schulen und zur Ausbildung der Lehrkräfte an Hochschulen« geben.

Der Landtag in München hat im Juli sogar ein »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern« verabschiedet. Die Kooperation von Schulen mit der Bundeswehr soll damit enger und verbindlicher werden. Abschlussklassen sollen demnach zudem für die Karriereberater*innen der Truppe geöffnet werden. Zivilklauseln an Hochschulen werden faktisch verboten.

Mit Sorge sieht die GEW, dass inzwischen sogar »Waffenschauen und Informationsveranstaltungen auf Schulhöfen und in Turnhallen« stattfinden. In einer Erklärung zum Antikriegstag 2024 wandte sich Martina Schmerr, Referentin Schule beim GEW-Hauptvorstand, gegen eine »kriegstüchtige Bildung« und plädierte stattdessen dafür, »Friedensbildung zu stärken und verbindlich in Lehrplänen und Fortbildung zu verankern«. Von der Reichweite der Truppe an den Schulen könnten andere gesellschaftliche Gruppen »nur träumen«, moniert Schmerr. »So fristet die Friedensbildung an Schulen ein Schattendasein: Sie ist weder strukturell noch personell verankert.«

Minderjährige, fordert die GEW, müssten generell vor Bundeswehrwerbung geschützt werden. Jugendoffiziere haben aus ihrer Sicht auch deshalb nichts in den Schulen zu suchen. »Politische Bildung gehört in die Hände der dafür ausgebildeten Lehrkräfte und muss die unterschiedlichen Sichtweisen auf ein Thema darstellen«, mahnt Martina Schmerr. Dass Soldat*innen, »die auf die verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundesverteidigungsministeriums verpflichtet« seien, eine solche Ausgewogenheit gewährleisten können, sei zweifelhaft.

Die Linke hat Mitte Dezember im Sächsischen Landtag eine Aufkündigung der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Dresdner Kultusministerium und dem Landeskommando der Bundeswehr gefordert. »Wir wenden uns dagegen, immer weitere Gesellschaftsbereiche zu militarisieren«, sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luise Neuhaus-Wartenberg dazu. Die »privilegierte Einflussnahme« der Truppe in Bildungseinrichtungen sei eben nicht vereinbar mit den Grundsätzen der politischen Bildung.

Über den Erfolg von Clips und Plakatwerbung will oder kann das BMVg übrigens keine Auskunft geben. Das »Herstellen einer direkten Korrelation« zwischen Reklame und Rekrutierungserfolgen sei »nicht seriös möglich«, schreibt Staatssekretärin Möller. Die Bundeswehr könne sich aber trotz des sich »verschärfenden« Wettbewerbs um die »besten Talente« als »einer der größten Ausbilder und Arbeitgeber Deutschlands weiterhin am Arbeitsmarkt behaupten«. Derzeit gehören der Bundeswehr nach deren Angaben 181 000 aktive Soldat*innen an. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat es als Ziel ausgegeben, ihre Zahl um gut 20 000 auf 203 000 zu erhöhen. Die Begeisterung der jungen Generation für die Truppe hält sich allerdings weiter in Grenzen.

Dagegen hat sich die Zahl der Kriegsdienstverweigerer trotz bislang nicht erfolgter Reaktivierung der Wehrpflicht stark erhöht. Im Jahr 2023 wurden nach Angaben der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl (SPD) 1609 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, 486 mehr als im Jahr zuvor. 2024 hatten laut Bundeswehr bereits bis zum 31. August 2053 Personen einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung eingereicht.

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