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Friedrichshain-Kreuzberg geht gegen möbliertes Wohnen vor
Der Bezirk will das umstrittene Geschäftsmodell in Milieuschutzgebieten untersagen
Wer auf Wohnungssuche ist und einschlägige Portale durchstöbert, stößt sehr oft auf Angebote für möblierte Wohnungen. Diese sind nicht nur teurer als normale Mietwohnungen, sondern die Mietdauer ist befristet. Auf diesem Wege können Vermieter Mietpreisbeschränkungen umgehen, Mieten von mehr als 20 Euro je Quadratmeter sind keine Seltenheit. Der Eindruck, dass diese Wohnangebote überhandnehmen, lässt sich statistisch bestätigen. Der Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin hatte schon für 2023 festgestellt, dass solche Angebote das Marktgeschehen dominieren, Tendenz steigend. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will dem nun Einhalt gebieten – zumindest in Milieuschutzgebieten.
Eigentlich hätte zu der Frage, ob ein Bezirk in einem Milieuschutzgebiet die gewerbliche Nutzung von Wohnraum für möbliertes Wohnen untersagen kann, am 16. Januar eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stattfinden sollen. Das Bezirksamt hatte der White Tulip GmbH untersagt, im Milieuschutzgebiet Weberwiese vier Wohnungen möbliert zu vermieten. Dagegen hatte die Firma geklagt – die Klage aber im letzten Moment zurückgezogen.
»Ich interpretiere die Zurücknahme der Klage als taktische Flucht vor einer Grundsatzentscheidung«, erklärt dazu Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg. Eine solche Grundsatzentscheidung wollte das Bezirksamt erreichen, da es mit der Versagung einer bestehenden möblierten Vermietung Neuland betreten habe, so Schmidt weiter. Durch den Rückzug der Klage habe die Klägerin ein Präzedenzurteil verhindert, das die Bezirksämter berlinweit zur Anwendung der Rechtsauffassung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg hätte bewegen können.
Der Bezirk will aber nicht warten und seine Rechtsauffassung jetzt systematisch anwenden. »Wir würden vorangehen und ab sofort restriktiver herangehen«, sagt Schmidt am Montag im Stadtentwicklungsausschuss. Wenn diese Herangehensweise Standard für Berlin werden würde, hätte das erhebliche Auswirkungen: Mittlerweile wohnt rund ein Drittel der Berliner*innen in einem der 81 Milieuschutzgebiete.
Rechtlich relevant ist die Frage, ob die Nutzung von Wohnraum für möbliertes Wohnen eine Nutzungsänderung darstellt. »Das ist eine andere Nutzung als eigentlich gedacht war, und dementsprechend greift dann auch der Milieuschutz«, erklärt dazu Matthias Kollatz, baupolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus. Auch Elif Eralp (Linke) sagt, dass möbliertes Wohnen dem normalen Wohnungsmarkt Wohnraum entziehe. Julian Schwarze, baupolitischer Sprecher der Grünen, hofft, dass die Untersagung möblierten Wohnens auf großen politischen Zuspruch trifft.
Vonseiten des Senats kommen vorsichtige Zeichen dahingehend, dass es in Zukunft eine einheitliche Regelung geben könnte. Welche Maßnahmen in Berliner Milieuschutzgebieten zulässig sind oder nicht, ist in sogenannten Ausführungsvorschriften (AV) geregelt. »Wenn wir keine Rechtsprechung bekommen, dann müssen wir das über die Ausführungsvorschriften regeln«, erklärte ein Sprecher des Senats. Baustadtrat Florian Schmidt ist sich aber sicher, dass die Frage umkämpft sein wird, denn: »Es geht hier um richtig viel Geld.«
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