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War’s das mit dem AfD-Verbot?
Kurz vor den Wahlen soll der Verbotsantrag im Parlament diskutiert werden. Das Vorhaben wird trotzdem scheitern
Sollte es in nächster Zeit nicht zu einem AfD-Verbotsverfahren kommen, kann man die weiße Fahne hissen«, sagt der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz am Mittwoch. Der 49-jährige Politiker ist ein Sonderling in seiner Partei. Als einer von sehr wenigen in der Unionsfraktion setzt er sich dafür ein, dass der Bundestag noch vor Ende der Legislaturperiode ein AfD-Verbotsverfahren in Gang setzt. Sein letzter Kraftakt sozusagen, denn nach den Wahlen will Wanderwitz sich aus der Politik zurückziehen.
Die AfD sei eine gefährliche rechtsradikale Partei und es sei wichtig, dies den Wählerinnen und Wählern erneut aufzuzeigen, sagte der Mitinitiator des Antrags und ehemalige Ostbeauftragte im Deutschlandfunk. Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt pocht auf eine schnelle Entscheidung. Die AfD hetze immer offener gegen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passten, und greife den Rechtsstaat aggressiv an, sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Göring-Eckardt und Wanderwitz geben sich optimistisch, gar sicher. »Der Gruppenantrag auf Entscheidung des Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD wird auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages gesetzt und beraten werden«, hieß es in einer Pressemitteilung der Initiatoren des Antrags.
Hört man diese Stimmen, könnte man den Eindruck gewinnen, der Verbotsantrag könnte tatsächlich noch durchs Parlament gehen – warum sonst sollten sich die beiden dafür einsetzen? Doch besteht dafür so knapp vor den Neuwahlen überhaupt noch eine Chance?
Rund 120 Abgeordnete aus den Fraktionen der Linken, SPD, Grünen und CDU haben den Antrag von November unterstützt. Für eine einfache Mehrheit wäre das noch nicht genug. Im Falle einer Abstimmung aber kämen wahrscheinlich noch mehr Stimmen hinzu.
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Die nüchterne Wahrheit ist jedoch: Es besteht derzeit überhaupt keine Chance mehr, dass der Verbotsantrag vor Ende der Legislaturperiode durchkommt. Und das könnte bedeuten, dass die Idee von einem AfD-Verbot endgültig gestorben ist.
Zunächst einmal ist überhaupt fraglich, ob der Antrag wirklich nächste Woche im Bundestag zur Debatte stehen wird. Die Antragsinitiatoren behaupten dies zwar, nur findet sich der Punkt immer noch nicht auf der Tagesordnung für die kommende Sitzungswoche. Auch die Bundestagsverwaltung bestätigt dies gegenüber dem ZDF. Kommenden Dienstag sitzen die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen aber noch einmal zusammen und beraten über die Tagesordnung. Dann könne die Debatte natürlich noch aufgesetzt werden, heißt es seitens der Verwaltung.
Doch selbst wenn es der Truppe um Wanderwitz und Göring-Eckardt wirklich gelingt, den Punkt auf die Tagesordnung zu setzen – die Zeit würde schlichtweg nicht reichen, um damit den normalen parlamentarischen Prozess zu durchlaufen.
Die Idee des AfD-Verbotes ist damit im Prinzip gestorben.
Nach der Debatte nächste Woche muss der Antrag in die Ausschüsse übergeben werden, damit die Ausschussmitglieder ihn beraten können und dann zur zweiten und dritten Lesung in den Bundestag übergeben. Erst danach könnte darüber abgestimmt werden. Das Problem: Nach der nächsten Sitzungswoche soll das Parlament nur noch ein einziges Mal zusammenkommen – zur Generaldebatte vor der Wahl in der Woche ab dem 11. Februar. Andere Tagesordnungspunkte sind bisher eigentlich nicht vorgesehen. Und selbst dann würde die Zeit nicht für das normale parlamentarische Verfahren ausreichen. Ein verkürztes Verfahren ist ebenfalls ausgeschlossen. Dazu bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit, also 489 Stimmen im Parlament.
Warum also die Mühe von Wanderwitz, Göring-Eckardt, den Antrag auf die Tagesordnung zu bringen? Zum einen will man mit einer Debatte abermals ein Signal an die Wähler*innenschaft senden – ob dieses Signal wirkungsvoll wäre, ist schwer zu sagen. Und: Wenn der Antrag einmal in den Ausschüssen ist, würde er nicht komplett versanden. In der nächsten Legislaturperiode könnte sich der Bundestag noch einmal mit genau diesem Entwurf beschäftigen.
Realistischerweise bedeutet dies aber vorerst das Ende des Verbotsverfahrens. Wanderwitz sitzt nach der Wahl nicht mehr im Parlament – er wäre wohl der einzige gewesen, der versucht hätte, bei CSU und CDU dafür zu werben. Und ohne die Union ist eine Mehrheit für den Antrag eigentlich unmöglich.
Es gibt noch zwei andere Möglichkeiten, wie ein Verbotsverfahren eingeleitet werden könnte. Entweder die Bundesregierung oder der Bundesrat müssten das Bundesverfassungsgericht damit beauftragen, das Verbot zu prüfen. Dass dies in einer Regierung unter Merz geschieht, ist aber ebenso unwahrscheinlich wie eine entsprechende Initiative durch den Bundesrat in seiner aktuellen Konstellation.
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